Auf dem Weg zum Superstar: Das macht Franz Wagner so unfassbar wertvoll
Inhalt
- NBA-Star Franz Wagner im Sports-Illustrated-Porträt
- Franz Wagner: Größte deutsche Basketballhoffnung seit Nowitzki
- Moritz und Franz Wagner: Das macht das Brüderpaar in der NBA so besonders
Nachdem Gordon Herbert seine Ode an Franz Wagner abgeschlossen hat, ihn mit Larry Bird und LeBron James verglichen, seinen Charakter und sein Spiel geadelt hat, sagt er: "Er ist so gut, manchmal vergesse ich, wie jung er ist."
Man muss den Basketball-Bundestrainer kennen, um die Tragweite seiner Worte zu verstehen. Herbert ist kommunikativer Minimalist. Ganze sieben Wörter schrieb er, vom Erstkontakt bis zur Einigung, um sich zum Telefoninterview zu verabreden. Lobeshymnen und Superlative, generell öffentliche Wortschwalle, liegen ihm fern. Und dennoch: Bei Franz Wagner, der größten deutschen Basketballhoffnung seit Dirk Nowitzki, gerät er ins Schwärmen. Eine Ehre sei es, ihn zu coachen, der Mann habe das komplette Paket. Und noch mal der Verweis: "Er verhält sich viel älter, als er ist."
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Nach allem, was man weiß, ist der Flügelspieler der Orlando Magic 21 Jahre alt. Geboren in Berlin, gereift am College in Michigan, gestählt in der NBA. Nun, mit nur 13 Länderspielen, gilt er schon als Gesicht und Führungsspieler der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Gemeinsam mit Kapitän Dennis Schröder soll er das Team ab Ende August bei der WM in Japan, Indonesien und auf den Philippinen zu einer Medaille führen.
Franz Wagner: Frühreif, hochbegabt, gut erzogen
Dass sich bei all der Verantwortung kaum einer um den Youngster sorgt, zeigt, wie wenig 21-Jähriges in diesem 21-Jährigen steckt. Wagners Spielweise, sein Auftreten, seine Wortwahl – alles furchtbar erwachsen. Wer ist dieser Frühreife, der so souverän die Zukunft des deutschen Basketballs schultert?
"Erst mal ist der Franz ein total gut erzogener Junge", sagt Marius Huth. "Ich hatte nur wenige, mit denen die Arbeit so leicht war." Huth sitzt in einer grauen Telefonbox in der Geschäftsstelle von Alba Berlin und erzählt mit tagträumerischer Miene von Franz Wagner, so wie Schalke-Fans von der guten, alten Zeit, Hier, bei Alba, hat er Wagner trainiert, von der U11 bis zur U14. "Er hat extrem gut zugehört, alles wie ein Schwamm aufgesogen", sagt er. "Manchen musst du Sachen 35-mal erklären. Franz hat es beim ersten Mal verstanden."
Wer Huth und Herbert, dem Jugend- und dem Bundestrainer, zuhört, merkt schnell, dass Wagners Geschichte nicht nur von einem hochbegabten Frühstarter handelt, sondern auch von einem geradlinigen Typen. Denn trotz Pubertät, Kulturschock, Star-Status, Millionengehalt und was nicht alles dazukam, beschreiben Herbert und Huth nahezu exakt denselben Franz.
Franz und Moritz Wagner: Toptalente in der NBA
Und auch denselben Moritz. "Franz war immer recht ruhig, ganz anders als sein Bruder", sagt Huth. Herbert: "Das Quatschen übernimmt meistens Moritz." Über den vier Jahre älteren, extrovertierteren Bruder war Franz zum Basketball gekommen. Huth, der beide Wagners trainiert hat, erinnert sich noch, wie der jüngere dem älteren bei Spielen zusah. Wie er in der Halbzeitpause Körbe warf. Und wie er irgendwann selbst bei Alba anfing. Seither brettert er auf der Überholspur durch die Basketballlandschaft.
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Bundesliga-Debüt mit 16. Bester U21- Spieler mit 17. College-Leistungsträger mit 18. Fünftbester NBA-Newcomer mit 20. EM-Bronze mit 21. Nun steht er vor seiner ersten WM, und der Bundestrainer traut ihm zu, dort (trotz all der Amis!) zu den fünf besten Einzelspielern zu gehören. Es würde passen zu Wagner, der gewohnheitsmäßig Erwartungen übertrifft; unter anderem die von Huth, der schon dominantere Teenies gesehen hatte.
"Ich wusste, dass er talentiert war. Aber er war noch besser, als ich dachte", sagt DBB-Coach Herbert über Wagners Performance bei der Heim-EM 2022. Jenes Turnier war – wie gefühlt jede vorherige Prüfung – nach dem Wasserkocher-Prinzip verlaufen: In Nullkommanix war Wagner auf Temperatur. Acht Punkte zum Auftakt gegen Frankreich, 18 gegen Bosnien und dann 32 gegen Litauen. Zur Einordnung: Nur zwei andere Deutsche erzielten bei einer EM je 30 Punkte oder mehr – Dennis Schröder und Dirk Nowitzki. Und die waren zum jeweiligen Zeitpunkt schon gestandene Profis.
Franz Wagners Stärker: Spielintelligenz
Wie schafft man es, seinem Alter so weit voraus zu sein? "Wir reden hier über einen höchst intelligenten jungen Mann", sagt Huth und erzählt eine Geschichte, die sich eingebrannt hat; von einem Ball mit Bewegungssensor und einem Teenie-Franz, der ihn sich zu Weihnachten hat schenken lassen. "Dann stand er da, auf dem Freiplatz an der Knaackstraße, mit Handy und Lautsprecher, und hat sich von der Analyse-Software sagen lassen, ob seine Flugkurve zu hoch oder zu flach war."
Auch hier sind sich der einstige und heutige Trainer einig. Spielintelligenz – im Fachjargon: Basketball-IQ – sei Wagners herausragende Stärke, sagt Herbert, ehe er ins ganz große Regal greift: - "Wayne Gretzky, Tom Brady, Larry Bird, LeBron James – für solche Leute läuft das Spiel wie in Zeitlupe. Sie lesen es schneller als alle anderen und sehen Dinge, bevor sie passieren." Trainieren könne man diese Fähigkeit kaum, man habe sie einfach oder eben nicht. "Franz hat sie."
Basketball-IQ ist gewissermaßen der Cheatcode unter den Kernkompetenzen, weil er sich auf alle Bereiche des Spiels positiv auswirkt: Auf Angriff und Verteidigung, auf Aktionen mit und ohne Ball, aufs Umschaltspiel genauso wie das Setplay. Weil Wagner diesen Intellekt auch noch auf 2,08 Meter und einen zunehmend athletischen Körper verteilt, bringt er eine extrem vielseitige Spielanlage aufs Parkett. "Er kann scoren, werfen, verteidigen und rebounden. Er kann für sich selbst und für andere kreieren", sagt Herbert. "Franz kann ein Match auf verschiedenste Art beeinflussen."
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An Wagners Spiel fallen daher weniger einzelne Stärken auf als die Abwesenheit echter Schwächen. Er ist die Antithese des Fachidioten. Und da ist noch mehr. "Bei Franz wirkt alles smart und planvoll", sagt Huth. "Aber er war immer auch getrieben von sehr viel Bock und Leidenschaft."
Die nächste Anekdote: Einmal, mit 13, habe sich der Franz verletzt. Ein Riss im Knie. Rund anderthalb Jahre konnte er kein Basketball spielen. Anfangs durfte er nicht einmal laufen. "Trotzdem war er immer beim Training!" Huth habe ihm dann Übungen gegeben, die er im Sitzen ausführen konnte. "Ich dachte dann immer: Jetzt hast du was gefunden, jetzt ist er für ’ne Stunde beschäftigt." Aber nix da, keine zehn Minuten später sei er fertig gewesen und habe schon nach den nächsten Übungen gefragt.
Nowitzkis Trainer: Wagner hat Superstar-Potenzial
Fassen wir zusammen: Ein Typ, der fast nichts nicht kann und vieles sogar schon sehr gut. Der oft wirkt wie ein erfahrener Ü30er im Körper eines 21-Jährigen. Und der auch noch die nötige Mentalität, Intelligenz und Genetik für weitere Verbesserung mitbringt. Klingt irgendwie zu gut, doch es ist schwierig, Anhaltspunkte oder Kritiker zu finden, die dieser Auffassung widersprechen – auch ohne deutsche Brille oder Wagner-Bezug. Rick Carlisle etwa, Nowitzkis Meistertrainer von 2011 und aktuell Headcoach der Indiana Pacers, bescheinigte Wagner Mitte Februar "Superstar-Potenzial". Kurz zuvor hatte der Deutsche seinem Team 29 Punkte eingeschenkt.
Schon jetzt kratzt Wagner an der Schwelle zum All-Star: 18,6 Punkte, 4 Rebounds und 3,5 Assists legte er in seiner zweiten NBA-Saison auf. Zum Vergleich: Dirk Nowitzki kam in seinem zweiten Jahr auf 17,5 Punkte – und Wagner ist, anders als der Würzburger, nicht einmal der Fixpunkt in Orlandos Offense. Er hat die seltene Fähigkeit, Spiele zu dominieren, ohne den Ball zu dominieren. Nach genau solchen Typen lecken sie sich in der NBA die Finger.
Franz Wagner: Vom Rookie-Vertrag zum Superstar
Aktuell steckt Wagner in seinem Rookie-Vertrag, der auf 22 Millionen für vier Jahre dotiert ist. Sein erster eigens ausgehandelter Vertrag könnte im dreistelligen Millionenbereich liegen, sofern er sich tatsächlich zu dem Superstar entwickelt, den Carlisle und Herbert in ihm sehen. Dafür bräuchte es, neben anderem, noch mal rund zehn Punkte im Schnitt – ein gewaltiger Schritt. Die Frage ist: Hat einer, der so früh schon so weit ist, noch derart viel Raum für Verbesserung? Schlummert da wirklich noch so viel Potenzial, dass wir erst in fünf bis zehn Jahren den Prime-Wagner sehen? Oder erreicht einer, der in jedem Karrierestadium früh dran war, nicht auch sein Plateau schneller als die anderen?
Natürlich kann Wagner sich noch steigern, im Distanzwurf, im Dribbling. Doch stets geht es um Nuancen. Die Riesensprünge, die etwa ein Nowitzki in den 20ern noch machte, sind bei Wagner nicht zu erwarten. Und manche Fähigkeiten, etwa den Wurf eines Steph Curry oder das Spielverständnis eines LeBron James, kann sich selbst der eifrigste Schlaumeier schlicht nicht aneignen.
In der NBA bewegt sich Wagner in einem absurd talentierten Umfeld mit extremer Leistungsdichte. Aktuell gilt er dort als herausragend gut – für sein Alter. Wie das Urteil ausfällt, sobald man die Jugend aus der Gleichung streichen kann, wird über Wagners Platz in der Basketballgeschichte entscheiden. Fürs Erste, mit Blick auf die WM, sollte man sich aber an das Gewohnte halten. Und bisher galt noch immer: Je größer die Bühne, desto stärker der Wagner.
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