Toronto Raptors

Unter Druck ist er am besten! Das steckt hinter den Erfolgen von Dennis Schröder

In der NBA ist Deutschlands bester Basket­baller eine feste Größe. Seine Heimat fremdelte lange mit ihm – bis Dennis Schröder die Nationalmannschaft zum WM-Titel führte. Wir haben ihn bei seinem neuen Verein in Toronto besucht.

Dennis Schröder: Deutschlands bester Basketballer
Credit: Imago

 

Es ist Mitte November, als wir uns mit Dennis Schröder in einem geräumigen schwarzen Van auf den Weg zum Trainingsgelände der Toronto Raptors machen. Kurz zuvor hatte seine Frau Ellen noch frischen Saft gepresst für Dennis und seine Begleiter. Dann: auf zur Facility.

Die Schröders wohnen erst seit einigen Wochen in ihrem neuen Haus, etwas außerhalb der Drei-Millionen-Metropole Toronto. Beim Anblick der Bungalow-Siedlung kommen US-Vorabendserien in den Sinn. Die meisten Häuser haben in der Einfahrt einen Basketballkorb stehen, und man sieht mehr Eichhörnchen, als man zählen kann. Es ist eine idyllische Gegend, nach ein paar Schritten befindet man sich schon am Ufer des Lake Ontario, des riesigen Sees, der Torontos Skyline auf Bildern noch spektakulärer in Szene setzt. „Die letzten vier bis sechs Wochen haben wir eine Menge Kisten ausgepackt“, sagt Schröder. „Mittlerweile haben wir uns ein bisschen eingelebt und fühlen uns zu Hause.“

Toronto und die Raptors sind seine siebte NBA-Station im elften Jahr. Sein Vertrag läuft über zwei Jahre und bringt dem 30-Jährigen insgesamt 23 Millionen Euro ein. Das sind die hard facts des neuen NBA-Lebens von Dennis Schröder. Ach ja: Eine Goldmedaille gehört ihm auch, er ist jetzt Weltmeister.

CHAMPIONS! Die deutschen Weltmeister um Kapitän Dennis Schröder feiern den Triumph in Manila.
CHAMPIONS! Die deutschen Weltmeister um Kapitän Dennis Schröder feiern den Triumph in Manila.
Credit: Getty Images
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„Einfach unglaublich, was wir geleistet haben"

Wenn Dennis Schröder auf der Fahrt Richtung OVO Athletic Centre über das WM-Finale spricht, erwähnt er immer wieder das Datum: den 10. September. Jener Tag, an dem Deutschland, angeführt von Kapitän und MVP Dennis Schröder, im Finale der Basketball-Weltmeisterschaft 83:77 gegen Serbien gewann und zum ersten Mal überhaupt den Titel holte. Der 10. September ist ein wichtiges Datum für Dennis Schröder, es war schon immer ein wichtiges Datum für ihn. Es ist der Geburtstag seiner Mutter Fatou.
Auch Monate nach dem Titelgewinn ist die WM für Dennis Schröder allgegenwärtig – er schaut immer noch oft Spiele oder Highlights des Turniers an, das auf den Philippinen, in Japan und Indonesien stattfand. „Einfach unglaublich, was wir geleistet haben in diesem Sommer. Die harte Arbeit, die wir die letzten Jahre reingesteckt haben, das Commitment von allen, das hat sich ausgezahlt. Jeder einzelne Spieler hat sich das verdient“, sagt er.

WM-Titel - ein Meilenstein für den Sport

Der WM-Titel ist ein Meilenstein – für Schröder, das deutsche Team, aber auch den Sport an sich: „Wir spüren jetzt auch die Anerkennung in Deutschland, Basketball wird immer größer“, sagt er. Und: „Seit dem 10. September hat sich viel für mich verändert: die Liebe, die ich aus Deutschland spüre, wie die Menschen auf dich zukommen, wie sie dich feiern und supporten. Ich glaube, dass das Interesse an Basketball in Deutschland stark gewachsen ist, vor der Weltmeisterschaft ist das ein bisschen untergegangen. Aber das hat sich geändert. Wir hätten gerne schon früher diesen Support aus Deutschland gespürt, den wir jetzt haben. Das war nicht so der Fall, wie ich es mir gewünscht hätte.“ Bronze bei der Heim-EM im vergangenen Sommer war die Ouvertüre, der Auftakt der deutschen Basketball-Euphorie, die Goldmedaille jetzt das Grande Finale.

Gleich nach dem WM-Titelgewinn hatte er eine Message an seine Fans und seine Kritiker gleichermaßen gesendet: „Im Endeffekt will ich meinen Respekt, der Trainer seinen und meine Teammates ihren Respekt. Für alle, die mich supportet haben über die Jahre: Ich küsse ihre Herzen natürlich. Alle anderen, die können trotzdem wegbleiben. Ich will nichts mehr über meinen Namen hören.“

Schröders neue Heimat

Draußen rauscht der Verkehr Torontos vorbei. Das Eishockeyteam der Maple Leafs steht in der Stadt sportlich an erster Stelle, Basketball folgt gleich dahinter. Toronto, Kanadas größte Stadt, ist geprägt vom Multikulturalismus, eine diverse City mit europäischem Einschlag. Im Winter kann es hier ziemlich kalt werden, bis zu minus 20 Grad. Ein Temperaturschock für die Schröders, die zuletzt in Los Angeles die warme Sonne Kaliforniens gewöhnt waren.

Dennis Schröder rekapituliert die entscheidenden Stationen auf dem Weg zum WM-Triumph, die erste entscheidende Episode ereignete sich noch weit vor dem Turnier. „Im Sommer gab es ein paar Meinungsverschiedenheiten“, sagt Schröder und spielt auf die Episode um Maxi Kleber an. „Das Stichwort war: Commitment“, sagt er. „Wir haben uns als Team für zwei, drei Jahre verpflichtet und wollten das so beibehalten. Das Fundament dafür haben wir vergangenes Jahr bei der Heim-EM gelegt.“ Für jenes Turnier hatte Kleber, der in der NBA bei den Dallas Mavericks spielt, noch abgesagt – er hatte sich also nicht „committed“, Deutschland holte 2022 Bronze ohne ihn. 

Für die WM in diesem Sommer hatte Bundestrainer Gordon Herbert Kleber – einen der besten deutschen Spieler – nun nominiert, was Schröder und einige Teamkollegen irritierte. Schröder äußerte infolge dessen öffentlich Kritik an Kleber („Maxi war letztes Jahr nicht da“), der daraufhin seine Teilnahme zurückzog – und sich auch nach mehreren Aussprachen mit der Führung des Deutschen Basketball Bundes sowie Schröder selbst nicht umstimmen ließ.

Schröder mit Bundestrainer Gordon Herbert bei der WM
Schröder mit Bundestrainer Gordon Herbert bei der WM
Credit: Imago
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Es war ein riskanter Move von Schröder, für den er kritisiert wurde. Schließlich stand Deutschland ohne einen seiner besten Spieler da. Dafür, so lässt sich die Geschichte aus der anderen Perspektive betrachten, blieb das Gefüge der EM-Bronze-Gewinner intakt. Schröder fasst den Grund, weshalb die Mannschaft WM-Gold holte, im Nachhinein so zusammen: „Die Teamchemie war für den Erfolg entscheidend. Wir haben jeden Tag genossen.“

Zumal sich nach der Absage von Kleber vor dem Turnier mit Franz Wagner ein weiterer NBA-Star des deutschen Teams kurz nach WM-Start abmelden musste: Wagner verletzte sich beim Auftaktsieg gegen Japan und konnte erst im Viertelfinale gegen Lettland wieder auf den Court zurückkehren. „Es hat uns nicht auseinandergebracht, das hat uns zusammengeschweißt“, sagt Schröder über Wagners Ausfall. „Er war bei jedem Training dabei, war natürlich ein bisschen down, aber jeder Einzelne hat ihm ein positives Gefühl gegeben.“

Gordon Herbert formuliert es so: „Nachdem sich Franz Wagner im ersten Spiel verletzt hat, hat Dennis Verantwortung übernommen und das Team getragen.“ Nach der Gruppen- und Zwischenphase erst im Viertelfinale gegen Lettland (Schröder: „Mein schlechtestes Spiel als Basketballer“) über das Halbfinale gegen die USA (mit einer geschlossen starken Teamleistung gegen den individuell stärker besetzten Gegner) bis zum Endspiel gegen Serbien (bei dem Schröder, stärkster deutscher Spieler, in den entscheidenden Momenten die Verantwortung übernahm). 

Schröder performt im Nationaltrikot am besten

Es scheint so, als ob Dennis Schröder im Nationaltrikot dann am besten performt, wenn die Kritik am lautesten wird. Wenn der Druck auf ein für Normalmenschen unerträgliches Maß steigt und Schröder so cool und tough bleibt wie andere beim 3x3 im Stadtpark am Sonntagnachmittag. Wenn er auf dem Parkett in den „Jetzt zeige ich es euch“-Modus umschaltet, eigentlich gibt es auch gar keinen anderen, es existiert nur der „Ganz oder gar nicht“-Schröder auf dem Feld, mit allem, was für ihn, seine Mitspieler und seine Coaches dazugehört. 

Natürlich ist er ein hochtalentierter Basketballspieler mit irrem Tempo. Herausragend machen ihn aber diese mentalen Fähigkeiten, diese innere Stärke und sein Selbstbewusstsein, das er – nach deutschem Geschmack – in der Vergangenheit ein bisschen zu oft, zu offensichtlich zur Schau gestellt hatte. Auf dem Platz wurden ihm dann Überheblichkeit und Egoismus vorgeworfen, abseits Protzerei. Einmal, während seiner ersten NBA-Station in Atlanta, posierte er mit einem goldfolierten Audi R8, dieses Bild blieb in der deutschen Öffentlichkeit hängen, genauso wie die blondierte Strähne im Haar, lange sein Markenzeichen. 

Dennis Schröders Nummer 17

Jetzt sitzt er in einem umgebauten und vergleichsweise unscheinbaren Transporter. Es hat sich viel geändert im Leben von Dennis Schröder, seitdem er mit 19 Jahren als Draft-Pick Nummer 17 der Atlanta Hawks in die NBA kam. Diese Nummer, die 17, begleitet ihn schon lange, er trägt sie seit der Jugend, im Nationalteam und auch bei den Raptors auf dem Trikot, außerdem als Tätowierung in seinem Nacken.

Nummer 17: Dennis Schröder im Trikot der Toronto Raptors
Nummer 17: Dennis Schröder im Trikot der Toronto Raptors
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„Mit 19 bist du noch sehr jung und machst viele Sachen, die du nicht mehr machen würdest, wenn du zum Beispiel Kinder hast. Man lernt, wenn man älter wird. Niemand ist perfekt. Man macht Dinge durch, um besser zu werden und irgendwann reifere Entscheidungen zu treffen. Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich viele richtige, gute Entscheidungen treffen kann.“ 

Schröder will sich bei den Raptors etablieren

Am Abend zuvor hat Dennis Schröder mit den Raptors in der heimischen Scotiabank Arena eine 112:128-Niederlage gegen die Milwaukee Bucks kassiert, die das Spiel auch ohne ihren Superstar Giannis Antetokounmpo klar dominierten. Bei den Raptors ist Schröder in der Starting Five gesetzt, zu Headcoach Darko Rajakovic hat er ein gutes Verhältnis, er war einer der Hauptgründe für den Wechsel. Beide kennen sich bereits aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Oklahoma City Thunder, wo der Serbe noch als Assistenzcoach fungierte. Bei den Raptors, dem einzigen kanadischen NBA-Team, will sich Schröder, Point Guard und Spielmacher des Teams, als Dreh- und Angelpunkt etablieren, ähnlich wie in der Nationalmannschaft. Toronto gilt nicht als absolutes Topteam der NBA, das waren die Raptors allerdings 2019 – jenem Jahr, in dem sie als Überraschungsteam ihre erste NBA-Meisterschaft holten – auch nicht. Noch so eine Parallele zu Team D.

Gordon Herbert, Deutschlands Nationalcoach, kennt Stadt und Franchise gut – er ist Kanadier und war von 2008 an eine Saison lang Assistenztrainer bei den Raptors. 
Die NBA habe den WM-Titel sehr wohl registriert, sagt Herbert – und genauso, dass Dennis Schröder zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. „Im Nachhinein wäre es für ihn finanziell vielleicht noch besser gewesen, wenn er den Vertrag erst nach der WM unterzeichnet hätte, aber ich bin mir sicher, dass er in Toronto sehr glücklich ist.“
Spielerisch, davon geht Herbert aus, wird Schröder eine Führungsrolle übernehmen, ähnlich wie im Nationalteam. „Er vereint vieles in sich“, sagt Herbert über Schröder. „Er kann sich selbst in eine gute Position bringen, er kann seine Mitspieler einsetzen. Er ist ein wirklich, wirklich guter Basketballspieler, der für seine Defensivarbeit nicht genug Anerkennung erfährt.“ 

Schröder als Kapitän: Beste Trainer-Entscheidung

Dass er Schröder 2022 zum Kapitän des Nationalteams machte, sei „eine der besten Trainer-Entscheidungen, die ich je getroffen habe“, sagt er. „Er ist als Leader gewachsen – auf und neben dem Parkett.“ Dann erzählt Herbert von seinem ersten Treffen mit Schröder im September 2021: „Als ich den Job des Bundestrainers übernommen habe, wusste ich, dass ich Dennis zu 100 Prozent an Bord bekommen muss, wenn wir etwas erreichen wollen. Er hat eine ganz besondere Begabung. Ich bin drei Stunden nach Braunschweig gefahren, habe dort eine Stunde mit ihm gesprochen und danach noch einmal zwei oder drei Stunden.“

Dennis Schröder
Dennis Schröder
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Schröder und Herbert

Zuvor hatte Herbert bereits einiges über Schröder gehört, „dies und das. Aber im Gespräch bekam ich einen ganz anderen Eindruck. Ganz anders als das, was ich über ihn gehört hatte. Die Nationalmannschaft war eine ernste Angelegenheit für ihn, und er empfand es als große Ehre, Deutschland zu repräsentieren. Als ich wieder ins Auto stieg, um nach Hause zu fahren, hatte ich einfach ein großartiges Gefühl.“

Sowieso scheint die Beziehung zum Bundestrainer eine ganz besondere zu sein. Herbert, studierter Sportpsychologe, der selbst lange in Finnland gespielt hat und mehrere deutsche BBL-Klubs trainierte, und sein Kapitän Schröder – das funktioniert. Es ist ein schmaler Grat, ein Balanceakt, der bei der WM geglückt ist: einerseits den Teamgedanken in den Vordergrund zu stellen, ohne aber einen starken Charakter wie Dennis Schröder zu sehr einzuschränken, ihm seine Freiheit zu lassen.
„Klar, er hat eine starke Persönlichkeit und spricht aus, was er zu sagen hat“, sagt Herbert. Im abschließenden Spiel der WM-Zwischenrunde gegen Slowenien war Schröder in einer Auszeit erst mit Daniel Theis, den er aus Kindertagen kennt, und dann mit Herbert aneinandergeraten. „Setz dich hin“, brüllte Herbert seinen Kapitän schließlich an und packte ihn am Arm. Schröder blieb stehen und entgegnete Herbert: „Rede nicht so mit mir.“ Am Ende standen Schröder und Theis Arm im Arm – und ein deutliches 100:71 gegen Slowenien.

„Manchmal passieren solche Dinge im Eifer des Gefechts“, sagt Herbert. „Manchmal wird das in der Öffentlichkeit falsch verstanden. Der innere Kreis sieht mit Dennis einen Menschen, der sich kümmert, dem Dinge nicht egal sind, der kämpft. Als Dennis jünger war, hat er sicher Fehler gemacht. Wir leben in einer sehr negativen Gesellschaft, besonders mit Social Media und so weiter. Die Fehler werden wie unter einer Lupe vergrößert – und größer gemacht, als sie tatsächlich sind. Wir haben alle Fehler gemacht. Ich sage immer: Halte dich fern von jemandem, der noch nie einen Fehler begangen hat. Dennis ist selbstbewusst, sagt seine Meinung. In manchen Kulturkreisen wird das nicht so gern gesehen, in anderen wird das positiv bewertet. Man muss einfach sein, wer man ist, und nicht versuchen, jemand anderes zu sein. Wie Dennis. Er ist, wer er ist, und versucht nicht, jemand anderes zu sein. Dafür respektiere ich ihn sehr.“

Die Fehltritte von Dennis Schröder lassen sich nur eben – im Vergleich zu den meisten anderen Menschen – ergoogeln, im Internet nachschlagen. Er sagt: „Aber meine Vergangenheit gehört auch zu mir: Alles, was ich in meiner bisherigen Karriere gemacht habe oder gesagt habe – auch wenn es vielleicht falsch war –, hat mich an den Punkt gebracht, an dem ich jetzt bin. Alles, was passiert im Leben, ist eine Erfahrung – und du kannst damit machen, was du willst. Entweder lernst du daraus oder machst weiter wie bisher. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und versucht, das Beste daraus zu machen. Deswegen bereue ich nichts, was ich getan habe. Die Sachen, die passiert sind, gehören zu mir.“

Wenn man Dennis Schröder nicht kennt, kann man diesen Eindruck bekommen: unnahbar, abgehoben. Er trägt fast immer Schwarz, glitzernden Schmuck und meistens Sonnenbrille – und besitzt eine angeborene Lässigkeit, die gerade in der NBA zum Standardrepertoire zu gehören scheint, auf den deutschen Beobachter aber im ersten Augenblick extravagant bis irritierend wirken kann.

Schröder: Vorbild für die Jugend

Es gibt aber noch einen anderen Dennis Schröder: den liebevollen Familienvater, der sich mit Hingabe um seine drei Kinder kümmert. Sowieso: Für seine jungen Fans nimmt er sich Zeit, wenn es irgendwie geht. Beim Aufwärmen vor dem Spiel kommt er für ein Foto vom Feld und schreibt auch dann in der Halbzeitpause ein Autogramm, wenn es im Spiel gerade gar nicht läuft. „Natürlich sehe ich mich als Vorbild, in erster Linie für meine eigenen Kinder“, sagt Schröder. „Ich bekomme viele Messages bei Instagram: Du bist mein Idol. Das freut mich zu hören, aber es ist auch eine riesengroße Verantwortung.“

Family first! Dennis Schröder feiert den WM-Sieg mit Frau Ellen und den drei gemeinsamen Kindern
Family first! Dennis Schröder feiert den WM-Sieg mit Frau Ellen und den drei gemeinsamen Kindern
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Herbert fasst seinen Kapitän so zusammen: „Auf dem Feld: Wettkämpfer. Abseits: family man.“ Dennis Schröders Motto lautet: „Family is everything. Das versuche ich zu leben. Ich habe vier Geschwister, gemeinsam mit meiner Mutter hatten wir sehr viele Höhen und Tiefen in unserem Leben. Das hat uns als Familie zusammengeschweißt.“
Nach wie vor umgibt sich Dennis Schröder deshalb vor allem mit Familienmitgliedern – sein Bruder Che managt das Business seines Bruders von Deutschland aus – oder Freunden, die er noch aus Braunschweiger Kindheitstagen kennt. So wie sein Videograf Joel, der stets an seiner Seite ist. Wie in einer großen WG zieht die Schröder-Gang seit Jahren durch die NBA – von Franchise zu Franchise. 

Dennis Schröder: Junge aus Braunschweig

Seine Heimat Braunschweig hat Dennis Schröder unterdessen nie vergessen, im Gegenteil: Er ist alleiniger Gesellschafter seines Heimatvereins Löwen Braunschweig, die in der BBL spielen. Wenn die NBA im Sommer pausiert, verbringt er die meiste Zeit in Braunschweig, wo er ein Haus besitzt. Er besucht regelmäßig die Spiele seiner Löwen. Nach dem WM-Titel wurde er auf dem Balkon des Altstadtrathauses bejubelt, trug sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Nun wird die Halle der Schule, in der er mit elf bei einem Basketballprojekt entdeckt wurde, in „Dennis-Schröder-Halle“ umbenannt.

Hier nahm seine Basketball-Karriere ihren Anfang; dass sie acht Jahre später in der NBA ihre Fortsetzung fand, liegt an einem Schicksalsschlag: Als Dennis Schröder 16 war, starb sein Vater an einem Herzinfarkt. Das war die Initialzündung. Ihm hatte er versprochen, es in die NBA zu schaffen – von da an trainierte er härter als alle anderen. 

„Meine harte Arbeit ist der Grund, weshalb ich so selbstbewusst bin. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit dem, was ich jeden Tag investiere. Deswegen glaube ich, dass ich einer der Besten bin. Ich glaube, dass man mit harter Arbeit alles erreichen kann. Gerade in der NBA ist es sehr wichtig, Selbstbewusstsein zu haben. Viele in Deutschland haben das anders bewertet – aber wegen dieses Selbstbewusstseins bin ich jetzt hier in Toronto und konnte mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel holen. Ich werde trotzdem weiterhin jeden Tag arbeiten.“ 

Schröder und Nowitzki

Nicht besonders leicht gemacht haben es ihm die Vergleiche mit einem anderen Deutschen, der ebenfalls in der NBA spielte – ungefähr hier enden aber auch schon die basketballerischen Gemeinsamkeiten. Dirk Nowitzki ist einer der all time greats des Spiels. Er hat den Sport auf seiner Position revolutioniert, 2011 die NBA-Meisterschaft als Finals-MVP gewonnen und reifte bei den Dallas Mavericks, für die er zeit seiner Karriere spielte, zur Legende. Nur: Hätten er und Schröder nicht zufälligerweise einen deutschen Pass, käme wirklich niemand auf die Idee, den 2,13 Meter großen Power Forward und den 1,88 Meter großen Point Guard gegenüberzustellen.
Aus Sicht deutscher Medien war auch das charakterliche Duell schnell entschieden: Hier Bad Boy Schröder, da Saubermann Nowitzki. Dieses krasse Schwarz-Weiß-Bild mag in Schröders früheren Jahren im Ansatz zutreffend gewesen sein – das transportierte Image ignorierte lange Zeit aber die Graustufen, die sich über die Jahre einschlichen. Und Schröder blieb in seiner Schublade.

Mit dem WM-Gold gelang ihm nun etwas, das Nowitzki nie glückte: ein großer, internationaler Titel für Deutschland. Ein Land, das den Würzburger Nowitzki spätestens seit seinem NBA-Titel 2011 uneingeschränkt als Helden feierte. Unser Dirk in Amerika. Ein Land, das andererseits mit dem Braunschweiger Dennis Schröder lange gefremdelt hatte. Obwohl Dennis Schröder so sehr brennt für diese Nationalmannschaft. Dass er, der in Deutschland so lange um Anerkennung kämpfen und so viel Kritik einstecken musste, den größten internationalen Titel für sein Heimatland gewann, macht die Erzählung noch filmreifer, den Erfolg noch süßer. Im Sommer 2024 folgen nun die Olympischen Spiele in Paris, im Basketball-verrückten Frankreich. „Das größte Turnier der Welt“, sagt Schröder. „Ich war noch nie bei Olympischen Spielen, es wäre ein Riesending.“

Nach einer knappen halben Stunde Fahrt ist Schröders Van angekommen am Trainingsgelände der Raptors. Er verabschiedet sich – es wird mal wieder ein langer Tag mit Teamtraining, Terminen, Podcast-Aufnahme, dann steht noch Einzeltraining mit seinem shooting coach an. 12, 13 Stunden dauern diese Tage oft, aber das ist okay, in der NBA hat Schröder schließlich noch ein paar Rechnungen offen.

„Ich glaube, dass man noch härter arbeitet, wenn man kritisiert wird und die Leute negativ über einen sprechen. Das hat mir über meine Karriere geholfen, immer weiterzumachen.“ Dennis Schröder ist zwar Weltmeister, aber irgendwo wird sich schon noch jemand finden, der etwas auszusetzen hat – an ihm, seinem Spiel, seinem Look, was auch immer. Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. 

Dennis Schröder
Dennis Schröder
Credit: Roman Goebel
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