Tennis

Kommt Roger Federer noch einmal zurück? Ein letzter Tanz mit dem Tennis-Maestro

Roger Federer - Tennis-Fans weltweit lieben ihn. Aber, ob man den Schweizer Tennisgott nochmal zurück auf dem Court sehen wird, bleibt ungewiss. Er will das Comeback, doch Verletzungen und Operationen halten ihn immer wieder davon ab. Quo vadis Roger Federer?

Roger Federer Rückhand Wimbledon
Credit: Getty Images
Sports Illustrated 01/22
Magazin
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Inhalt

 

Kick Off

24 HOW IT STARTED 
Timo Werner über seine Fußball-Anfänge

 

26 SO MACHT MAN DAS 
Martin Schmitt erklärt uns, wie der perfekte Skisprung gelingt 

 

27 VIER FRAGEN AN ... 
Handball-Nationalspieler Timo Kastening 

 

28 ZAHLEN, BITTE! 
Facts zur Formel 1 

 

29 TROPHY-CHECK
Die Kunstkritik zur Vince Lombardi Trophy 

 

30 SHOPPING
Dinge, die wir mögen – zum Verschenken oder Behalten 

 

32 KULTUR
Sport auf allen Kanälen: Die neuen Filme, Bücher und Serien 

 

34 ESSENTIALS 
Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo öffnet für uns ihre Sporttasche 

 

35 HISTORY
Ein Football-Helm, der Geschichte schrieb 

 

36 FACES TO WATCH 
Boxer Ammar Riad Abduljabbar, Fußballer Nicolas Seiwald, Fußballerin Nicole Billa 

 

39 AUFSCHNITT 
Der Baseball unter dem Skalpell 

 

40 RANKING
Die Yankees-Cap kennt (und hat) jeder. Diese fünf nicht! 

 

42 FRAGE AN DEN TRAINER
Manuel Baum weiß, wann Fußballvereine ihre Spieler am besten verkaufen sollten 

 

44 KOLUMNE 
Patrick Esume über die Hot Week vor dem Superbowl 

 

46 KOLUMNE
Andrea Petkovic über das Älterwerden als Sportlerin 

 

48 KOLUMNE
Jürgen Schmieder über seine Liebe zu den Clubs aus Los Angeles 
 


Storys

52 COVERSTORY: JULIAN NAGELSMANN 
Der Trainer soll den FC Bayern München in eine neue Ära führen. Wie das klappen kann, verrät er uns im Interview. Zudem erläutert ein Experte die Nagelsmann-Taktik 

 

64 CRISTIANO RONALDO
Der Superstar von Manchester United ist wertvoll für seinen Club – als Fußballer genauso wie als mächtigster Influencer der Welt 

 

70 ROGER FEDERER 
Der Tennis-König kämpft um eine letzte Rückkehr auf den Court. Klappt das? 

 

78 DIE QUARTERBACK- EVOLUTION
Spieler wie Aaron Rodgers und Patrick Mahomes haben das Quarterback-Spiel auf ein neues Level gehoben. Eine Analyse 

 

88 SEBASTIAN VOLLMER
Der ehemalige Patriots-Profi spricht im Interview über die NFL-Games in Deutschland 

 

90 LUKA DONCIC 
Wie der neue Coach Jason Kidd den Mavericks-Star noch besser machen will 

 

96 OLYMPIA
Drei deutsche Snowboard-Hoffnungen im Porträt. Plus: Felix Neureuther über Klima, Spiele in China und die Zukunft des Sports 

 

104 LEON DRAISAITL 
Der deutsche NHL- Superstar spricht mit uns über Wayne Gretzky, Olympia und den Traum vom Stanley Cup 

 

110 ABER SICHER?
Ob man besser eine Maske tragen sollte (oder nicht), war auch im Sport ein lange umstrittenes Thema 

 

116 SI LEGENDS: MICHAEL JORDAN
Vor 30 Jahren kürte ihn Sports Illustrated zum „Sportsman of the Year“ – ein Rückblick 

 

124 WIR WOLLEN DOCH NUR SPIELEN 
Jede Sportkarriere – auch unsere – endet irgendwann. Wie können wir das Ende möglichst lange hinauszögern? Unser Autor macht sich auf die Suche 
 

  • Roger Federer spricht über seine Zukunft
  • Kommt Roger Federer noch einmal zurück?
  • Mit Roger Federer fehlt dem Tennis der eleganteste Spieler

ES GIBT MOMENTE, die ein normales Tennis-Match von einem Roger-Federer-Match unterscheiden. Rückblick: Australian Open 2020, Viertelfinale, Night Session. Federer trifft in der Runde der letzten acht auf den Amerikaner Tennys Sandgren. Die Rod Laver Arena ist ausverkauft. Unten auf dem Court werden immer noch fast 30 Grad Celsius gemessen. Flirrende Hitze. Federer, damals als Weltranglistendritter auch an Position drei gesetzt, ist natürlich der Favorit. Aber das Spiel läuft in eine andere Richtung. Sandgren, ein mittelmäßiger Hard-Hitter, führt zum Entsetzen der Fans mit 2:1 nach Sätzen. Federer flucht, kassiert sogar eine Verwarnung. Der Schweizer lässt sich behandeln. Irgendetwas zwickt, sein Bewegungsradius ist klar eingeschränkt. Die ersten rechnen schon mit einer Aufgabe. Sieben Matchbälle hat Sandgren im vierten Satz – und zum Erstaunen aller wehrt Federer sie alle ab. Auf eine Art und Weise, wie nur er es kann: unwiderstehlich, elegant, niemals überhastet und mit einer spielerischen Finesse, die auf der Tennis-Tour ihresgleichen sucht. Nicht einmal Novak Djokovic und Rafael Nadal, die beiden großen Widersacher des Schweizers, spielen mit einer derartigen Leichtigkeit Tennis. "Roger spielt nicht nur den Ball, er spielt auch mit dem Ball", hat sein Trainer Severin Lüthi mal gesagt. 

Federer gewinnt schließlich den vierten Satz im Tiebreak und wenig später das Match. Von einer Verletzung ist nichts mehr zu spüren. Die Fans in der Arena trampeln mit den Füßen und kreischen. "That’s simply Federer", sagt ein Fan aus Asien beim Verlassen des Stadions, "so ist Federer". "Der König lebt noch", titelt am nächsten Tag Melbournes Tageszeitung "The Age". Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass Federers Ära vielleicht wirklich bald zu Ende sein könnte – trotz seines fortgeschrittenen Alters. Die leise Vorahnung ist das eine, die Befürchtung etwas anderes. Denn die Wahrheit ist auch: Alle, die Tennis lieben, wollen sich diesen Sport nicht ohne Federer vorstellen. Das Vakuum, das Federer schon jetzt durch seine vielen Verletzungspausen hinterlässt, ist auch in der Szene gut zu spüren. 

Federer Australian Open Aufschlag
Lichtgestalt "on serve": Roger Federer im Match gegen Tennys Sandgren bei den Australian Open
Credit: Getty
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"Wenn Roger in die Umkleidekabine spaziert, dann drehen sich alle um. Er hat diese gewisse natürliche Präsenz und eine Aura, die es im Tennissport so nicht noch mal gibt", sagt Mischa Zverev. Der ehemalige Top-25-Spieler trainiert mittlerweile seinen jüngeren Bruder Alexander - genannt Sascha - und fungiert auch als dessen Manager. Er begleitet den deutschen Tennis-Star permanent auf der Tour. "Mir fehlt er auch als Zuschauer und Tennisbegeisterter. Wenn Federer auf einem großen Court trainiert, kommen immer alle Spieler und wollen zuschauen. Seine Technik, die Beinarbeit, es gibt bei Roger immer so viel zu beobachten, zu bewundern. Nadal kommt dem am nächsten, aber eigentlich ist die Klasse unerreicht", sagt Zverev. In den vergangenen Monaten gab es nicht viel zu bewundern. Die magischen Federer-Momente, sie werden seltener. 

Am 8. August 2021 ist Federer 40 Jahre alt geworden. Seit dem epischen Match gegen Sandgren bei den Australian Open, die für ihn im Halbfinale gegen Djokovic endeten, hat der 20-malige Grand-Slam-Gewinner nur noch wenige Male auf dem Court gestanden. Es ist das rechte Knie, das dem gebürtigen Baseler immer wieder zu schaffen macht – bis heute, und das schon die zweite Saison hintereinander. Nach den Australian Open 2020 musste sich Federer einer ersten Operation unterziehen. Dann kamen die Corona-Pandemie und im Sommer eine weitere OP. Der damals 39-Jährige entschied daraufhin, sich ausreichend Zeit zu geben, und strich alle weiteren Turniere aus seinem Jahreskalender. Am Ende der Saison fand sich Federer in der Weltrangliste auf Position vier wieder. Alles kein Beinbruch, solange man zu den Top Ten gehört. So denken die Weltbesten. Und die Hoffnungen seiner Fans auf ein erfolgreiches Comeback waren ja auch groß.

13 Monate später stand Federer im März 2021 bei einem kleineren ATP-Turnier der 250er-Kategorie in Doha wieder in Tennisshorts auf dem Platz. Es war eine stabsmäßig geplante Rückkehr. Pierre Paganini fiel in dieser Zeit eine entscheidende Rolle zu. "Wenn Sie zuschauen würden, würden Sie sagen: Er ist nicht verletzt, alles in Ordnung. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden", so schätzte sein Fitness-Trainer damals Federers Verfassung ein. Der Meister selbst wirkte angespannt vor dem Re-Start. Nie zuvor in seiner Karriere war er so lange draußen gewesen. Wie stark und fit kann einer sein, der über ein Jahr kein Turniertennis mehr gespielt hat? Es ist so, als würde man auf Netflix eine neue Serie beginnen. Doha ist Episode 1, Staffel 1, hieß es aus seinem Umfeld. Federer überstand gerade mal eine Runde. Dann schied er aus. Dan Evans und Nikolos Bassilaschwili hießen die Gegner in der Wüste. Das klang nach Mittelmaß – und eigentlich unter seinem Niveau. Aber: Das Antizipieren und, wie man im Tennis sagt, das "Über-das-Netz-Schauen" muss auch Federer immer erst wieder lernen. Voraussetzung dafür sind Matchpraxis und ein guter Fitness-Zustand. Beides konnte der Schweizer nach der Pause noch gar nicht wieder haben. "Wenn ich weniger gute Resultate habe, ist das nicht schlimm. Aber wenigstens kann ich dann wieder nach vorn schauen, auf Wimbledon und die Turniere in den USA." Federer hielt jegliche Erwartungen in dieser frühen Phase seines Comebacks – auch an sich selbst – bewusst klein. Wimbledon, das war das große Ziel. Und auf dem Weg dorthin galt es, bloß nichts zu riskieren und wohldosiert voranzukommen.

Achtmal konnte Federer auf dem heiligen Rasen des All England Lawn Tennis and Croquet Club im Südwesten Londons schon triumphieren. Noch immer ist er dort Rekordsieger. Wimbledon und Federer, das ist fast schon eine symbiotische Beziehung. Kein Belag passt besser zu seinem schnellen und vom ersten Aufschlag dominierten Stil als das kurz geschnittene, stumpfe Grün. Kaum einen Platz kennt er besser als den Centre Court. Der sei für Federer, so schrieb es einmal die "New York Times","Wohnzimmer und Schlafzimmer zugleich".

Anders ist es in Paris. Und doch hat Federer auch zu den French Open eine gewisse Beziehung. Das Wort Hassliebe beschreibt es ganz gut. Liebe aufgrund des überraschenden Sieges im Jahr 2009. Hass wegen der vielen widrigen Spielumstände, die solch ein Sandplatz für Federer mit sich bringt. Das Herumrutschen an der Grundlinie und die mitunter endlosen Ballwechsel auf dem langsamen und tiefen Untergrund sind nichts für den Schweizer. Roland Garros 2021 war trotz allem in gewisser Weise ideal für Federer – weil er es als Vorbereitungsturnier genutzt hat. Drei Matches bestritt der Rechtshänder beim zweiten Grand-Slam-Event des Jahres und schlug unter anderem den immer gefährlichen Kroaten Marin Cilic und in Runde drei Dominik Koepfer aus Deutschland in einem hart umkämpften 4-Satz-Match. Dann war Schluss. Federer entschied mit seinem Team, nicht mehr zum Achtelfinale anzutreten. Die Spielpraxis reiche ihm, und er wolle keine Überbelastung seines Knies riskieren. Federer musste für die Entscheidung auch Kritik einstecken. In Wirklichkeit war es mit Blick auf Wimbledon vor allem eines: die clevere Planung seines Teams.

Team Federer bei den AO 2017
Seit langen Jahren an Federers Seite (v.l.): Fitness-Coach Pierre Paganini, Freund und Trainer Severin Lüthi und Ehefrau Mirka (hier bei den Australian Open 2017)
Credit: Getty Images
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FEDERER IST WIE KAUM EIN zweiter Spieler durchorganisiert. Er braucht diese auf Sicht und mit Sorgfalt ausgelegte Klarheit, um erfolgreich zu sein. "Normalerweise weiß ich immer, wie die nächsten anderthalb Jahre aussehen. Vielleicht nicht Stunde für Stunde, aber die Tagesplanung steht im Groben", hat Federer einmal verraten. So funktioniert der Schweizer. Entscheidungen von größerer Tragweite werden dabei immer gemeinsam in einem kleinen Kreis von Vertrauenspersonen getroffen. So wird es auch jetzt wieder sein, wenn es darum geht, ihn nach dem erneuten Rückschlag im Spätsommer und einer abermaligen Operation am Knie behutsam wieder aufzubauen und irgendwann dann auch ein Datum für die Rückkehr auf den Court festzulegen.

Federers "Inner Circle" besteht aus seinem amerikanischen Manager Tony Godsick, mit dem er schon 2013 die Vermarktungsagentur Team 8 gegründet hat, den beiden Trainern Severin Lüthi und Ivan Ljubičić , Fitness-Coach Pierre Paganini, dem Physiotherapeuten Dani Troxler, seinem Mediziner Roland Biedert - und seiner Frau Mirka. Der 43-jährigen Ex-Tennisspielerin kommt als „Organizer in Chief“ eine Schlüsselrolle zu – nicht nur was das Familienleben der Federers mit ihren vier Kindern betrifft. Die harte Entscheidung, in diesem Frühjahr ein Grand-Slam-Achtelfinale in Paris für den Start in Wimbledon zu opfern, so hört man, fiel innerhalb der „Firma Federer“ einstimmig - und war am Ende schlicht Kalkül.

Es gibt ein Handy-Video, das Federer während des Turniers in Wimbledon im Juli 2021 am spielfreien Sonntag aufgenommen hat. Der Schweizer hat es auf seinen sozialen Kanälen geteilt. Darauf zu sehen ist Federer, der seine User auf einen Rundgang über "seine" Anlage mitnimmt. Er lacht, strahlt, schwelgt. Und er scheint verletzungsfrei zu sein. Selten hat man ihn zuletzt freier und fröhlicher erlebt als in diesem Filmchen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hat Federer seine ersten drei Wimbledon-Matches erfolgreich überstanden. Alles läuft nach Plan. Er wird auch noch sein Achtelfinale gegen den Italiener Lorenzo Sonego souverän gewinnen, bevor es in der Runde der letzten acht zum Duell mit dem aufstrebenden Hubert Hurkacz kommt. Federer sieht gegen den Polen keinen Stich. Er verliert glatt in drei Sätzen, den letzten gibt er gar mit 0:6 ab. Es ist gerade zum Ende des Spiels eine Demütigung. Federer wirkt wieder angeschlagen und nicht richtig fit. Beim Verlassen des Centre Courts rufen die Zuschauer ihm tausendfach "One more year, one more year" hinterher. Ein Mal noch soll er nach Wimbledon kommen. Aber gibt es für Federer, diese Ikone des Tennissports, überhaupt noch eine Zukunft in diesem Spiel?

Im August wurde Federer erneut am Knie operiert. Dabei wurde der Meniskus genäht und auch der Knorpel behandelt. Die Kombination dieser beiden Eingriffe erfordere "Geduld und Vorsicht", ließ Federer verlauten. Er sei für einige Wochen auf Krücken unterwegs, an Tennis sei in den kommenden Monaten ohnehin nicht zu denken. "Es wird also schwer sein", sagte er noch. Federer hat seine beispiellose Karriere sehr bewusst verfolgt. Oberste Priorität bestand für ihn immer darin, zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle zu behalten. Das ist momentan nicht mehr der Fall, und es ist nur eine Vermutung, aber dieser Schwebezustand und die Ungewissheit über das, was kommt, müssen Federer unruhig und vielleicht auch frustriert machen.

BASEL, 22. OKTOBER: Es ist ein großer Tag für Federers Heimatstadt. Zu Ehren ihres berühmtesten Sohnes wird mit einem Festakt eine Straßenbahn nach Federer benannt und in Betrieb genommen. Der blau lackierte "Federer-Express" rauscht jetzt durch die Basler Innenstadt und zeigt von außen Bilder seiner Grand-Slam-Erfolge. "Es ist mir eine große Ehre, ein eigenes Tram in Basel zu erhalten", sagt Federer bei der Einweihung. Er sei früher sehr viel mit dem "Drämmli" unterwegs gewesen und habe den Tram-Chauffeuren als Kind immer über die Schultern geschaut. Es sei höchste Zeit gewesen, dass man Roger Federer ein "fahrendes Denkmal" setze, antwortet der Basler Regierungspräsident. Um seine sportliche Zukunft geht es heute ausnahmsweise nicht. Federer wirkt locker. Er braucht - anders als bei seinem letzten öffentlichen Auftritt am Rande des Laver-Cups in Boston vier Wochen zuvor - auch keine Krücken mehr. Das ist eine gute Nachricht. Zweimal steigt Federer zur Verwunderung der Passanten während der Fahrt sogar aus. So etwas ist nur in der Schweiz denkbar. Die Leute drehen nicht durch, alles bleibt ruhig und kontrolliert. Federers Charme und seine ungezwungene, natürliche Lässigkeit machen die Einweihung zu einem "Feelgood"-Termin. Aber taugt der auch zum Mutmacher?

Roger Federer mit eigener Tram in Basel
Roger Federer vor seiner Basler Trambahn, dem "Federer-Express
Credit: Basler Verkehrs-Betriebe
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Es ist Mitte November, als Federer dem Schweizer "Tagesanzeiger" ein Interview gibt, das die Tennis-Welt aufschrecken lässt. Zum ersten Mal seit vielen Wochen hört man wieder etwas. Und was man hört, lässt sich vordergründig ganz gut mit dem englischen Begriff "Showcrasher" beschreiben. "Die Wahrheit ist, dass ich unglaublich überrascht wäre, wenn ich in Wimbledon schon wieder spielen würde", sagt der 40 Jahre alte Rekordsieger des Turniers. Die Australian Open 2022 kämen schon gar nicht infrage. Das sei für ihn aber auch keine Überraschung gewesen. Seine primäre Motivation für den Eingriff war es laut eigener Angabe, sich für sein normales Leben wieder in Form zu bringen. "Was meine sportlichen Ambitionen angeht, könnte man die so zusammenfassen: Ich möchte noch einmal sehen, was ich als Tennisprofi leisten kann." Also doch wieder Hoffnung?

Im Spätherbst 2021, kurz vor dem Ende der Tennissaison, ist Federer in der Weltrangliste auf Rang 16 abgerutscht. In den Top Ten tummeln sich außer dem immer noch führenden Djokovic, 34, und dem (zu diesem Zeitpunkt) Fünften Nadal, 35, nur noch Spieler, die sich in ihren Mittzwanzigern befinden, darunter potenzielle Nummer-1-Profis wie der US-Open-Sieger Daniil Medwedew aus Russland, der Grieche Stefanos Tsitsipas und Olympiasieger Alexander Zverev. Alle drei haben großes Talent und schon bewiesen, dass ihnen die Zukunft im Tennis gehören wird. Und eigentlich auch schon die Gegenwart. Aber sie haben Federer noch nicht abgeschrieben. "Roger ist eine Legende, und er hat in der Vergangenheit schon bewiesen, dass er für Überraschungen sorgen kann", sagt Zverev am Rande des Paris-Masters-Hallenturniers. Der 24-jährige Hamburger spekuliert sogar schon auf ein Wiedersehen auf dem Court: „Natürlich ist er jetzt schon älter, aber wenn er zu 100 Prozent gesund ist, wäre es sehr interessant, gegen ihn zu spielen.“

"Wenn man es genau nimmt, macht es keinen großen Unterschied, ob ich 2022 oder erst 2023 zurückkehre, mit 40 oder 41 Jahren. Das ist egal", sagt Federer noch im "Tagesanzeiger". Und dann folgen zwei bemerkenswerte Sätze: "Meine Welt wird nicht zusammenbrechen, wenn ich nie wieder ein Grand-Slam-Finale bestreite. Aber es ist mein ultimativer Traum, nochmals zurückzukehren." Er glaube an "diese Art von Wunder". Punkt.

Einer, der Federer gut kennt – und der als einer der ganz wenigen Spieler eine positive Bilanz gegen den Schweizer vorzuweisen hat -, ist der spanische Ex-Profi Alex Corretja. Zwei Jahre in Folge, 2000 und 2001, schlug der Sandplatzwühler den damals blutjungen Federer bei den French Open. "Ich hatte Glück, dass er erst 20 war. Und dennoch war mir sofort klar, dass er speziell ist. Dieses beinahe mühelose Spiel, seine Beinarbeit, die elegante und kunstvolle Rückhand. All das war schon zu erkennen", sagt Corretja. Der 47-Jährige glaubt auch deshalb an ein Comeback, weil Federer über die Jahre auf dem Platz nichts von seiner Aura eingebüßt habe und sein Einfluss auf das Spiel gleichbleibend hoch sei. "Er hat immer noch dieses Magische an sich, was andere automatisch einschüchtert." Federer wisse um diese "stille Macht", und falls das Knie mitmache, würde der Schweizer unbedingt wieder Matches bestreiten, weil er sicher sei, gewinnen zu können. Wunder, Magie, stille Macht: Vielleicht klappt es ja wirklich so.

Vieles, was Federer nach seiner aktiven Zeit machen wird, ist klar. Schon jetzt ist er Vermarkter von Sportlern, Organisator von Tennis-Events und Förderer von Talenten. Er betreibt eine eigene Stiftung, hält Rechte an einem stark wachsenden internationalen Laufschuhkonzern, und auch seine millionenschweren Werbedeals mit Weltmarken wie Rolex, Barilla oder Uniqlo laufen weiter. All das ist Federer wichtig, und er betreibt selbst seine zahlreichen Botschafterrollen mit großer Professionalität und Leidenschaft. Und doch schwebt über allem: Einmal will er noch raus. Einmal noch verletzungsfrei auf den Platz. Für einen letzten Tanz.

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