Petkovic über Buch nach Karriereende: "Für mich war das eine Befreiung"
- Andrea Petkovic über ihr neues Buch
- Petkovic-Buch: "Zeit, sich aus dem Staub zu machen"
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Sports Illustrated: Mit "Zeit, sich aus dem Staub zu machen" haben Sie ein Buch geschrieben über das Ende Ihrer Karriere – auch als eine Art der Selbsttherapie. Hat es geholfen?
Andrea Petkovic: Ich habe viele Kapitel geschrieben, während ich noch gespielt habe, also während ich im Begriff war, mit dem Tennis aufzuhören. Und in dieser Hinsicht hat es schon geholfen, meine Gedanken zu ordnen. Am Anfang des Buches stehen zwei Zitate, einmal das sehr zynische von Goethe: "Drum besser wär’s, dass nichts entstünde" und dann eigentlich ein positives von Dylan Thomas, der sagt: "Rage, rage against the dying of the light". So habe ich mich oft gefühlt. Zwischen „Ich bin eh zu alt und zu schlecht, und es bringt alles nichts“ – und dann der andere Mensch in mir, der immer gesagt hat: "Doch, du kannst es noch, du musst dich nur noch mal gut ausruhen und noch mal loslegen."
Sports Illustrated: Sie sind in dem Buch sehr offen, geben Neid zu, schildern intimste Momente und Situationen Ihres Lebens. Wie schwer fiel es Ihnen, Ihr Innerstes so nach außen zu kehren?
Petkovic: Für mich war das eher eine Befreiung. Im Leistungssport generell, aber vor allem in einem Einzelsport wie Tennis – ohne Team, hinter dem man sich verstecken kann –, muss man immer so eine Fassade aufrechterhalten. Du musst immer Stärke ausstrahlen und alle anderen Gefühle hintanstellen. Das geht in der Umkleide los, aber vor allem auf dem Platz. Das ist mir oft gelungen, manchmal nicht, aber es ist anstrengend, eine Fassade der Stärke aufrechtzuerhalten. Das musste ich nicht mehr, nachdem ich meine Karriere beendet hatte. Es gibt ein paar Gemeinsamkeiten zwischen Schreiben und Tennisspielen, aber der große Unterschied ist: Um gut Tennis zu spielen, muss man die Fassade aufrechterhalten, um gut zu schreiben, muss man die Fassade einreißen.
Sports Illustrated: Wo liegen die Gemeinsamkeiten?
Petkovic: Die Einsamkeit, dass man alleine Entscheidungen treffen muss und mit ihnen leben muss. Wenn du im Tennis verlierst, liegt es an dir und an niemand anderem. Ähnlich ist es auch beim Schreiben. Ich mache ja auch viel Fernsehen, das ist Teamwork. Wenn ich vor der Kamera stehe und meine Texte aufsage, ist ein ganzes Team dahinter. Wenn die nicht funktionieren, ist es egal, wie gut oder schlecht ich bin. Wenn ich mal einen schlechten Tag habe, kann das Team vieles auffangen.
Sports Illustrated: Ihr Körper spielt in dem Buch eine große Rolle, Sie haben ihn lange als Ihr Werkzeug gesehen. Hat sich das mittlerweile geändert?
Petkovic: Ich trainiere immer noch ab und zu, ich spiele einmal die Woche Tennis, ich mache Sport. Und es kommt mir immer noch wie eine Pflicht vor. Ich bin noch nicht so weit, dass ich gerne joggen gehe. Ich frage mich, ob das irgendwann vorbeigeht, ob ich irgendwann da hinkomme, dass ich gerne eine Runde laufen gehe, weil es mir guttut. Was definitiv anders ist: Ich treibe meinen Körper nicht mehr über Grenzen. Wenn ich laufen gehe und Knieschmerzen habe, dann höre ich auf. Wenn ich merke, dass ich ein bisschen müde bin, dann mache ich einen Tag Pause. Das konnte ich früher nicht. Ich bin ein bisschen sanfter zu meinem Körper geworden. Und ich glaube, das dankt er mir auch.
Sports Illustrated: Fühlt es sich anders an, einen Schläger in die Hand zu nehmen?
Petkovic: Oh ja, ganz anders. Viel, viel besser, weil ich Spaß daran habe. Ich genieße es, auf dem Platz zu stehen und die Bälle zu schlagen. Ich spiele nie Punkte, sondern nur um zu schwitzen, um mich zu bewegen. Ich renne jedem Ball hinterher, so glücklich wie ein Golden Retriever. Früher war das Training eine Pflicht, vor allem gegen Ende meiner Karriere, als mein Körper allmählich abgebaut hat.
Sports Illustrated: Was fällt schwerer: Schreiben oder Tennis?
Petkovic: Beim Tennis hatte ich nie diesen Moment der Überwindung. Ich habe immer gerne Matches gespielt. Beim Schreiben habe ich das total, dass ich mich dazu bringen muss, mich hinzusetzen, um das zu machen. Die Zufriedenheit nach dem Schreiben dauert dafür länger an.
Sports Illustrated: Was ist Ihre Motivation zu schreiben?
Petkovic: Es macht mir komischerweise Spaß – und ich weiß nicht, ob das beim Tennis ähnlich wäre, wenn der Körper oder das Alter keine Rolle spielen würden. Ich kann mir kein Leben vorstellen, in dem ich nicht schreibe. Beim Tennis, oder beim Sport überhaupt, ist das Ende eingebaut. Du weißt, dass es irgendwann vorbei sein wird, einfach aufgrund der Biologie.
Sports Illustrated: Kann man Schreiben – wie das Tennisspielen – trainieren?
Petkovic: Ja, ich merke, wenn ich ein paar Tage nicht zum Schreiben gekommen bin, dass ich sofort schlechter werde. Dadurch, dass ich jetzt mehr Zeit dafür habe, brauche ich viel kürzer für Texte. Ich komme viel schneller rein, die Sätze sind von Anfang an relativ clean, und ich muss weniger dran herummachen hinterher. Wenn ich länger nicht schreibe, sieht vielleicht der Text am Ende für den Leser oder die Leserin genau gleich aus, aber ich habe vier Stunden daran herumlaboriert.
Sports Illustrated: Als Autorin wird Ihr Buch rezensiert, als Tennisspielerin wurden Sie für Ihre Leistungen auf dem Platz kritisiert. Was nehmen Sie persönlicher?
Petkovic: Ich bin sehr froh, dass ich Tennisspielerin war, bevor ich Autorin wurde, weil ich es gewohnt bin, dass Leute mir direkt sagen: „Das ist gut“ oder „Das ist schlecht“. Und selbst wenn sie es mir nicht sagen: Tennis-Sport ist knallhart, am Ende steht ein Sieg oder eine Niederlage. Da gibt es nichts dazwischen. Ich bin also abgehärtet. Außerdem sehe ich mich oft immer noch als Tennisspielerin, die auch schreibt, und noch nicht als Autorin, die irgendwann mal Tennis gespielt hat. Ich bin mal gespannt, wie das in fünf Jahren ist und meine Identität die einer Autorin ist – und ob ich es dann vielleicht persönlicher nehme.
Sports Illustrated: Zum Schluss: Wie hört man denn nun am besten auf?
Petkovic: Richtig reingehen in diese Trauer und den Prozess. Ich hatte drei Monate auf Tour, in denen ich wusste, dass es meine letzten sein werden. Bei jedem einzelnen Platz war es das letzte Mal, dass ich auf dem Platz gespielt habe. So habe ich diesen Trauerprozess auf der Tour durchlebt. Es war unheimlich schwer, aber in dem Moment, als es vorbei war, war ich erleichtert. Ich konnte irgendwie so jede Woche ein bisschen Abschied nehmen. Bei Roger Federers letztem Match war es anders – er und Rafael Nadal konnten auf dem Platz nicht mehr aufhören zu heulen. Was da, glaube ich, passiert ist: Roger war zuvor lange verletzt und hat sich fit gemacht für dieses Spiel, um Abschied zu nehmen. Ich hatte das Gefühl, dass ihn in dem Moment alles überwältigt hat, weil er eben nicht Stück für Stück Abschied nehmen konnte. Und deswegen würde ich sagen: nicht die Augen davor verschließen, alles fühlen, traurig sein und wütend. Irgendwann wird es besser, am Ende geht alles vorbei.
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