Andrea-Petkovic-Kolumne

Petkovic über hohen Preis des Erfolges: Spitzensportler trinken keinen Rotwein

Viele wünschen sich das Leben der Sportstars. Doch sind die wirklich zu beneiden? Denn Spitzensport erfordert höchste Disziplin. Unsere Kolumnistin Andrea Petkovic fragt sich, ob es das wert ist. Lieber erfolgreicher Sport-Roboter oder glücklicher Rotwein-Trinker?

Andrea Petkovic
Credit: Getty Images
Sports Illustrated 03/22
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Inhalt

  • Kolumnistin Andrea Petkovic über die harten Anforderungen an Spitzensportler
  • Petkovic: "Profisportlerinnen werden zu menschgewordenen Robotern"
  • Petkovic: "Entscheidung für mentales Wohlbefinden könnte Siege und Geld kosten"

DIE NUMMER EINS der Welt im Frauentennis, Ashleigh Barty, hat im März ihren Rücktritt vom Profitennis bekannt gegeben. Mit 25 Jahren. Sie sagte, sie habe es nicht mehr in sich, jeden Tag die Anstrengungen durchzuhalten, die ein Tennisleben auf dem höchsten Niveau ihr abverlangt. Für viele Sportinteressierte war es schockierend, die beste Tennisspielerin der Welt auf dem Zenit ihrer Karriere Tschüss sagen zu sehen. Einfach so. Auch für mich war es eine große Überraschung. Ich war mir ziemlich sicher, dass Ashleigh Barty auf bestem Wege war, eine jahrelange Dominanz aufzubauen. 

Ashleigh Barty
Beendete als Nummer 1 der Tenniswelt und amtierende Australian-Open-Siegerin ihre Karriere: die Australierin Ashleigh Barty
Credit: Getty Images
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Als ich mir ihre Aussagen jedoch genauer ansah, wurde mir alles etwas klarer. Denn Spitzensport ist immer mehr zum Lifestyle geworden. Vorbei die 80er-Jahre, in denen man Fußballer nach den Spielen Bier kippen und Kippen rauchen sah. Spätestens seit Novak Djokovic mit seiner Glutenallergie an die Öffentlichkeit ging und die Entdeckung dieser für seine Grand-Slam-Siege verantwortlich machte, rannte auch noch der letzte halbwegs talentierte Sportler zum Arzt und ließ sich auf Allergien und Unverträglichkeiten testen. Was viele vergessen: Novak Djokovic war mit unentdeckter Allergie schon die Nummer drei der Welt gewesen und hatte an Grand-Slam-Titeln geschnuppert. Der Weg zur Nummer eins war nicht mehr weit. 

Eine durchschnittlich erfolgreiche Tennisspielerin wird nicht zum Champion, nur weil sie das Weizenbrot weglässt. Wird sie sich besser fühlen, mehr Energie haben? Sicherlich. Wird sie auf Hartplatz in Spagate rutschen wie Novak Djokovic? Vermutlich nicht. Ich sicherlich nicht. Selbstoptimierung ist das Credo – und macht Sportler und Sportlerinnen zu Vorbildern gesunder Lebensführung. 

Mit steigendem Preisgeld, vermehrter Digitalisierung und medizinischer Erfassung werden Profisportlerinnen zu menschgewordenen Robotern. Roboter müssen perfekt eingestellt werden, um zu funktionieren. Wie viele Stunden Schlaf sind nötig, welche Nahrungsmittel geben mir Energie, wann ist Training, wann Regeneration? Selbst ein freier Tag wird so nur Mittel zum Zweck der idealen Energieeinstellung für den nächsten Tag. 

Andrea Petkovic: Erst wenn das Herz wieder gefüllt ist mit Rotwein und Gemeinschaft, sollte es weitergehen. 

Wenn ein freier Tag nur ein Mittel zum Zweck ist, dann gibt es keine freien Tage mehr. Denn das Problem an dem Prinzip menschgewordener Roboter-Profisportler ist, dass ein Profisportler ein Herz und ein Hirn und eine Seele hat. Familie, Freunde, an einem Ort sein, an dem man sich wohlfühlt. Diese Dinge benötigen Zeit. Um sie muss man sich kümmern. Erst wenn das Herz wieder gefüllt ist mit Rotwein und Gemeinschaft, kann und sollte es weitergehen. 

Natürlich könnte man all das über den Haufen schmeißen und sich das Bier reinhauen, wenn man Lust hat, und nachmittags eine sechsstündige Golfrunde spielen zum Entspannen. So hochprofessionell, wie der Spitzensport geworden ist, könnte jede kleinste Entscheidung für mentales Wohlbefinden und gegen das körperliche Siege kosten, Regenerationszeit, Ranglistenplätze, Geld. Ein nie endendes Dilemma. Gehe ich noch mal in die Stadt und laufe womöglich zu lange herum? Bestelle ich mir die Tacos vom Foodtruck nebenan oder esse ich zum zehnten Mal die Woche Fisch und Reis und Salat? 

Ashleigh Barty, die als Nummer eins der Welt zurücktritt, hat ihr Herz irgendwann nicht mehr gefüllt bekommen. Als Australierin kann sie während einer normalen Saison schon kaum nach Hause: der Weg zu weit, der Flug zu anstrengend, der Jetlag zu groß. Während der knapp zwei Jahre dauernden Pandemie konnte sie gar nicht mehr nach Hause. Denn zu Flug und Jetlag kamen noch zwei Wochen Quarantäne. So sah sie ihre Freunde und Familie gar nicht mehr, so fühlte sich ihre Freizeit in der Ferne nicht mehr wie Freizeit an, und so gesehen arbeitete sie komplett durch. Ich habe mit keinem einzigen Wort den Druck erwähnt, unter dem sie als Nummer eins stand. Dazu könnte ich eine ganze separate Kolumne schreiben. Kein Wunder, dass sie eine Pause braucht. Ich wünsche ihr viel Glück. 

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