Ski alpin

Ski-Ass Lindsey Vonn: Schwere Rückschläge machen die US-Amerikanerin noch stärker

Lindsey Vonn gilt vor den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver als größte Gold-Hoffnung der USA. Autor Tim Layden begleitete eine der größten Sportlerinnen aller Zeiten - und begegnet einer Frau, die wieder und wieder aufsteht.

Lindsey Vonn
Credit: Getty Images
  • SI Legends blickt auf Karriere von Ski-Ass Lindsey Vonn
  • Lindsey Vonn dominiert jahrelang ihren Sport
  • Vonn prägt den Skisport wie kaum eine andere

Acht Monate vor den Olympischen Winterspielen in Vancouver fährt Lindsey Vonn im Geiste die Abfahrtsstrecke ab. Sie befindet sich in einem Sportraum im Untergeschoss einer Trainingsanlage der Fußballmannschaft New York Red Bulls im österreichischen Salzburg und balanciert einen Meter über dem orangefarbenen Gummiboden auf zwei Nylon-Slacklines.

Sie kauert in einer aerodynamischen Beugehaltung, die Hände vor dem Kinn, als würde sie Skistöcke halten. Ihr Trainer Oliver Saringer flüstert ihr ins Ohr: "Du befindest dich auf der Abfahrtsstrecke in Whistler ..." Vonn schließt die Augen und verlagert ihr Gewicht rhythmisch von einem Fuß auf den anderen, als befände sie sich gerade tatsächlich auf dem 8.000 Kilometer weit entfernten Berghang in Kanada inmitten einer Abfahrt. 

Titel um Titel: 2010 gewinnt Vonn den Gesamtweltcup sowie die Disziplinen Abfahrt, Super-G und Kombination.
Titel um Titel: 2010 gewinnt Vonn den Gesamtweltcup sowie die Disziplinen Abfahrt, Super-G und Kombination.
Credit: Imago
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Sie atmet schwer ein und aus, imitiert die athletischen Anforderungen des Hochgeschwindigkeitsrennens. Das Gleiten. Die Kurven. Schließt man so wie sie die Augen, meint man fast, Schnee unter Skiern knirschen zu hören. Nach einer knappen Minute – kürzer als eine Olympia-Abfahrt, auf den wackeligen Stoffstreifen unter Vonns Füßen aber eine halbe Ewigkeit – lässt sie die Spannung aus ihrem Körper weichen und springt auf den Boden.

Ihre blasse Haut ist gerötet, nach dem dreistündigen Training an diesem warmen Sommermorgen glühen ihre Kapillargefäße. "Ich liebe diese Übung", sagt Vonn. "Wenn ich eine Strecke erst mal visualisiert habe, vergesse ich sie nie wieder. Dann stelle ich mich auf die Slacklines und durchlaufe die Abfahrt genau so, wie ich sie haben will. Ich kontrolliere meine Emotionen, mache die Strecke einfach zur Routine." Das soll zwar kein Witz sein, kommt aber trotzdem so rüber: Routine. Lindsey Vonn. Haha, wie lustig. 

Lindsey Vonn: Titelsammlerin mit 31 Weltcup-Siegen

Die Liste der US-amerikanischen Olympionikinnen und Olympioniken, die eine Chance haben, Kanada auch jenseits der kleinen Welt der Spiele als Berühmtheiten zu verlassen, ist kurz – und Vonn, 25, ist die wohl aufregendste Kandidatin. Sie wird in allen fünf Ski-Alpin-Disziplinen antreten, in drei davon (Abfahrt, Super-G und Super-Kombination) ist sie Goldmedaillen-Favoritin, in einer weiteren (Slalom) Medaillen-Anwärterin. Allein in dieser Saison hat sie ihren eigenen US-Rekord gebrochen, indem sie neun Weltcup-Rennen gewann – darunter fünf von sechs Abfahrtsrennen. Damit hat sie im Lauf ihrer Karriere 31 Weltcup-Siege davongetragen und liegt nur noch zwei hinter Bode Miller, dem Rekordhalter für die meisten Weltcup-Siege in den USA. 

"Ich bin sicher, dass sie Medaillen gewinnen wird", sagt die Deutsche Maria Riesch, eine enge Freundin von Vonn, die in Vancouver gleichzeitig auch ihre härteste Konkurrenz sein wird. Vonns Rennen erstrecken sich über 13 Tage, was der NBC und ihren zahlreichen Medienplattformen alle Gelegenheit bietet, sie zur Heldin einer Ein-Frau-Miniserie hochzustilisieren. Ihre Agenten von IMG haben lukrative Sponsorship-Deals mit zehn verschiedenen Unternehmen für sie ausgehandelt, die allesamt stark davon profitieren würden, wenn Vonn am Ende der Olympiade ganz oben auf dem Siegertreppchen "The Star-Spangled Banner" mitsingt, möglichst mit dem einen oder anderen Tränchen auf ihren sahneweißen Wangen. 

Freundin und Konkurrentin: Vonn mit Maria Riesch - die Deutsche war eine ihrer größten Widersacherinnen.
Freundin und Konkurrentin: Vonn mit Maria Riesch - die Deutsche war eine ihrer größten Widersacherinnen.
Credit: Getty Images
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Lindsey Vonn bewältigt viele Hindernisse

Das Ausmaß der Erwartungen, die an Vonn gestellt werden, ist schwindelerregend – insbesondere in einem Sport, in dem Wetter- und Schneebedingungen häufig für unvorhersehbare Ergebnisse sorgen. "Schon irgendwie ganz schön viel Druck", sagt Hilary Lund, die von Kindesbeinen an mit Vonn befreundet ist, seit damals, als sie noch in Burnsville, Minnesota, lebte. Aber Vonn ist gewappnet. Sie hat sich ein Leben lang auf diesen Moment vorbereitet. Schon mehrfach geriet sie auf ihrem Weg nach Olympia ins Straucheln – nur um ihr Ziel nach jedem Rückschlag klüger und stärker zu verfolgen als zuvor. "Häufig denke ich, dass Lindsey echt eine Menge Stress hat", sagt ihre jüngere Schwester Karin Kildow, derzeit im ersten Studienjahr an der University of San Diego. "Aber sie hat gelernt, damit umzugehen. Und sie hadert nicht mit der Vergangenheit – sie macht einfach weiter."

Sie machte weiter, als sie 11 war und ihre Familie – ihre Mutter, ihr Vater und ihre vier jüngeren Geschwister – von Minnesota nach Colorado zog, wo sich bessere Trainingsmöglichkeiten für Lindsey boten. Sie machte weiter, als sich ihre Eltern 2003 scheiden ließen, und sie machte weiter, als ihre Ehe mit dem neun Jahre älteren Thomas Vonn, einem ehemaligen US-Ski-Olympioniken, ihre ohnehin schon angespannte Beziehung zu ihrem Vater Alan Kildow noch weiter belastete. Sie machte weiter, nachdem sie 2005 unvorbereitet mit dem Druck konfrontiert worden war, den es bedeutete, als Favoritin an der Weltmeisterschaft teilzunehmen und mit leeren Händen zurückzukehren. 

Und sie machte weiter, nachdem sie eine ganze Serie an schweren Stürzen und Verletzungen erlitten hatte, die sich im gesamten Spektrum zwischen grauenvoll und unfreiwillig komisch bewegten. Da war der Crash mit 110 Kilometern pro Stunde beim Abfahrtstraining zwei Tage vor Olympia 2006 in Turin, nachdem sie vier Wettkämpfe mit Prellungen an Rücken und Becken, horrenden Schmerzen und wenig Hoffnung auf einen Sieg absolvieren musste. Dann war da die Geschichte mit dem rechten Daumen, den sie sich fast abgetrennt hätte, als sie bei der Weltmeisterschaft 2009 im französischen Val-d’Isère eine Champagnerflasche öffnete, um ihre zwei Goldmedaillen zu feiern. Da war die Sache mit der blutig gebissenen Zunge, als sie im Dezember ein Weltcup-Abfahrtsrennen im kanadischen Lake Louise gewann und sich dabei mit dem Knie ans Kinn stieß. Und dann war da noch die knochentiefe Prellung an ihrem linken Handgelenk, die sie sich bei ihrem spektakulären Slalom-Sturz am 28. Dezember im österreichischen Linz zuzog, bei dem Vonns Skier mit einem Stück Schneekruste verkanteten und sie in die Luft katapultiert wurde. Sie landete hart auf der linken Seite. 

"Anfangs sagten die Ärzte, ihr Arm sei gebrochen", sagt Thomas Vonn. "Der Sturz war so heftig, dass sie sich auch das Knie hätte zertrümmern können. Als es hieß, ein gebrochener Arm, war ich ehrlich gesagt erleichtert. Und ehe wir uns versahen, fragte Lindsey auch schon, was sie tun müsse, um mit einem gebrochenen Arm weiter Ski fahren zu können. Manche Skifahrer brauchen nach einer Verletzung Monate oder Jahre, bis sie weitermachen. Lindsey stürmt einfach los. Das ist nicht normal." Doch, ist es. 

Neues Level: Mit Athletik-Coach Martin Hager trainierte Vonn seit 2006 jeden Sommer wochenlang in Österreich.
Neues Level: Mit Athletik-Coach Martin Hager trainierte Vonn seit 2006 jeden Sommer wochenlang in Österreich.
Credit: PR
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Vonn war von Anfang an schnell. Na ja, fast von Anfang an. "Sie ist Ski gefahren wie eine Schildkröte", erzählt Erich Seiler, der angesehene Jugend-Skilehrer, der die siebenjährige Vonn (damals noch Kildow) im Skigebiet Buck Hill unterrichtete, einer schneereichen Bodenschwelle mit nicht einmal 100 Höhenmetern direkt an der Interstate 35 in Burnsville, 30 Kilometer südlich von Minneapolis. Aber Lindsey lernte schnell, und als sie 11 war, zog die Familie nach Vail um. Lindsey und ihre Mutter Linda Krohn fuhren von Denver aus voraus, in einem Chevy Tahoe, der sich durch einen gewaltigen Schneesturm kämpfen musste. "Ich wollte anhalten", sagt Krohn. "Aber Lindsey sagte immer wieder: 'Ich kann die Spurlinien gut erkennen!' Also fuhren wir weiter.“"

Die Familie biss sich in der neuen Umgebung eher durch, Lindsey dagegen entwickelte sich prächtig. "Manchmal kann ich es kaum fassen, dass wir so viel Zeit in ein einziges Kind investiert haben", sagt Krohn. "Aber es hat funktioniert. Den anderen Kindern hat es nicht geschadet. Und Lindsey war so gut, dass wir es einfach versuchen mussten."

Lindsey Vonn: Vielversprechende Jugend

Mit 16 war sie Mitglied des US-amerikanischen Ski-Teams. "Es war vollkommen offensichtlich, dass sie mit ihrem Talent eine der Top-Skirennfahrerinnen werden würde", sagt die ehemalige Skisportlerin Kirsten Clark, die von 2000 bis 2007 gemeinsam mit Vonn im US-Team war. 2002 nahm Vonn an den Olympischen Spielen in Salt Lake City teil, später in der Saison stürzte sie aber bei einem FIS-Abfahrtsrennen in Lake Louise.
 Erfahrene Skisportlerinnen und -sportler spürten, dass sich Vonn, damals noch ein Teenager, bereits am Scheideweg befand. Sie hatte alles erreicht, was sich mit ihrem beträchtlichen Talent allein erreichen ließ. 

"Damals wirkte es so, als sei sich Lindsey nicht ganz sicher, was sie wollte", sagt Jonna Mendes, 1997 bis 2006 Mitglied des US-Teams. "Mit 14, 15, 16 Jahren kommt jemand mit Lindseys Fähigkeiten noch weit. Aber dann erreicht man den Punkt, an dem man sich auf Weltcup- und Olympia-Niveau bewegt, und dafür muss man arbeiten."

Das alles wusste auch Vonn. Einmal besuchte sie in der Off-Season Julia Mancuso, ihre langjährige Rivalin im Junioren-Bereich (und spätere Olympia-Goldmedaillengewinnerin beim Riesenslalom 2006), in deren Haus am Lake Tahoe in Kalifornien. Mancuso und ihr Vater Ciro machten mit Vonn eine lange Radtour durch bergiges Gelände. "Es war das erste Mal, dass ich richtig Fahrrad fuhr, mal abgesehen von kurzen Strecken in meiner kleinen, flachen Heimatstadt in Minnesota", erzählt Vonn. "Ich kam nicht mehr mit, lag irgendwann gefühlt kilometerweit zurück. Ich bin also da draußen mitten im Nirgendwo, Julia hängt mich komplett ab, und ich stehe da wie die letzte Idiotin. Es war einfach nur peinlich."

Vonn: "Mein Körper hat sich verändert"

Im Sommer 2003, nicht lange nach der Radtour, entschied Vonn, sechs Wochen im Jahr mit Profi-Trainer Jacques Choynowski bei ihm zu Hause in Monaco zu trainieren. Vonn bekam das Schlafzimmer, Choynowski schlief auf dem Sofa. Ihr Arrangement hielt drei Jahre, und es machte Vonn stärker. "Mein Körper hat sich verändert", berichtete sie Sports Illustrated 2005. "Ich bin meinen Babyspeck losgeworden." Vonn wurde auf dem Schnee schneller, stand im Januar 2004 zum ersten Mal auf einem Weltcup-Siegertreppchen und holte sich im folgenden Dezember zum ersten Mal den Sieg. Aber bei der Weltmeisterschaft 2005 im italienischen Bormio schaffte sie es nicht aufs Siegertreppchen, und ihr Olympia 2006 wurde durch einen Trainingsunfall torpediert. 

Also leitete Vonn weitere Maßnahmen ein. Im Sommer 2006 unterschrieb sie bei Red Bull und nahm fortan an dem speziellen Trainingsprogramm des Energydrink-Herstellers teil. Bis zu sechs Wochen verbringt sie jeden Sommer in Österreich mit dem 41-jährigen Saringer, dessen Arbeit eine Mischung aus Sporttraining und Physiotherapie ist, und dem 43-jährigen Martin Hager, ehemaliger Trainer des österreichischen Ski-Teams. "Ich wusste schon über sie Bescheid, ehe ich sie kennenlernte", erzählt Hager. "Ich sah, wie aggressiv sie fuhr. Ich sagte immer: 'Das Mädchen spinnt.' Sie hatte weder die Kondition noch die Stabilität, um solche Risiken einzugehen."

Trainer Hager über Vonn: "Das Mädchen spinnt"

Hager und Saringer leiten ein brutales Trainingsprogramm. In ihrem ersten Sommer brüllte Vonn während der Einheiten häufig herum, wie abgrundtief sie Hager dafür hasse. Das Workout konzentriert sich vor allem auf Ausdauer. Sieben Jahre, nachdem die Mancusos Vonn in Kalifornien abgehängt hatten, radelte sie mit Hager und Fritz Strobl, Goldmedaillen-Gewinner im Olympia-Abfahrtsrennen 2002 und außerdem ein fantastischer Radsportler, die fünf Kilometer lange Serpentinenstrecke den östlich von Salzburg gelegenen Gaisberg hoch. Als sie die Strecke 2008 zum ersten Mal fuhr, bettelte sie noch um eine Pause. Im vergangenen Sommer absolvierte sie die Fahrt, ohne dass ihr Puls auch nur ein einziges Mal die Komfortzone von unter 150 verließ. 

Am nächsten Vormittag verbrachte sie vier Stunden damit, an ihrer Kraft und Stabilität zu arbeiten, und drei weitere am Nachmittag auf dem Trainingsrad. "Ich bin eigentlich gar nicht mehr derselbe Mensch wie damals, als ich die Radtour mit Julia gemacht habe", sagt Vonn. "Bloßes Talent hat seine Grenzen. Ich weiß, wie andere Skisportler aus den USA trainieren. Ich weiß, dass ich härter arbeite. Ich weiß, was Maria Riesch macht. Sie fährt drei oder vier Stunden am Tag Rad. Wir fahren zwar nur zwei oder drei Stunden, aber viel anspruchsvoller."

Das Training ist intensiv, die Atmosphäre aber locker. Hager und Saringer behandeln einander wie Brüder und Vonn wie eine kleine Schwester. "Sie ist das Beste wert, was wir zu bieten haben", sagt Hager. "Das ist unsere Aufgabe." Sie begleiten sie auf ihrer Weltcup-Tournee, um ihr Training und ihre Erholungsphasen zu überwachen. Der Großteil ihres Trainings findet abseits des US-Ski-Teams statt, wozu Jim Tracy, Hauptcoach der Frauen, sagte: "Eigentlich ist das ziemlich cool, und Lindsey hat die besondere Aufmerksamkeit verdient."

Ehemann Thomas war Fels in der Brandung

Aber es gibt noch eine weitere wichtige Komponente des Teams, das Lindsey – bekennende TV-Süchtige – in Reminiszenz an die Serie "Entourage" als ihre "Vonntourage" bezeichnet: ihren Ehemann. Sie haben sich Anfang der 2000er bei einer Grillparty des Ski-Teams in Park City, Utah, kennengelernt. Erst waren sie Freunde, dann mehr als Freunde. Im Herbst 2007 heirateten sie. In den darauffolgenden zwei Jahren nahm Thomas eine zunehmend zentrale Rolle in der Skisport-Karriere seiner Frau ein, und Lindsey hat zweimal den Gesamtweltcuptitel gewonnen, was sie zur erfolgreichsten Skisportlerin in der Geschichte der USA machte. 

Thomas Vonn war von 1995 bis 2005 Mitglied des US-Ski-Teams und hatte 2002 an Olympia teilgenommen, wo er beim Super-G auf Platz 9 landete. Sportlich gesehen war er das genaue Gegenteil seiner Frau: Wo Lindsey Talent hat, trainierte er unermüdlich. Er stammte aus Newburgh in New York State und schaffte es erst ins US-Team, als er bereits 20 und damit verhältnismäßig alt war. Er experimentierte mit seiner Ausrüstung herum, um bei Abfahrten Zehntelsekunden zu gewinnen. Sie dagegen wäre sogar auf Kanthölzern relativ schnell. "Ich war schlecht in allem, worin sie gut war", sagt Thomas. "Ich kannte mich super mit Ausrüstung aus, hatte aber nicht ansatzweise so viel Talent wie Lindsey. Ich versuche, ihr das Chaos vom Hals zu halten, damit sie sich aufs Training und ihre Rennen konzentrieren kann."

Lindsey, die ihren Mann (so wie alle in ihrem Umfeld) ausnahmslos "Vonn" nennt, sagt: "Es mag nach Klischee klingen, aber er ist mein Fels in der Brandung. Und er ist ein toller Typ. Das ist alles echt cool." Während der vergangenen beiden Saisons genoss Thomas alle Privilegien eines offiziellen Trainers, wodurch er vor den Rennen auch am Hang bei Lindsey sein kann, um die Ausrüstung zu überprüfen und ihre Nervosität zu lindern (was sie insbesondere brauchte, als sie im vergangenen Februar – um es mit ihren eigenen Worten zu sagen – "ausflippte"), ehe sie die Weltmeisterschaft im Abfahrtsrennen gewann. Seit der Heirat ist es für Thomas leichter, stets an ihrer Seite zu sein, sagt er, "weil ich nicht mehr einfach nur irgend so ein dahergelaufener Freund bin". 

Vonn mit ihrem Ehemann.
Vonn mit ihrem Ehemann.
Credit: Getty Images
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Lindsey Vonn: Hartes Training von ihrem Vater

Auf der anderen Seite dieses Märchens steht übrigens Vonns Vater Alan Kildow. Der ehemalige US-Ski-Juniorenmeister drillte Lindsey hart, als sie selbst noch Juniorin war, was ihre Beziehung ihrer Meinung nach schwer belastete. Danach hatte er starke Probleme damit, dass seine Tochter mit Thomas zusammenkam. Zum Zeitpunkt der Hochzeit sprachen sie schon lange nicht mehr miteinander. „So läuft das jetzt schon eine ganze Weile“, sagt Lindsey. „Und das ist in Ordnung. Es ist gut so.“ Alan Kildow sagt: „Ich kommuniziere noch mit ihr. Sie bekommt Anrufe und E-Mails von mir.“ Allerdings reagiert sie auf beides nicht. 

Von setzte alles auf eine Karte - auf Herrenski

Vergangenen Sommer setzte Team Vonn alles auf eine Karte, indem es die 50-prozentige Honorarkürzung ablehnte, die der Skihersteller Rossignol all seinen gesponsorten Sportlerinnen und Sportlern auferlegte, und stattdessen auf Ausrüstung von Head umstieg. Insbesondere in einem Olympia-Jahr ist das ein gewaltiges Risiko. Und das ist nicht die einzige Veränderung. Dieses Jahr fährt die 1,78 Meter große, 72 Kilogramm schwere Vonn sowohl beim Abfahrtsrennen als auch beim Super-G auf Herrenskiern. Die Herrenmodelle bieten bei großer Geschwindigkeit mehr Stabilität, was große Vorteile mit sich bringt. Und sie sind für eine so starke Skifahrerin wie Vonn außerdem sicherer.

Anfangs folgte nur Riesch Vonns Beispiel und stieg auf Herrenskier um, und auch das nur beim Slalom. Aber je näher Olympia rückte, desto mehr Spitzensportlerinnen, darunter Riesch und die Schwedin Anja Pärson, begannen, in den schnellen Disziplinen mit Herrenmodellen zu experimentieren – mit gemischten Ergebnissen. "Keine andere", sagte Thomas Vonn Ende Dezember, "ist stark genug." Bei all dem Gerede über Geschwindigkeit und Kraft bleibt die naheliegende Doping-Frage natürlich nicht aus. Vonn beantwortete sie im vergangenen Sommer bei einem Abendessen in Salzburg. "Noch nie", sagte sie. "Ich hab noch nie und würde auch nie."

Ihre Kraft ist nicht ihr einziger Vorteil. Vonn ist außerdem die talentierteste Skirennfahrerin der Welt, und ihre Kombination an Fähigkeiten ist einzigartig. "Die meisten Fahrerinnen in den schnellen Disziplinen sind entweder Gleiter, die versuchen, auf den flachen Abschnitten Zeit zu gewinnen. Oder sie haben eine tolle Technik und versuchen, auf den flachen Abschnitten nicht zu viel Zeit zu verlieren", sagt Mendes. "Die zweifache Olympia-Medaillengewinnerin Picabo Street war eine fantastische Skiläuferin, aber sie war eine Gleiterin. Lindsey ist nicht nur eins von beidem – sie ist beides. Sie kann in Führung gehen, indem sie über die flachen Abschnitte gleitet, und gleichzeitig die Abschnitte meistern, bei denen Technik gefragt ist. Das ist ein gewaltiger Vorteil. Sie hat keine Schwäche."

Vonn beim Slalom-Aus bei den Spielen in Turin 2006.
Vonn beim Slalom-Aus bei den Spielen in Turin 2006.
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Vonn signiert Autogramme bei einer Herbstveranstaltung von Vail Resorts, einem ihrer Sponsoren, in New York. Jedes Kind – und die Erwachsenen auch – bekommt das volle Lindsey-Programm: ein Lächeln, ein Lachen, ein paar warme Worte, um sich mit dem Star am anderen Ende des Kugelschreibers verbunden zu fühlen. Ein paar Jugendliche aus Vermont sind erst mit dem Auto drei Stunden lang nach New Haven und von dort aus weiter mit dem Zug gefahren, um an diesem Tag dabei sein zu können. Vonn hat Werbeverträge mit Alka-Seltzer Plus, Head, Oroweat, Procter & Gamble, Red Bull, Rolex, Sega, Under Armour, Vail Resorts und Uvex, und sie alle kaufen Augenblicke wie diesen und – so die Hoffnung – einen Haufen Medaillen. "Sie ist das Mädchen, mit dem alle zum Abschlussball gehen wollen", sagt Sue Dorf von IMG, die Vonn gemeinsam mit Mark Ervin betreut. 

Lindsey Vonn: Image mit einer zeitlosen Anziehungskraft

Es ist ein Image mit einer zeitlosen Anziehungskraft – ein Image, das ein Nischenbereich wie der Skisport dringend nötig hat. Vonn kann nicht nur Energydrinks, sondern auch sich selbst und ihren Sport vermarkten. Ganz mühelos, natürlich und offenbar auch ehrlich. "Ich sag Ihnen, was Lindsey ist", sagt Vanessa Larsen, Anästhesistin aus Park City und Freundin von Vonn. "Sie ist ein süßes, normales Mädchen aus dem mittleren Westen." Mendes sieht das genauso, wenn auch aus einer ganz anderen Perspektive. "Im US-Team sind deine Teamkolleginnen immer auch deine Konkurrenz", sagt sie. "Aber Lindsey ist einfach toll. Es ist angenehm, sie um sich zu haben."

Im Jahr 2010 ist es gefährlich, allzu enthusiastisch davon zu schwärmen, was für ein guter Mensch diese oder jene Sportikone doch sei. Aber Vonn scheint meilenweit davon entfernt, sich zu blamieren. Außer vielleicht durch weitere bizarre Unfälle. ("Sie hatte echt Pech", kommentierte das ihre Kindheitsfreundin Lund. "Aber sie ist auch ein ganz schöner Tollpatsch.") Sie ist eine oder zwei Medaillen davon entfernt, zur Legende zu werden. Aber das ist immer der letzte, angsteinflößende Schritt. 

Mit stark getaptem Handgelenk kehrte Vonn nach ihrem Sturz nach Weihnachten rasch wieder auf die Rennstrecke zurück, genauso wie sie es nach dem Zwischenfall mit der Champagnerflasche getan hatte. Fünf Tage nach dem Unfall fuhren die Vonns einmal quer durch Europa, vom österreichischen Zell am See ins kroatische Zagreb. Die Straßen waren vollgestopft mit Ferienreisenden, überall türmten sich Schneemassen. Die an sich vierstündige Fahrt dauerte am Ende acht. Olympia rückte unerbittlich näher, nur noch 41 Tage. Und der Anblick, der sich Vonn durch die Windschutzscheibe bot, trug eine tiefere Botschaft in sich: Zur Goldmedaille führt kein einfacher Weg. 


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