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"Rumble in the Jungle": So zerschmetterte Muhammad Ali George Foreman im Ring

Beim "Rumble in the Jungle" zermürbte Muhammad Ali seinen Gegner George Foreman 1974 in Zaire und krönte sich zum Schwergewichts-Boxweltmeister. Seine Taktik war gewagt, aber erfolgreich. Mit jeder Runde wurde Ali stärker und zur größten Boxlegende aller Zeiten.

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Inhalt

  • "Rumble in the Jungle": Muhammad Ali gegen George Foreman 1974 in Zaire
  • Muhammad Ali: "Ist das alles, was du draufhast? Du boxt wie ein Mädchen“
  • George Foreman kann sich an letzte Sekunden des Kampfes nicht erinnern

MAN KANN SICH KAUM VORSTELLEN, was die außergewöhnlichen Ereignisse in den Stunden kurz vor Sonnenaufgang unter dem blassen Mond Zaires für die Zukunft des Boxens bedeuten. Kinder und Jugendliche, die jahrelang in den Hinterhöfen der Welt den anmutigen Stil ihres Idols Muhammad Ali nachgeahmt haben – des schwebenden Schmetterlings, der sticht wie eine Biene –, stellen sich nun vor, wie sie sich von ihrem Schemel erheben und stoisch, das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilt, in der Ecke des Boxrings stehen. Wie sie gegen die Seile prallen, sodass ihr Oberkörper bis über die Schreibmaschinen in der Pressereihe hängt.

Denn so sahen sie aus, die Taktiken, mit denen Ali alle Welt überraschte – selbst die Männer in seiner eigenen Ecke. Taktiken, die sich als unbezwingbar für George Foreman entpuppten, den Schwergewichtsweltmeister, dessen Sieg als nahezu unausweichlich betrachtet wurde. Taktiken, die Foreman am Ende den Garaus machen sollten, als sei er der große, böse Zeichentrick-Wolf, der sich schon die Lippen leckt, nur um am Ende in der Falle zu landen.

Muhammad Ali - "Es spricht viel zu viel gegen ihn"

Die Zeugen dieses Ereignisses, all jene, die das große Glück hatten, einem Kampf beizuwohnen, der eines Tages garantiert als einer der größten in der Geschichte des Boxsports gelten wird, füllten ab Einbruch der Nacht nach und nach die 60.000 Plätze – Stunden vor Beginn des für vier Uhr früh geplanten Hauptereignisses. Sie waren aus allen Teilen des Landes angereist, in dem es den gesamten Monat über kaum ein anderes Thema gegeben hatte. Beide Kämpfer hatten in Zaire einflussreiche Anhänger, und viele Zuschauer waren Féticheurs, die Hexendoktoren von Kinshasa, die Sportereignissen häufig im Auftrag von Kunden beiwohnten, die sie großzügig dafür bezahlten, das Ergebnis zu beeinflussen. Unter vielen Zairern kursierte sogar das Gerücht, Muhammad Ali selbst habe einen der besten Féticheurs der Stadt aufgesucht, womöglich sogar den Pygmäen, zu dessen Kunden angeblich Präsident Mobutu persönlich zählte, und eine beträchtliche Summe für einen Zauber gegen George Foreman bezahlt. Die Quote stand bei knapp 3:1 gegen Ali, da schien das eine ratsame Maßnahme. Der Zauber sollte sich in Form eines schönen Mädchens mit „leicht zitternden Händen“ manifestieren, das bei einer zufälligen Begegnung Foremans Hand ergreifen würde, woraufhin Foreman nach und nach die Kräfte verlassen würden.

Zuschauer beim Rumble in the Jungle in Zaire
Auch übersinnliche Kräfte sollten Ali und Foreman beim "Rumble in the Jungle" stärken bzw. schwächen: Dieses Bild zeigt Zairer bei einer ritualistischen Performance vor dem Kampf
Credit: Getty Images
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Die Féticheurs, die in ihren aufwendigen Gewändern häufig umringt von ihren Kunden in den Zuschauerreihen sitzen, erheben hin und wieder die Stimmen zu einem lauten, gesummten Singsang. In Lederbeutelchen oder als Amulett tragen sie die Artefakte ihres Berufs bei sich: Knochen, abgeschnittene Fingernägel, Hühnerfüße, die Spitzen von Antilopenhörnern und Ähnliches. Und da räumliche Nähe die Wirksamkeit dieser Artefakte stärkt, kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass zum Zeitpunkt des Kampfes mehrere von ihnen unter dem Boxring platziert waren.

Auch am Ring selbst war herumgedoktert worden, allerdings auf eher weltliche Weise, und zwar von Muhammad Alis Trainer Angelo Dundee. Am Morgen des Kampfes tauchte Dundee im Stadion auf, um die hellblaue Bodenoberfläche im Ring dick mit Harz zu beschichten, damit man sich schnell darauf bewegen konnte. Zudem hieb er Keile unter den Ringboden, um ihn zu straffen. So hatte sein Kämpfer einen guten Halt für die Zehen, was ihm seine schnellen Bewegungen ermöglichte.

"Wenn George einen Treffer landet, haut er seinen Gegner von den Füßen"

Dick Sadler, Manager des Champions, hatte nichts dagegen einzuwenden. Da beide Boxer dieselbe Oberfläche nutzen würden, dienten die Maßnahmen Foreman genauso wie Ali. Sadler war mehr als zuversichtlich. „Wenn George einen Treffer landet, haut er seinen Gegner von den Füßen“, sagte er. „Wenn Ali gewinnen will, braucht er eine Lücke, einen glücklichen Zufall. Es spricht viel zu viel gegen ihn. Ich, Sandy Saddler und Archie Moore, das sind zwei Hall-of-Famers und eine Differenz von über 300 Knockouts. Und dann noch George Foreman ... nein, nein, das ist einfach zu viel.“

Alles, was man über Foreman hörte, legte nahe, dass er praktisch unbesiegbar war. Überall, selbst in Alis Lager, nahm man an, die Lösung bestünde darin, sich von der Kraft des Champions fernzuhalten. Immer in Bewegung zu bleiben und mit Abstand Treffer zu landen. „Ich geh rein, pop-pop-pop, und schon bin ich wieder draußen“, sagte Ali. „Ich muss ihm immer hinterher. Er mag es nicht, wenn man ihm folgt. Er ist es nicht gewohnt, einstecken zu müssen.“ Ali verfasste sogar ein Gedicht über ihn: „When all is said and did and done, George Foreman will fall in one.“ Was frei übersetzt so viel bedeutet wie: Am Ende des Tages wird George Foreman durch einen einzigen Schlag fallen.

„Wenn ich gegen George Foreman kämpfe, wer­de ich fliegen wie ein Vogel.“

Es war ein Witz. Alle lachten, die Vorstellung war abstrus. Man war sicher: Alis Stärke musste in der Ge­schwindigkeit liegen, im Tänzeln. Am letzten Tag seines Sparrings kam Ali an die Seile und sah auf die Zuschauermenge hinab. Er stützte die Unterarme auf das oberste Seil, drehte den Arm, öffnete die Hand. Ein kleiner Spatz flog heraus und schwang sich empor unter das Dach des Trainingsstudios. Bundini Brown, Mitglied von Alis Betreuer­stab, hatte den Spatz im Pressebus gefangen und ihm überreicht. „Das hier bin ich“, sagte Ali. „Wenn ich gegen George Foreman kämpfe, wer­de ich fliegen wie ein Vogel.“

Muhammad Ali: "Was ist los hier? Habt ihr alle Schiss?“

Am Morgen des Kampfes war Ali um zwei Uhr morgens wach. Er zog sich ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und die Stiefel an, die er als Erkennungszeichen seines Berufs betrach­tete. Seine Mitstreiter und er standen an der Esplanade am Rio Zaire. Direkt über ihnen schien der Mond, kaum ein Wort wur­de gewechselt. Sie betrachteten den gewaltigen Fluss, die Hyazinthen, die in dunklen Büscheln vorbeitrieben. Es herrsch­te eine Stimmung wie unter Männern, die sich zum Patrouillen­gang bereitmachen. Aber auf der langen Fahrt von N’Sele zum Stadion in Kinshasa schien sich Alis Stimmung zu wandeln. In seiner Garderobe liefen die Deckenventilatoren. Ali betrat den Raum blinzelnd wie jemand, der plötzlich in grellem Licht erwacht war. Er betrachtete die langen Gesichter um sich herum und sagte: „Was ist los hier? Habt ihr alle Schiss?“

ER SAGTE, AM VORABEND habe er den Horrorfilm „Baron Blood“ angesehen, und der habe ihm mal so richtig Schiss gemacht. Aber doch nicht das, was ihm jetzt bevorstand! Er lachte und winkte ab. „Das hier ist nichts weiter als ein Tag mehr im dramatischen Leben des Muhammad Ali. Angst? Vor so einer Kleinigkeit? Seh ich aus, als hätte ich Angst?“ Er grinste und machte ein panisches Gesicht, rollte mit den Augen. „Es gibt nicht viel, das mir Angst macht. Horrorfilme. Allah, Gewitter und holprige Flüge. Aber das hier ist am Ende auch nichts anderes als ein Tag im Boxstudio.“

Jemand schüttelte ihm die Hand und sagte: „Viel Glück.“ „Glück?“, wiederholte er abfällig. „Nein, Mann, Können!“ Er zog sich aus und legte den langen, weißen Boxmantel mit den schwarzen Paspeln an, in dem er in den Ring einlaufen würde. „Schaut nur, wie lang und schön er ist. Er ist afrikanisch, das kann jeder sofort sehen.“ Normalerweise trägt Ali einen Mantel, den Bundini Brown entworfen hat. Brown stand dane­ben und schaute unglücklich drein.

Box-Star Ali gibt Betreuer Drew Bundini Brown ein paar Ohrfeigen

„Wo ist dein Mantel, Bundini?“, fragte Ali. Bundini holte ihn hervor. Die Paspeln hatten die Farben der Flagge von Zaire, und über dem Herzen war der Umriss des Landes eingestickt. Bundini selbst trug eine passende Jacke. „Schau mal, wie viel besser der hier aussieht.“ Ali drehte sich wie ein Model vor dem Spiegel. „Er ist afrikanisch. Schau doch mal, im Spiegel.“ Bundini weigerte sich. Mit dem Mantel über dem Arm fixier­te er stur Ali direkt. Ali verpasste ihm eine Ohrfeige, der Knall hallte durch die Garderobe. „Du schaust hin, wenn ich es dir sage! Mach so was nie wieder!“ Es folgte eine weitere Ohrfeige. 

Bundini stand mit geschlossenen Füßen da und schwankte leicht. Trug immer noch den Mantel über dem Arm. Sah immer noch Ali an. Weigerte sich immer noch, in den Spiegel zu blicken. Niemand maß der Episode größere Bedeutung bei. Womög­lich war es etwas ruhiger als vorher und das Summen der Ven­tilatoren etwas deutlicher zu hören. Dann zuckte Ali mit den Achseln und setzte sich auf die Tischkante. Leise begann er im Singsang eine Litanei von Sprüchen zu rezitieren, deren Inhalt teilweise genau zehn Jahre in der Zeit zurückreichte, bis zu jenem Abend in Miami, an dem er Sonny Liston den Weltmeis­tertitel abgenommen hatte: „Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene ... Was man nicht sieht, kann man nicht treffen ... Ich war kaputt ... Ich war am Ende ... Aber ausgeknockt wurde ich nicht ...“ Den Abschluss dieses kleinen Rückblicks auf seine Boxerkarriere bildete ein Kampfschrei, den zairische Beamte äußerst ungern hören, dem Ali aber nicht widerstehen konnte und der ihn wieder in die Gegenwart katapultierte: „Los, let’s rumble in the jungle!“

Er sprang vom Tisch und machte sich auf, die Sache mit Bundini und dem Mantel zu bereinigen. „Bundini, gehen wir tanzen?“, rief er. Schweigen. „Wollen wir nicht tanzen gehen, Bundini? Du weißt doch, ohne dich kann ich nicht tanzen.“ „Du hast meinen Mantel abgelehnt“, entgegnete Bundini mürrisch. Ali zuckte mit den Achseln. Er sagte, ein Champion müsse zumindest ein paar Entscheidungen selbst treffen dürfen. Was er isst, wann er schläft, was er anzieht. Und das tat er so char­mant, dass Bundini sich am Ende ein Lächeln nicht verkneifen konnte.„Also, gehen wir tanzen?“

George Forman: Anspannung in der Kabine 

„Die ganze Nacht“, erwiderte Bundini, nun wieder ganz der Alte. Er sprach, als würde er einer Predigt beiwohnen. Jemand rief: „Noch zehn Minuten!“ Angelo Dundee machte sich daran, Alis Hände zu tapen. Foremans Repräsentant Doc Broadus beobachtete die Szene. Ali sah ihn an. „Sag deinem Mann, er soll sich für den Tanz bereitmachen.“ Broadus antwortete kaum hörbar: „Er kann nicht tanzen.“ „Was sagt er?“ „George Foremans Mann sagt, der Champion kann nicht tanzen.“

Ali täuschte Ungläubigkeit vor, dann brach er in Gelächter aus. Alle Anwesenden lächelten, die meisten allerdings ein wenig verlegen. Als sei gute Laune in Anbetracht dessen, was ihnen bevorstand, unangemessen. Alis Arzt Ferdie Pacheco kehrte aus Foremans Garderobe zurück, wo er zugesehen hatte, wie die Hände des Champions getapt wurden. „Mann, herrscht da drinnen eine Anspannung“, sagte er. „Es ist mucksmäuschenstill. Sie haben Foreman in Handtücher gewickelt, nur die Augen schauen noch raus.“ „Er wärmt sich auf für den großen Tanz“, sagte Ali. „Und, Leute? Tanzen wir mit ihm?“, rief er. „Die ganze Nacht“, antwortete Bundini.

Muhammad Ali, Angelo Dundee, Bundini Brown 1974 beim Training in Kinshasa
Team Ali – bestehend aus (v.l.) Muhammad Ali, Trainer Angelo Dundee und Betreuer Drew Bundini Brown – 1974 im Trainingscamp in Kinshasa
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Und dieses Bild eines tänzelnden Muhammad Ali war es, das sie im Geiste alle mit nach draußen auf das Feld trugen, wo die großen Massen standen, um seiner Ankunft beizuwohnen. Nicht eine Person in Kinshasa oder sonst wo auf der Welt – außer Ali selbst – hatte den leisesten Verdacht, dass er in den ersten Kampfsekunden, eigentlich bereits beim Läuten der Glocke, einige flache Schritte in Richtung Ringmitte machen und sich dann in die Ecke drängen lassen würde, direkt gefolgt von einem Foreman, der seinen Augen kaum trauen mochte.

Einen schrecklichen Moment lang wirkte es so, als sei die Sache fingiert. Dass der Herausforderer genau wusste, dass er in der ersten Runde K.o. gehen würde, und es deshalb für bes­ser hielt, sich direkt still und leise in eine Ecke zu verziehen, um sich dort vom Champion vermöbeln zu lassen. Entweder das, oder Ali durchlief gerade das seltsame Bußritual, das für ihn zu jedem Kampf dazuzugehören scheint: das Beste, was sein Gegner zu bieten hatte, über sich ergehen zu lassen. So oder so tat der bloße Gedanke an die Konsequenzen weh. Die Mitglieder von Alis Team erhoben sich unisono und drängten ihren Mann mit schrillen Schreien, wie man sie sonst nur von sich gibt, um jemanden zu warnen, der rückwärts auf eine Steilklippe zuläuft, sofort aufzuhören und endlich loszutänzeln.

Muhammad Ali hatte nicht vor auf seine Betreuer zu hören

Doch Ali hatte nicht vor, auf sie zu hören. Stattdessen ging er an die Ringseile, traditionell ein Kompromiss, den erschöpf­te Kämpfer suchen, ehe sie zu Boden gehen, weil sie hoffen, dass der Schiedsrichter vielleicht Mitleid mit ihnen bekommt und dem Kampf ein Ende bereitet. Da stand Ali also, immer am selben Fleck, die Füße frontal vor seinem Gegner, lehnte sich weit zurück, die Augen weit aufgerissen, als sei ihm selbst be­wusst, wie tollkühn sein Verhalten war. Foreman stand derweil direkt vor ihm und begann, auf ihn einzuprügeln – gewaltige, heftige Schwinger aus der Hüftgegend, wie ein Straßenkämpfer. Sie kamen so langsam, dass Ali vielen von ihnen ausweichen oder sie blocken konnte. Dann rückte der Glockenschlag näher, der das Ende der Runde ankündigte, und Ali kam aus den Seilen. Als Foreman die Arme in Schlaghaltung senkte, traf Ali ihn mit einer Reihe cleverer, schneller Hiebe ins Gesicht. Der beste Treffer unter ihnen war eine rechte Führhand, die Fore­man die Schweißtropfen wie einen Heiligenschein vom Kopf prasseln ließ. Die Menge johlte, und womöglich begannen die ersten Zuschauer in diesem Augenblick zu spüren, dass sie hier doch keiner Nacht des Wahnsinns beiwohnen würden. 

Angelo Dundee bemerkte, dass Foremans Gesicht nahezu unmittelbar anzuschwellen begann. Dennoch stürmten Alis Männer auf ihn ein, als er in seine Ecke zurückkehrte und sich auf seinen Schemel setzte. „Was machst du da?“ „Wieso tänzelst du nicht?“ „Du musst tänzeln.“ „Bleib weg von den Seilen!“ Ali hatte den Ring im Visier und wies sie an, den Mund zu halten. „Nicht reden. Ich weiß, was ich tue“, sagte er.

Die zweite und dritte Runde waren exakte Kopien der auf­regenden ersten Runde, in denen allerdings, wie Dick Sadler später bemerkte, wenige Zutaten der klassischen Boxkunst enthalten waren. Kein Kontern, kein Antäuschen, kaum Bewegung. Einfach nur der einzigartige, tiefes Unbehagen bereitende Prozess, dabei zusehen zu müssen, wie einem Mann langsam seine Energie und Ressourcen abgezapft wurden – von einem Gegner, der in den Seilen hing und ihm, wie Angelo Dundee es später ausdrücken würde, „einen Haufen Nichts gab“. In der dritten Runde, inmitten des heftigen Dauerdrucks, den Foreman auf ihn ausübte, ließ Ali eine Reihe erschütternder Treffer auf ihn niedergehen, die den Champion ins Taumeln brachten. Und plötzlich schienen alle bis auf Foreman selbst zu erkennen, dass hinter Alis Verhalten nicht nur ein Plan steckte, sondern dass dieser auch nahezu unausweichlich funktionieren würde. Alis Betreuer sahen ihn an wie eine Dreifachausgabe von Professor Higgins aus „My Fair Lady“, der zum ersten Mal seine Eliza vor sich hat.

Eine typische Situation während der ersten Hälfte des Kampfes: Ali (r.) lehnt in den Seilen während Foreman seinen Körper mit harten, wilden Schwingern bearbeitet
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Mit der Idee, Foreman aus einer Defensivposition heraus zu bekämpfen und ihn sich bis zur Erschöpfung abrackern zu lassen, hatte Ali bereits in seiner Trainingsphase in Deer Lake Anfang des Sommers gespielt. Als er Foreman dann in Afrika beim Training ausspionierte, fiel ihm die Verbissenheit auf, mit der der Champion seine Sparringspartner bearbeitete. Er trieb sie in die Enge und hatte diese Praxis bis zu dem Punkt perfektioniert, an dem Ali klar war, dass er einen viel zu großen Teil seiner Kraft und Energie darauf würde verwenden müssen, einfach nur auszuweichen. Die Deer-Lake-Taktik erschien ihm zunehmend sinnvoll.

Foreman-Schläge gegen Ali: "So schlimm sind sie gar nicht"

Dazu kam, dass Foreman nur eine einzige Schwäche zugeschrieben wurde: dass er nervös und wild wurde, wenn nicht alles genau nach seinen Vorstellungen lief. Vielleicht würde der Überraschungseffekt von Alis Defensivtaktik ja genau zu diesem Ergebnis führen. Es schien zumindest einen Versuch wert zu sein. Wenn es nicht funktionierte und sich Foremans Schläge als zu heftig erwiesen, konnte Ali (so er denn noch aufrecht stehen konnte) immer noch zu den Tänzeltechniken zurückkehren, die von ihm erwartet wurden.

Nach der dritten Runde berichtete er Angelo Dundee inmitten der tosenden Aufregung in seiner Ecke, dass es zu funktionieren scheine. Foremans Schläge seien annehmbar („So schlimm sind sie gar nicht“). Dann erklärte er seinem verblüfften Trainer, er werde sich weiter von Foreman verdreschen lassen.

„Und jetzt bin ich dran.“

In der vierten Runde begann Ali mit Foreman zu reden. Es ist nicht leicht, mit dem Mundschutz zu sprechen, aber Ali war kaum zu stoppen und redete von Runde zu Runde mehr. Als würde er Foremans Vernichtung dadurch schneller vorantreiben können. „Ist das alles, was du draufhast? Du hast keine Ahnung, wie man zuschlägt. Zeig mir mal was! Du boxt wie ein Mädchen.“ Bis er schließlich die Worte aussprach, die Foreman bis ins Mark getroffen haben müssen: „Und jetzt bin ich dran.“

Foreman hatte seine Taktik noch immer nicht geändert. Er verschwendete weiter seine Energie, ohne damit etwas zu bewirken – „leerte das Konto“, wie Bundini Brown es nannte. Seine Schläge kamen langsamer und schwerfälliger, bis er sich beim Aufstehen von seinem Schemel nach der Glocke und auf seinem Weg durch den Ring zu Ali in der Sturheit seiner Angriffsweise ähnlich erbärmlich und ferngesteuert ausnahm wie die Mumien in Alis geliebten Horrorfilmen. „Die Mumie“ war übrigens schon länger Alis Spitzname für Foreman gewesen, nur einer von vielen treffenden Beinamen, die er sich im Laufe der Jahre für seine Gegner ausgedacht hatte („die Waschfrau“ für George Chuvalo, „der Bär“ für Liston). Und nichts hätte treffender beschreiben können, wie unbeholfen Foreman in den letzten Runden nach ihm grapschte. „Ich bin der Fluch der Mumie“, hatte Ali einige Tage vor dem Kampf gesagt.

Ali (r.) schlägt beim Rumble of the Jungle in Kinshasa auf George Foreman ein
"Jetzt bin ich dran!" – Nachdem Ali seinen vor Kraft strotzenden Gegner mürbe gemacht hatte, riss er das Heft des Handelns an sich, ging offensiv auf Foreman zu
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In der achten Runde hatte Foreman nichts mehr in der Hand. Er war seinem Gegner hilflos ausgeliefert. Und nun tat sich die nächste hässliche Möglichkeit auf: dass Ali mit ihm spielen und ihn erniedrigen würde wie damals Floyd Patterson in Las Vegas. Herbert Muhammad, der Sohn von Black-Muslim-Anführer Elijah Muhammad, ließ von seinem Platz direkt am Ring aus vernehmen, dass sein Vater nicht wollen würde, dass Ali Spielchen mit seinem Gegner spielte. Bundini gab die Nachricht in der Ecke weiter.

Aber Ali spielte ohnehin nicht mehr und nicht weniger mit Foreman als ein Mungo, der seine Beute umkreist. Er nahm den Hünen auseinander, indem er in Form einer Kombination aus Linken und Rechten Schärfe und Schnelligkeit walten ließ. Foreman wurde mit dem Rücken voran auf den Boden befördert. Archie Moore kam mit seinem runden, gutmütigen Gesicht und seiner Wollmütze an den Außenrand des Rings. Er lief an den Seilen entlang und versuchte, mit Armbewegungen Foremans Aufmerksamkeit zu erregen und ihm zu signalisieren, er solle sich auf den Bauch drehen und ein Knie unterschieben, um sich hochzudrücken. Es wurde bis neun gezählt. Dann zuckte Archie vor Verzweiflung kurz zusammen, als er sah, wie Schiedsrichter Zack Clayton mit den Armen forsch über Foreman hin- und herwedelte.

George Foreman kann sich an Kampfende nicht erinnern

GEORGE FOREMAN KONNTE SICH an die letzten Sekunden des Kampfes nicht erinnern. Er lag auf der Massagebank in seiner Garderobe mit den roten Wänden, Goldlamé-Handtücher über den Schultern und Kühlpacks auf dem Gesicht. Er fragte Dick Sadler, ob er komplett ausgeknockt worden sei. Wie ein Mann, der wieder Gefühl in ein eingeschlafenes Bein bringen will, probierte er nach und nach, ob seine Sinne noch funktionierten. Zählte langsam von 100 rückwärts, rief dann die Namen von allen Personen in seinem Team, die ihm einfielen.

Die ersten Antworten, die er den Reportern gab, klangen nach einem Mann, der versucht, einen unangenehmen und etwas verschwommenen Traum zu vergessen, weil er genau weiß, dass all die schlimmen Szenen wieder zurückkommen werden, sobald er sich bemüht, sich richtig zu erinnern. Er sagte, er sei nicht müde gewesen und habe das Gefühl gehabt, die Kontrolle über den Kampf zu haben. Er habe sich „sicher“ gefühlt, bis zu seiner beträchtlichen Überraschung sein Betreuerstab in den Ring gesprungen sei. „Er hat den Kampf gewonnen“, sagte Foreman unsicher, „aber ich kann nicht eingestehen, dass er mich geschlagen hat. Es wurde nie gesagt, dass ich ausgeknockt wurde.“ Wieder und wieder, als würde er seine Taktik verteidigen müssen, die auf keinen Fall versagt haben durfte (hatte sie doch auch nicht, oder?), wiederholte er, dass er Dick Sadlers Anweisungen „mit allem, was meine Fähigkeiten hergaben“, befolgt habe. Seine einzige Selbstkritik bestand darin, dass „sie mich ein bisschen zu sehr hochgepusht haben“.

Dann wiederholte er – teilweise so langsam, dass es so wirkte, als würde er stockend einen Text ablesen –, was er in seinen Garderobeninterviews nach seinen Siegen so oft gesagt hatte: „Es gibt nie einen Verlierer. Kein Kämpfer sollte der Gewinner sein. Man sollte beiden applaudieren.“ Die Reporter standen verlegen herum, sie alle wussten, dass ihn früher oder später die Erkenntnis treffen würde, dass sich seine großzügigen Worte über Verlierer zum ersten Mal in seiner Profikarriere auf ihn selbst bezogen.

George Foreman verliert Fassung gegen Muhammad Ali

Der Rest von Foremans Mitarbeiterstab wirkte ähnlich befremdet wie er selbst. Fast, als sei tatsächlich schwarze Magie im Spiel. Als habe das Mädchen des Féticheurs mit ihrer „leicht zitternden Hand“ Foreman tatsächlich seiner Kräfte beraubt.

Dick Sadler warf gereizt die Hände in den Himmel. „Alles, was wir geplant haben – Ali einkesseln, ihn überwältigen, ihm keine ruhige Sekunde lassen –, war dazu gedacht, ihn in die Seile zu drängen. Und genau dort war er ja auch. Er war ganz genau dort, wo wir ihn haben wollten.“ Seine Stimme klang schrill vor Frustration. „Das Vogelnest lag schon am Boden. Es war an der Zeit, sich zu setzen und das Festmahl zu verspeisen. Aber George hat das nicht richtig gemacht. Er hat nicht getan, was er sollte. Harte Kombinationen, näher aufrücken. Er hat ihn nicht mit der Linken bearbeitet. Wir haben ihm das alles gesagt. Aber es ist nicht angekommen.“

Archie Moores Perspektive war da schon weitaus versöhnlicher. Er wies darauf hin, der Champion habe Ali nicht direkt in die Seile getrieben. Ali sei freiwillig dort gewesen, und das sei etwas ganz anderes. Damit stünde er in der Tradition der großen „Seilkämpfer“ wie Young Jack Thompson, ein Weltergewichtschampion aus den 1920ern, der die Seile mit dem Geschick einer Spinne in ihrem Netz nutzte.

„Ali hat sich in den Seilen so weit zurückgeschwungen, als würde man in einem alten Cadillac Cabriolet sitzen. George versuchte, über die Seitentüren einzusteigen. Aber sie waren geschlossen."

Moore räusperte sich. Seine Sprechweise ist extravagant, nicht nur wegen seines Faibles für komplizierte Wörter, sondern auch wegen seiner ausgefallenen Metaphern. Und auch jetzt wieder hatte er eine auf Lager. „Ali hat sich in den Seilen so weit zurückgeschwungen, als würde man in einem alten Cadillac Cabriolet sitzen.“ Da er es mit solchen Dingen genau nahm, fügte er noch hinzu: „Dem 54er.“ Und weiter: „George versuchte, über die Seitentüren einzusteigen. Aber sie waren geschlossen. Also hämmerte George auf sie ein, schlug auf Alis Arme ein, der mit den Ellenbogen seine Hüften und mit den Handschuhen seinen Unterkiefer schützte. Gelegentlich konnte George ihm einen heftigen Schlag gegen die untere Schädelhälfte versetzen, was Ali nicht wenig Unbehagen bereitete. Aber Ali hielt stand und gab erfolgreich vor, er könne nicht zuschlagen und anderes unsinniges Zeug, so lange, bis George sich so benahm, als würde er all diesen Unsinn tatsächlich glauben. Bis diesem fantastischen Schläger die Kraft ausging, weil er so lange auf die Türen des Cadillacs eingeschlagen hatte. So war er vom Urknall zum Knallkörper geworden. Um es kurz zu machen“, schloss der große Ex-Kämpfer seinen Vortrag, „wie man es in der Mundart Brooklyns sagen würde: He blew his cool.“ Und die Fassung verloren hatte Foreman tatsächlich.

In den Tagen nach dem Kampf, als Foremans Sinne wieder voll funktionsfähig waren, flüchtete er sich nicht in Ausreden. „Wenn man auf Hasenjagd geht“, sagte er, „und man ist arm und hat nur ein Gewehr, einen Tisch und eine Familie ... und da draußen auf dem Feld sieht man einen Hasen – bumm! – und man trifft daneben, hilft es auch niemandem weiter, wenn man zu Hause Ausreden auftischt.“ „Aber der Hase lag tot im Ring, mitten im Fadenkreuz“, sagte jemand.

Als Muhammad Ali das Stadion verließ, dämmerte bereits der Morgen

Foreman zuckte mit den Achseln. „Ich habe mit meinen Taktiken gearbeitet. Immer, wenn ich gegen jemanden gekämpft habe, hat es ihn irgendwann erwischt. Ganz egal, wohin er ging oder was er im Ring machte, irgendwann erwischte es ihn. Ich dachte, so läuft es auch diesmal wieder. Einer der Treffer würde ihn schon erwischen. Aber dieser Typ hat keine Sekunde lang richtig gekämpft. Es war, als würde er in einem Kanu sitzen. Er ließ sich von den Gezeiten mitziehen, wartete einfach ab, dass nach der Ebbe die Flut kommt. Er hat das clever angestellt.“

Das Objekt von Foremans Bewunderung probierte derweil seinen neuen Titel aus. „Weltmeister im Schwergewicht“, sagte Ali und zog die Worte dabei in die Länge. „Es wird bestimmt eine Woche dauern, bis das richtig bei mir angekommen ist.“ Zehn Jahre zuvor hatte er in seinem kleinen Trainingsraum im Süden von Miami mit Filzstift diese magischen Worte neben seinen Namen (der damals noch Cassius Clay lautete) auf seine Matratze gekritzelt. Er wollte wissen, wie es aussehen würde, falls er je den Titel gewann. Ein Jahrzehnt und sieben Jahre ohne den Titel später hatte er ihn zurückgewonnen, und entsprechend vergöttert wurde er nun.

Der Morgen dämmerte bereits, als der neue Champion in seiner Siegesnacht das Stadion verließ. Auf seiner Route aus der Stadt hinaus zurück in sein Trainingslager am Rio Zaire säumten in jedem Dorf, an jeder Kreuzung, die Massen die Straßen. Die Kunde hatte sich bereits verbreitet. Lange Menschenreihen sprangen teils unter lautem Jubel auf und ab, sodass die kleine Karawane – angeführt von einem Polizeiauto, dessen orangefarbenes Warnlicht kreiste, gefolgt von Alis Citroën und den beiden Bussen mit den Leuten aus seinem Team – wirkte wie die Rückkehr einer Militärkolonne in befreites Territorium. 

Muhammad Ali gewinnt Schwergewichtskrone in Zaire

Erst als der Konvoi offenes Land erreichte, dünnten sich die Menschenmassen aus. Die ersten Regentropfen fielen. Schwere, tief hängende Wolken schoben sich über die Berge vor ihnen. In Miami hatte es ebenfalls geregnet, nachdem Ali Liston den Meistertitel abgenommen hatte. Jetzt trommelte der Regen gegen die Autodächer. Die letzten fünf Kilometer des Weges zu der Anlage kroch der Konvoi durch den ersten starken Guss der Regenzeit. Es war – wie so manches rund um diesen Kampf – reines Glück gewesen, dass sich das Gewitter gerade eben lang genug zurückgehalten hatte.

Als es den Fluss in Richtung Kinshasa hinabtrieb, setzte es die Satellitenanlagen außer Betrieb. Wäre der Regen nur eine Stunde früher niedergegangen, hätten Millionen Menschen, die den Kampf sehen wollten, keinen Empfang mehr gehabt. Als das Gewitter das Stadion in Kinshasa erreichte, prasselte der Regen zwischen den Sitzen hindurch aufs Gras und floss in die Feldmitte. Es sah aus, als stünde der Ring inmitten einer gigantischen Schleuse. In Foremans Garderobe unter den Tribünen stand das Wasser knietief. In der Stadt peitschte der Regen durch die Flammenbäume und ließ ihre roten Blüten die Alleen entlangwirbeln.

Kinshasa symbolisiert wie kaum eine andere Stadt Fall und Wandel von Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Überall, meist am Ende von Prachtalleen oder vor den Regierungsgebäuden, finden sich riesige, nackte Steinpodeste, in deren Ritzen heute Unkraut wuchert. Früher einmal standen dort imposante Statuen, die von der belgischen Kolonialherrschaft zeugten. Auf dem Vorsprung über dem Abschnitt des Rio Zaire, der heute noch Stanleypool heißt, stand einst die berühmte Statue des Entdeckers Henry Morton Stanley selbst, der unter der schützend über die Augen gehobenen Hand den Fluss entlangspähte. Auch diese Statue wurde zu Fall gebracht und liegt in einem riesigen Schuppen nahe dem Nationalmuseum in einem Wirrwarr aus gusseisernen Pferden und Königen.

Der Schuppen hat ein Blechdach. Als nach der Nacht, in der die Schwergewichtskrone in neue Hände übergegangen war, der Tag heraufdämmerte, muss das Prasseln des Regens auf das Dach ohrenbetäubend laut gewesen sein.

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