1. Bundesliga

Domenico Tedesco: "Fußball ohne Fans ist nichts, woran ich mich gewöhnen kann"

Domenico Tedesco ist mit RB Leipzig stark ins neue Jahr gestartet. Im Interview mit Sports Illustrated spricht der 36 Jahre alte Trainer über seinen Job in der Messestadt, die taktischen Pläne mit seinem Team und blickt auf das DFB-Pokalspiel gegen Hansa Rostock. 

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Sports Illustrated: Der Rückrundenstart ist gelungen. Waren das 4:1 gegen Mainz und das 2:0 in Stuttgart der Startschuss für die Aufholjagd auf die Champions-League-Plätze?

Domenico Tedesco: Es ist wichtig und auch richtig, dass ein Verein wie wir ambitionierte Ziele haben muss. Sonst wären mein Trainerteam und ich auch nicht hier. Aber es bringt nichts, jetzt nach jedem Spiel auf die Tabelle zu schauen und den Rechenschieber rauszuholen. Wir können nur eines beeinflussen: unsere eigene Leistung. Also tun wir gut daran, uns auf uns und unsere Inhalte zu konzentrieren.

Sports Illustrated: Nach ihrem 4:1-Debüt als RB-Trainer im Dezember gegen Gladbach folgten ein Remis und eine ernüchternde Niederlage. Was macht Ihr Team im neuen Jahr besser?

Tedesco: Das muss man ein wenig differenzieren. Ich finde, dass wir im zweiten Spiel beim Remis in Augsburg zumindest in der ersten Hälfte auch sehr viel gut gemacht haben – bis auf die Chancenverwertung. Da wir direkt mit einer englischen Woche gestartet sind, hatten wir auch nicht viel Zeit mit der Mannschaft auf dem Trainingsplatz. Jetzt sind wir mit den Siegen gegen Mainz und Stuttgart ganz ordentlich ins neue Jahr gestartet. Gegen Mainz sah es fußballerisch phasenweise schon ganz gut aus. Gegen Stuttgart haben wir sicher nicht unser bestes Spiel gemacht – aber trotzdem das erste Mal seit April letzten Jahres auswärts gewonnen. Ich hoffe, dass uns das weiter Auftrieb gibt.

Sports Illustrated: Im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger Jesse Marsch lassen sie keinen wilden Angriffsfußball spielen. Wie sieht Ihr bevorzugtes taktisches Konzept aus?

Tedesco: Ich glaube, dass man als Trainer immer auch auf die Stärken und Schwächen der Spieler eingehen muss – ohne seine eigene Idee komplett zu vernachlässigen. Es ist die Philosophie des Klubs, dass prinzipiell aggressiv gespielt wird, hoch gepresst und vertikal gedacht. Darin kann ich mich und meine Ideen auch wiederfinden. Gleichzeitig benötigen wir auch Lösungen mit dem Ball. Wir haben sehr viele gute Fußballer im Team, die gerne den Ball am Fuß haben.

Sports Illustrated: Nach Stationen in Aue, auf Schalke und in Moskau ist RB Leipzig eine tolle Chance für einen Trainer. Was macht diesen Klub aus?

Tedesco: Da gibt es einige Faktoren. Der Klub ist wirklich sehr gut aufgestellt. Die Infrastruktur ist super, wir haben eine richtig gute Mannschaft – und im Staff viele Experten, die in ihrem Gebiet einfach top sind. Davon profitiere ich als Cheftrainer natürlich. Dazu kommt, dass Leipzig eine tolle Stadt ist. Das Einzige, was aktuell leider fehlt, ist der Kontakt zu den Fans. Das vermisse ich enorm. Fußball ohne Anhänger ist nichts, woran ich mich gewöhnen kann.

Sports Illustrated: Hand aufs Herz: Welche Ziele haben Sie mit RB Leipzig? 

Tedesco: Wir sind hier alle enorm ambitioniert und ehrgeizig. Das muss in einem Klub wie RB Leipzig auch so sein. Aber wie ich es vorhin schon angesprochen habe: Ich bin kein Freund davon, öffentlich von irgendwelchen Tabellen-Platzierungen zu sprechen. Ich weiß, dass es wie eine Phrase klingt, aber es ist tatsächlich so – wir versuchen in jedem Spiel das Maximum rauszuholen. Und dann schauen wir mal, was am Ende dabei herauskommt.

Sports Illustrated: Bei 23-Millionen-Mann André Silva scheint der Knoten geplatzt. In fünf Spielen unter Ihnen als Trainer traf er fünf Mal. Wie wichtig ist er im Sturm?

Tedesco: André ist ein absoluter Topstürmer, der große Qualitäten im Abschluss hat. Wir messen unsere Stürmer aber nicht nur an ihren Treffern. André ist beispielsweise ein guter Kombinationsspieler, der gleichzeitig die Bälle sehr gut festmachen kann. Außerdem ist er enorm ehrgeizig. Ich bin sehr froh, dass wir ihn haben.

Andre Silva (RB Leipzig)
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Sports Illustrated: Emil Forsberg hat sich im vergangenen Monat schwer verletzt. Wann kehrt er zurück und kann wieder spielen?

Tedesco: Sein Ausfall tut uns natürlich weh. Wir hoffen, dass er schnell wieder zurück ist. Aber ich will da keinen Druck aufbauen, indem ich irgendeinen Zeithorizont nenne. Er wird die Zeit bekommen, die er braucht.

Sports Illustrated: Mit Sidney Raebiger haben Sie ein hoffnungsvolles sächsisches Talent in den eigenen Reihen. Wird er der erste Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, der sich bei den RB-Profis festspielen kann?

Tedesco: Sidney bringt fußballerisch eine ganze Menge mit. Aber man darf nicht vergessen, dass er gerade mal 16 Jahre alt ist. Da sollten wir von außen keinen großen Druck aufbauen und jetzt schon irgendwelche Wunderdinge von ihm erwarten. Wir werden ihm aber jegliche Unterstützung geben, die er benötigt, um sich optimal weiterzuentwickeln. Es hat mich sehr für ihn gefreut, dass er gegen Mainz sein Bundesligadebüt feiern konnte.

Sports Illustrated: In Moskau haben Sie in einem einfachen Zimmer gewohnt. Leben Sie in Leipzig etwas komfortabler? Ist Ihre Familie bei Ihnen?

Tedesco: Ich war mit meiner Wohnsituation in Moskau gar nicht so unzufrieden (lacht). Im Gegenteil. Wir haben in einem schönen Hotel im Zentrum gewohnt und waren zu Fuß in fünf Minuten am Roten Platz. Das war schon top. Hier in Leipzig habe ich ein kleines Apartment. Die Familie bleibt allerdings erst mal in Stuttgart, wird mich aber immer wieder besuchen. Das war in den fast zwei Jahren Moskau aufgrund der Corona-Situation kein einziges Mal möglich.

Sports Illustrated: Sie sind kein Typ für protzige Autos oder Luxus. Mit was belohnen Sie sich – außer Süßigkeiten?

Tedesco: Süßigkeiten und Knabberzeug stehen leider schon ganz oben auf der Liste. Wahrer Luxus ist für mich, Zeit mit der Familie verbringen zu können – und dass ich einen Job habe, der mir unendlich viel Freude bereitet. Das ist ein riesiges Privileg, das ich sehr zu schätzen weiß.

Sports Illustrated: Die Covid-19-Pandemie hat unsere Gesellschaft weiter im Griff. Können Sie Fußballer verstehen, die noch nicht geimpft sind?

Tedesco: Das ist ja ein Thema, das nicht nur den Fußball betrifft. Ich kann da auch nur für uns sprechen: Der Verein führt viele Gespräche mit den Spielern, um sie für die Thematik zu sensibilisieren. Alle RB-Spieler sind geimpft oder genesen.

Sports Illustrated: Im DFB-Pokal geht’s gegen Hansa Rostock. Ist das Spiel eine angenehme Pflichtaufgabe oder wird der Zweitligist zum Stolperstein?

Tedesco: Wir hoffen natürlich nicht, dass Rostock zum Stolperstein wird. Entscheidend wird sein, mit welcher Einstellung wir das Spiel annehmen. Natürlich sind wir der Favorit und wollen unbedingt weiterkommen, das ist ja klar. Aber unterschätzen dürfen wir die Rostocker nicht. Das ist ein sehr unbequemer Gegner, der alles reinhauen wird.

Sports Illustrated: Letzte Frage: Können Sie uns etwas auf Sächsisch sagen, was sie besonders mögen?

Tedesco: (lacht...) Mein Sächsisch ist  sehr ausbaufähig, da habe ich noch etwas Arbeit vor mir. Bisher habe ich leider noch nicht allzu viel von der Region und ihren Spezialitäten mitbekommen, weil wir die meiste Zeit auf dem Vereinsgelände verbringen. Was ich aber schon sagen kann: Wer mal einen Städtetrip plant – Leipzig kann ich wärmstens empfehlen. Eine tolle Stadt.

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