FUSSBALL-WM 2022

Mario Götze: "Fußball ist nicht alles und nicht so wichtig, wie er gemacht wird"

Im Sommer wird Mario Götze 30  – ans Karriereende denkt er noch lange nicht. Mit Sports Illustrated spricht er über einen möglichen Wechsel, den Traum von der Champions League und erklärt, was er aus seinem WM-Tor fürs Leben gelernt hat

Mario Götze im Trikot der PSV Eindhoven
Credit: Getty Images
Sports Illustrated 02/22 – Mario Götze
Magazin
Die neue Sports Illustrated Ausgabe mit Ausnahmetalent Mario Götze
Sports Illustrated 02/22 – Mario Götze
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Inhalt

Sports Illustrated: Diesen Sommer werden Sie 30 Jahre alt. Ist das für Sie eine Zäsur – oder nur eine Zahl?

Mario Götze: Beides ein bisschen. Mit 30 gehört man als Fußballer ja bereits zu den „alten Hasen“. Das macht schon ein bisschen was mit einem, wenn man sich den Lebenszyklus eines Profis ansieht. Ansonsten lege ich auf diese Zahl keinen großen Wert, für mich ist das keine große Sache, ob man 29 oder 32 ist. Im Gegenteil, jedes Jahr ist ein Geschenk.

Sports Illustrated: Sie sind fast Ihr halbes Leben lang im Profigeschäft.

Götze: Ich bin nichts anderes gewohnt und kenne diese Abläufe, seit ich klein bin. Ich bin jetzt in meiner zwölften Profisaison. Aber im Moment fühle ich mich besser – und es geht mir auch besser – als noch vor einigen Jahren. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, viel gesehen und erlebt. Ich habe in all der Zeit sehr viel an meiner Persönlichkeit gearbeitet und daran, meine körperliche Verfassung zu optimieren. Mal habe ich diverse Ernährungspläne ausprobiert, dann nach dem perfekten Zusatztraining gesucht. Es gab Phasen, da war ich ziemlich besessen. Mittlerweile weiß ich genau, was ich brauche. Und was ich nicht brauche. Wichtig ist mir auch: Ich genieße die Momente noch mehr. Darüber macht man sich mit 17 oder 18 noch keine großen Gedanken, das ist jetzt anders. Weil ich weiß, dass ich nicht mehr 14 oder 15 Jahre als Spieler vor mir habe. Das wird einem alles vielleicht noch ein bisschen bewusster, wenn man 30 wird.

Mario Götze beim Sports Illustrated Fotoshooting
2010 als Fußball-Wunderkind gestartet, begegnete uns Mario Götze, mittlerweile fast 30, beim Shooting mit Sports Illustrated als jemand, der genau weiß, was er will
Credit: Lukas Korschan
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Sports Illustrated: Was sind das für Momente?

Götze: Kleinigkeiten. Auf den Fußballplatz zu gehen, den Rasen unter den Füßen zu spüren und den ersten Ballkontakt, dieses Geräusch bewusst wahrzunehmen, wenn man den Ball richtig gut trifft. Ich nehme Fußball in seinen Einzelheiten viel bewusster wahr. Roger Federer hat mal gesagt, dass, wenn er sich gut fühlt, ihm der Tennisball größer erscheine und er mehr Zeit für Entscheidungen habe. Ich glaube, dass dieses Beispiel auch etwas von Erfahrung ausdrückt, weil er seinen Sport bewusst wahrnimmt. Mit zunehmendem Alter erlebe ich Fußball bewusster, die Sinne sind geschärfter, was mir bei Entscheidungen hilft. Darüber hinaus ist der Spaß mit der Mannschaft richtig groß. Das genieße ich viel mehr als noch vor einiger Zeit.

Sports Illustrated: Wie hat sich der Fußball im Laufe Ihrer Karriere verändert?

Götze: Das Spiel hat sich sehr gewandelt, es ist physischer und auch schneller geworden. Allein die Zeit, die ein Spieler den Ball am Fuß hat, hat sich deutlich verkürzt im Vergleich zu vor zehn Jahren. Genauso wie das ganze Business drum herum schnelllebiger geworden ist, vor allem durch Social Media. Als ich angefangen habe, wurde vornehmlich in Zeitungen berichtet. Der Reporter beobachtete das Training, besuchte die Pressekonferenz, führte Hintergrundgespräche und schrieb aus allen Erkenntnissen eine Geschichte. Heute ist fast jeder Journalist seine eigene kleine Marke. Er twittert vom Training oder aus der Pressekonferenz. Er muss für den Onlineauftritt eine Geschichte schreiben und eine neue für die Printausgabe. Einige haben noch einen Podcast, in dem sie Neuigkeiten erzählen müssen. Der tägliche Bedarf an Informationen ist also drastisch gestiegen. Obwohl nicht immer mehr passiert. Um zehn Uhr kann es also einen „Trainingsschock“ geben und um zwölf Uhr bereits die Entwarnung. Zwischendurch wird der Trainer gefragt, wie er den Ausfall auffangen will. In meinen Anfangszeiten wäre das womöglich nicht mal eine Geschichte gewesen, weil der Journalist die Zeit gehabt hätte, die Untersuchung abzuwarten.

Mario Götze mit Jürgen Klopp
Jürgen Klopp (l.) war ab 2010 beim BVB Mario Götzes erster Profitrainer – hier die beiden 2013 bei einem Spiel gegen Hannover 96
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Klopp, Guardiola, Tuchel, Bosz, Schmidt, um nur einige zu nennen: Sie haben in Ihrer Karriere mit vielen, teilweise in ihrer Art sehr unterschiedlichen Trainern zu tun gehabt. Wie hat Sie das beeinflusst?

Götze: Klopp war als mein erster Profitrainer bei Borussia Dortmund ganz wichtig für mich. Der Erfolg, den wir gemeinsam hatten, die Art und Weise, wie er die Mannschaft geführt hat, den Verein und die Fans mitgenommen hat. Meisterschaft, Double, Champions-League-Finale, das war sensationell. Er hat mich auf und neben dem Platz weitergebracht, er hat mir das Vertrauen gegeben in den jungen Jahren, das ich gebraucht habe, um mein Top-Level zu erreichen. Er hat ein unglaubliches Gespür, was jeder einzelne Mensch benötigt, dementsprechend hat er die ganze Mannschaft, sehr viele Mitarbeiter und den ganzen Verein besser gemacht. Jürgen Klopp ist einer der emphatischsten Menschen, die ich kenne, deshalb konnte er auch zu einem so wahnsinnig erfolgreichen Trainer werden. Nur eines kann er nicht so gut: Im Paddle-Tennis hat er keine Chance gegen mich (lacht).

Sports Illustrated: Dann wechselten Sie zu Pep Guardiolas FC Bayern.

Götze: Die drei Jahre in München waren eine besondere Herausforderung für mich. Es war mein erster Wechsel, ich war nur Jürgen Klopp und seine Art und Weise gewohnt, ich hatte sein Konzept verinnerlicht. Da gab es ein paar Themen, an die ich mich auch erst gewöhnen musste. Die mediale Aufmerksamkeit in München war – und ist – viel höher. Die Superlative sind größer, aber dementsprechend auch die Fallhöhen, wenn es mal nicht läuft. Die sportliche Konkurrenzsituation war höher, ich hatte erstmals einen nicht deutschsprachigen Trainer. Es war eine enorm spannende Zeit. Im Rückblick kann ich die Sachen besser einschätzen, ich habe damals viel gelernt, bin als Mensch und Athlet gewachsen – und bin Weltmeister geworden und habe viele Titel gesammelt.

Mario Götze 2014 als Spieler des FC Bayern mit Trainer Pep Guardiola
Mario Götze (l.) 2014 als Spieler des FC Bayern im Zwiegespräch mit seinem damaligen Trainer Pep Guardiola
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Anschließend ging es wieder zum BVB...

Götze: ...mit vier Trainern in vier Jahren. Für mich ist Konstanz maßgeblich für den Erfolg – im Team, auf der Trainerposition und im Verein. Das war damals nicht so gegeben, wir haben einmal den DFB-Pokal gewonnen, das ist von der Titelausbeute doch eher gering.

Sports Illustrated: Das gelang mit Trainer Thomas Tuchel.

Götze: Das eine Jahr unter Tuchel war sehr spannend, er hat eine ganz spezielle Persönlichkeit. Seine taktischen Prinzipien waren beeindruckend, er war so facettenreich in seinen Ideen. Auch seine Energie, mit der er uns coachte. Thomas Tuchel war bei allem, was er machte, energisch und kraftvoll. Lucien Favre war da viel zurückhaltender, bedachter und beobachtender. Peter Bosz hat uns viele Freiheiten beim Warmmachen gegeben, da war jeder sein eigener Chef. Es war ein wichtiges Learning für mich, mit welchen Ansätzen man arbeiten kann – und welcher zu welchem Ergebnis führt.

Sports Illustrated: Seit 2020 spielen Sie jetzt bei der PSV Eindhoven in der niederländischen Eredivisie. Ein Hauptgrund für den Wechsel war Trainer Roger Schmidt, der den Verein nun am Saisonende verlassen wird. Ihr Vertrag läuft noch bis 2024.

Götze: Für mich als Spieler ist der Trainer die wichtigste Personalie im Fußball. Mal schauen, wie es sich entwickelt, erst mal geht es darum, die aktuelle Saison möglichst erfolgreich zu beenden. Dass für mich beim Wechsel nach Eindhoven Roger Schmidt und sein Konzept einen maßgeblichen Einfluss hatten, ist ja auch ein offenes Geheimnis.

Sports Illustrated: Denken Sie daran, selbst Trainer zu werden?

Götze: Weiß ich noch nicht genau. Grundsätzlich finde ich das interessant, weil ich dieses Leben und die Struktur als Spieler bereits gewohnt bin. Aber mir ist auch bewusst, dass man als Trainer ein ganz anderes Skillset mitbringen muss, dass es eine ganz andere Herausforderung ist. Ich glaube, dass man nicht automatisch ein guter Trainer wird, nur weil man mal ein guter Spieler war. Als Spieler ist man zunächst einmal Mitglied eines Teams. Natürlich muss man auf dem Platz schnell Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen. Aber als Trainer hat man schon noch eine andere Aufgabe, muss zwanzig oder mehr Spieler leiten, seinen Staff mitnehmen, man braucht Wissen über Trainingssteuerung, Führungsqualitäten, Empathie und muss sich im Bereich People-Management auskennen. Ein Trainer muss medial stärker geschult sein, weil er jede Woche mehrmals Rede und Antwort stehen muss, auch Fragen beantworten muss, die die politische Ausrichtung des Vereins betreffen. Man ist zum Teil auch Manager, ganz viel Motivator. Deshalb lasse ich mir das offen und müsste herausfinden, ob es mir auch Spaß machen würde. Ich will erst einmal als Spieler noch möglichst viel erreichen, weil ich weiß, dass diese Zeit begrenzt ist.

Mario Götze im Trikot der PSV Eindhoven
Mario Götze im Trikot der PSV Einhoven, wo er seit Herbst 2020 unter Trainer Roger Schmidt spielt
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Wie ist das sportliche Niveau in der Eredivisie im Vergleich zur Bundesliga?

Götze: Die ersten vier, fünf Mannschaften sind wirklich gut, wie AZ Alkmaar oder Ajax Amsterdam, das sieht man auch im internationalen Vergleich. Danach ist die Lücke etwas größer als in der Bundesliga, wo sich die Qualität zwischen Platz 1 und 18 etwas gleichmäßiger verteilt.

Sports Illustrated: Wie sehr spürt man die holländische Schule mit ihrem 4-3-3-System?

Götze: Das hat man hier schon sehr stark verinnerlicht, selbst kleinere Teams versuchen, hinten rauszuspielen, während die Bundesliga-Mannschaften der zweiten Tabellenhälfte eher verteidigen.

Sports Illustrated: Wie hat sich Ihr Spiel entwickelt?

Götze: Die Balance zwischen der Intuition auf dem Platz einerseits und der Erfahrung, in welchem Moment man am besten dies oder jenes tut, war über die vergangenen zehn Jahre ein großes Learning für mich. In der Mannschaft gehöre ich nun eher zu den Älteren – und treffe andere Entscheidungen als mit 18, als ich mir noch mehr Fehler erlauben konnte. Ich habe das Gefühl: Je älter ich werde, desto besser weiß ich, was ich selbst für mein perfektes Spiel brauche, was mein Körper braucht, welche mentalen Faktoren für mich wichtig sind, um zu performen.

Sports Illustrated: Welche Rolle spielt der Kopf, das richtige Mindset?

Götze: Eine sehr wichtige, weil im Fußball immer alles so schnell passiert. Man ist so vielen verschiedenen Situationen und Herausforderungen ausgesetzt, dabei immer einen ganz klaren Plan zu haben und eine klare Linie zu verfolgen ist eine hohe Kunst. Man entwickelt über die Zeit eine gewisse Resilienz; Muster und Gedanken, die für einen funktionieren. Bei mir ist durch positive wie negative Erfahrungen viel zusammengekommen, sodass ich das mittlerweile gut einordnen kann.

Mario Götze beim Sports Illustrated Fotoshoot
Mario Götze hat einiges erlebt in seiner bisherigen Karriere, war oft Gegenstand des öffentlichen Diskurses. Er sagt: "Man entwickelt eine gewisse Resilienz."
Credit: Lukas Korschan
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Sports Illustrated: Was geben Sie jetzt den jungen Spielern weiter?

Götze: Am wichtigsten ist, dass man der neuen Generation – die nochmal eine ganz andere ist als die, in der ich aufgewachsen bin – Dinge im Alltag vorlebt. Leading by example. Ich versuche, die Spieler zu unterstützen, schlussendlich muss aber jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn sinnvoll ist, ob es nun um Ernährung geht, Vor- und Nachbereitung des Trainings, das Verhalten auf und neben dem Platz oder den Umgang mit Verletzungen. Ich stehe da gerne mit Rat zur Verfügung. Ich selbst habe mir viel von Arjen Robben, Franck Ribéry und ihrem Willen, hart an sich zu arbeiten, abgeschaut. In Sachen Persönlichkeit auf und neben dem Platz waren Xabi Alonso und Philipp Lahm wichtige Beispielgeber für mich.

Sports Illustrated: Wie ist das Verhältnis zwischen Arbeit und Spaß?

Götze: Immer abhängig vom Umfeld. Als ich in Dortmund im vierten Jahr weniger gespielt habe, hatte ich das Gefühl, dass es eher Arbeit ist, weil man in so einer Lage keine Euphorie entwickeln kann. Wenn man erfolgreich ist, ein gutes Team hat, das eine Vision verfolgt, ist der Spaß deutlich höher.

Sports Illustrated: Was wollen Sie noch erreichen?

Götze: Ich habe mir immer auf die Fahne geschrieben, dass ich unbedingt die Champions League gewinnen möchte. Das wäre schon etwas, das ich gerne noch erreichen würde. Ich möchte, ich muss nicht. Ich finde den Wettbewerb einfach überragend. Thiago Silva hat die Champions League im Alter von 36 Jahren mit Chelsea gewonnen, Robert Lewandowski war bei seinem letzten Sieg 32, Cristiano Ronaldo 33. Warum also nicht? Wir haben über Reiferwerden im Sport gesprochen und darüber, wie es ist, Sport bewusster zu genießen. Rafael Nadal hat nach seinem Sieg bei den Australian Open genau das gesagt: „In der späten Phase deiner Karriere kannst du diese Momente mehr genießen, weil du weißt: Du hast nicht mehr so viele Chancen.“ Nadal ist ein tolles Beispiel. Der Fuß war kaputt, er hatte Corona. Niemand hat auf ihn gesetzt. Und dann gewinnt er mit 35 Jahren seinen 21. Grand-Slam-Titel.

Mario Götze beim Sports Illustrated Fotoshooting
Mario Götze möchte noch die Champions League gewinnen. Seine Vorbilder für den späten Erfolg heißen zum Beispiel Thiago Silva, Ronaldo oder Rafael Nadal
Credit: Lukas Korschan
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Sports Illustrated: Ein Wechsel in die USA war auch schon im Gespräch, können Sie sich das vorstellen?

Götze: Ja, das kann ich. Ich habe jetzt erst mal den Schritt aus der Bundesliga nach Holland gemacht, um etwas Neues zu sehen und zu erleben. Ich kannte bis dato nur die Bundesliga, in der ich zehn Jahre gespielt habe. Mit meinem oben genannten Ziel möchte ich allerdings erst mal in Europa auf dem höchsten Niveau spielen; vorzugsweise in Italien oder Spanien. Die Premier League mit ihrer extrem ausgeglichenen Liga reizt mich auch.

Sports Illustrated: Und eine Rückkehr in die Bundesliga?

Götze: Für mich muss vieles zusammenkommen. Das Paket aus Trainer und Verein muss stimmen. Dann könnte das passieren, aber es ist jetzt nicht so, dass ich sage: Ich muss unbedingt in die Bundesliga zurück. Aus der Ferne betrachtet, gefällt mir die Arbeit, die Julian Nagelsmann bei seinen Stationen in der Bundesliga gemacht hat und macht, sehr gut. Auch Domenico Tedesco ist ein sehr spannender Trainer mit viel Potenzial – besonders jetzt in Leipzig.

Sports Illustrated: Sie beschäftigen sich seit einer Weile intensiv mit Start-ups und investieren in Unternehmen. Wie kam es dazu?

Götze: Ich habe mir in dieser Beziehung viel von Athleten aus der NBA und der NFL abgeschaut, die sich schon während ihrer Karrieren nicht nur mit dem Sport beschäftigen, sondern auch diese Themen angehen. Generell bin ich ein neugieriger Mensch und sehe mir gerne verschiedene Dinge an. Ich habe viel Kontakt zu Gründern oder Leuten aus ganz anderen Bereichen. Es macht mir Spaß, mit Menschen zu sprechen, die Ideen haben, die wissbegierig sind und etwas bewegen wollen. Da existieren viele Parallelen zwischen Business und Fußball: Man arbeitet im Team an einer gemeinsamen Vision. Gerade junge Gründer kommen in Situationen, die ich ebenfalls aus meiner Anfangszeit kenne, in denen Mut erforderlich ist und man Risiken eingeht.

Sports Illustrated: Wonach wählen Sie Ihre Investments aus?

Götze: Ein Schwerpunkt sind Themen, die unmittelbar mit meinem Sport zusammenhängen und zu denen ich einen direkten Draht habe und natürliches Know-how besitze wegen meiner Profession als Fußballprofi – zum Beispiel Fitness, Performance, Ernährung, Wellness, Regeneration, Medizin. Auf der anderen Seite beschäftige ich mich grundsätzlich mit mutigen Gründerinnen und Gründern, sofern sie mich begeistern. Aktuell schaue ich mir gerade Web3-, NFT- oder Sustainability-Themen an. Ich habe weitere Verantwortungsbereiche als nur den Fußball für mich definiert.

Mario Götze beim Sports Illustrated Fotoshooting
Mario Götze blickt mittlerweile über den Tellerrand des Fußballs hinaus. Er investiert zum Beispiel in Start-Up-Unternehmen
Credit: Lukas Korschan
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Sports Illustrated: Sollten sich Fußballer häufiger zu gesellschaftskritischen Themen äußern?

Götze: Es kommt auf die Umstände an, und man muss da mit Bedacht rangehen. Was ich gut fände: wenn man das bündeln könnte und einzelne Athleten, Vereine und Verbände sich zusammenschließen, um gemeinsam eine gesellschaftliche Verantwortung herzustellen. Wenn sich Einzelne auf Social Media kritisch zu Themen äußern, die nicht den Fußball betreffen, kann das schnell in eine andere Richtung gehen.

Sports Illustrated: Wie geht man damit um, haufenweise Hasskommentare und -nachrichten zu bekommen?

Götze: Das kommt immer auf die Person und das Thema an. Bei Inhalten, die einem am Herzen liegen, kann man das natürlich tun. Man muss nur genau abwägen, wozu man sich in welcher Situation äußert und sich der Konsequenzen bewusst sein. Andererseits: Social Media sollte man eher als Chance denn als Nachteil begreifen.

Sports Illustrated: Auch dank dieser Plattformen sind Fußballer mittlerweile selbst Brands, eigene Unternehmen.

Götze: In dieser Hinsicht hat sich einiges getan, auf allen Ebenen – Vereine, Ligen, Athleten, Verhalten der Fans, Streamingdienste und so weiter. Am Anfang meiner Karriere habe ich mit der ein oder anderen Lokalzeitung gesprochen – mittlerweile hat jede Liga, jeder Verein und jeder Profi eigene Social-Media-Accounts als Sprachrohr. Es ist der Lauf der Zeit, angetrieben durch den Sport selbst und alle Beteiligten in diesem Ökosystem – von Fan bis Liga und Verband.

Sports Illustrated: Stimmen Sie dem Eindruck zu, dass Sie im Vergleich zu früheren Jahren viel mehr in sich ruhen, gelassener sind?

Götze: Ich glaube schon, das hat einerseits sicher mit Erfahrungswerten zu tun. Andererseits habe ich früher einen sehr starken Fokus auf Fußball gelegt und versucht, alles immer möglichst gut und perfekt zu machen – und es dabei allen recht zu machen. Das hat mich angetrieben. Unter anderem durch die Geburt meines Sohnes ist das anders geworden, dadurch habe ich eine neue Perspektive gewonnen.

Mario Götze mit Sohn Rome beim Sports Illustrated Fotoshooting
Mario Götze sagt, unter anderem durch die Geburt seines Sohnes Rome 2020 habe er eine neue Perspektive auf das Leben und den Sport gewonnen
Credit: Lukas Korschan
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Sports Illustrated: Der Versuch, es allen recht zu machen: Können Sie das erläutern?

Götze: Ich bin mit 17 Jahren zur ersten Mannschaft gekommen, kannte als junger Profispieler nur Klopp und den BVB, wo ich groß geworden war. Ich dachte, es gibt nur das. Dann kam ich nach München und wusste nicht genau, was mich erwartet, ich war mit vielen Herausforderungen konfrontiert, den Medien, der WM 2014. Ich habe daraus Lehren gezogen und besitze jetzt ein besseres Repertoire an Entscheidungsfindungsmöglichkeiten. Schon in jungen Jahren in sich zu ruhen und ganz genau zu wissen, wo man hinwill, ist nicht so leicht, genauso wie von Anfang an immer alles richtig zu machen, aber das ist ja auch das Schöne im Leben.

Mario Götze trifft zum 1:0-Siegtor gegen Argentinien im Finale der WM 2014 im Maracana-Stadion
Wichtigster Treffer auf der größten Bühne: Im Finale der WM 2014 traf Götze mit Links zum 1:0-Sieg gegen Argentinien – in der 113. Spielminute und im legendären Maracana-Stadion von Rio de Janeiro
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Was würden Sie dem jungen Mario Götze raten?

Götze: Ein bisschen gelassener zu sein. Ich wollte früher immer alles sehr schnell und perfekt und sofort erreichen. Ich wollte meine Leistung innerhalb kürzester Zeit aufs Maximum trimmen. Ich habe, überspitzt zusammengefasst, gleichzeitig meinen Schlaf, mein Training und mein Essen umgestellt. Manche Themen hätte ich vielleicht gelassener angehen sollen. Dadurch ist auch eine Spur Leichtigkeit in meinem Spiel verloren gegangen. Jetzt geht es mir eher darum, den Weg dorthin zu genießen.

Sports Illustrated: Wie wichtig ist Fußball?

Götze: Für mich war er früher alles. Dann haben meine Beziehung zu meiner Frau und die Geburt unseres Sohnes die Prioritäten etwas verschoben. Aber ich verbringe natürlich immer noch viel Zeit mit dem Fußball wie mein ganzes Leben lang schon. Ich finde ihn auch für mich persönlich sehr wichtig – aber er ist nicht alles und nicht so wichtig, wie er vielleicht manchmal gemacht wird.

Sports Illustrated: Wir haben noch gar nicht über Ihr WM-Siegtor gesprochen. Haben Sie aus diesem Moment etwas Spezielles mitgenommen?

Götze: Dass sich in diesem einen Moment alles verändert, obwohl man in der Situation vielleicht gar nicht den kompletten Einfluss hat – ich musste ja erstmal das Glück haben, eingewechselt zu werden –, und so viele Sachen zusammenkommen müssen, hat mir gezeigt, dass es im Fußball sehr schnell in die eine oder die andere Richtung laufen kann. Das hat mir die Augen geöffnet, für den Fußball und für das Leben grundsätzlich.

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