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Warriors-Wunder: Nach unfassbar vielen Tiefschlägen zurück auf dem NBA-Thron

Die Golden State Warriors sind NBA-Champions 2022. Ein strahlender Sieger, der seinen Triumph vor tausenden Zuschauern in den Straßen von San Francisco feierte. Der Weg zum vierten Titel in den letzten acht Jahren war aber äußerst beschwerlich.

Stephen Curry von den Golden State Warriors
Credit: Getty Images
  • Golden State Warriors kämpfen sich zurück auf den NBA-Thron
  • Tiefschläge und Verletzungen warfen Warriors immer wieder zurück
  • Golden State Warriors und Stephen Curry verlieren nie den Glauben

Sie hatten diesen Festtanz schon einmal getanzt, die Schritte vertraut, der Rhythmus sich ständig ändernd: zuerst mit einer unschuldigen Fröhlichkeit, später mit einer brustklopfenden Ausgelassenheit. Und dieses Mal mit Tränen und Trotz und einer erneuten Wertschätzung für die Saison.

Die Golden State Warriors sind wieder auf dem Basketball-Thron angekommen, nachdem sie die Celtics im NBA-Finale in sechs Spielen besiegten. Es war die vierte Meisterschaft in den vergangenen acht Jahren, was eine der beeindruckendsten Leistungen aller Zeiten ist. Mit allen bekannten Merkmalen – den Stephen-Curry-Dreiern (und Shimmies), den Klay-Thompson-Würfen und der Draymond Green-Defensivpower, die dieses Team bereits 2015, 2017 und 2018 zum Ruhm geführt haben.

Aber es gibt einen großen Unterschied, weil die Warriors von 2022 nicht die jugendlichen Beine haben, die sie 2015 hatten, oder die schiere, überwältigende Wurfkraft, die sie 2017 und 2018 besaßen. Sie haben in der jüngeren Vergangenheit einige hochkarätige Talente verloren, sich von Freunden auf dem Weg verabschiedet, sich unterwegs Bänder und Knochen gebrochen und waren mehr als einmal gezwungen, darüber nachzudenken, ob sie jemals wieder Meister werden.

Als die letzten Sekunden beim 103-90-Sieg auf der Uhr abliefen, jauchzte oder hüpfte Curry nicht und pumpte nicht mit den Fäusten. Er bekam trübe Augen. Legte seine Hände auf den Kopf, fiel zu Boden und ließ seinen Tränen freien Lauf.

Draymond Green: "Keine Meisterschaft ohne großartige Verteidigung"

"Diese letzten zwei Monate der Playoffs, diese letzten drei Jahre, diese letzten 48 Stunden, alles davon war eine emotionale Achterbahnfahrt, auf und neben dem Court“, sagte Curry später. "Man trägt das alles täglich mit sich herum, um zu versuchen, seinen Traum und sein Ziel zu verwirklichen, wie wir es getan haben. Mman bekommt Gänsehaut, wenn man nur an all die Momente denkt, die wir durchgemacht haben, um hierher zurückzukommen, individuell und als Kollektiv."

Das, sagte Curry, ist der Grund, warum "diese Meisterschaft anders ist". Warum die Emotionen so stark waren – "wegen dem, was es gekostet hat, hierher zurückzukommen."

Curry brauchte den besten Juni-Lauf seiner Karriere – mit durchschnittlich 31,2 Punkten, sechs Rebounds und fünf Assists und einer Erfolgsquote von 0,437 von der Dreierlinie, alles gegen die bestbewertete Verteidigung der NBA – eine Leistung, die ihm seine erste Finals-MVP-Trophäe einbrachte.

Draymond Green (Golden State Warriors)
Draymond Green (Golden State Warriors)
Credit: Imago
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Es bedurfte der Hilfe der alten Hasen wie Thompson und Green sowie Newcomern wie Andrew Wiggins und Jordan Poole. Es brauchte Thompson, der eine Achillessehnen-Operationen überstand, und Andre Iguodala, der ebenfalls zurückkehrte. Es brauchte einige der besten Verteidigungen, die die Warriors je gespielt haben, als sie wiederholt die Celtics-Stars Jayson Tatum und Jaylen Brown stoppten und Boston bei jedem ihrer vier Siege unter 100 Punkten hielten.

"Das war schon immer eine Konstante", sagte Green. "Du gewinnst keine Meisterschaft ohne eine großartige Verteidigung. Wir wissen das. Wir verstehen das."

Die ersten drei Titel gebründeten die Warriors-Dynastie. Aber dieser Titel, der unwahrscheinlichste von allen, hebt alles auf ein anderes Level. Die Warriors sind das erste Team seit den Bulls in den 1990er Jahren, das innerhalb von acht Jahren mindestens vier Titel gewonnen hat, und das erste seit den Bulls, das in acht Spielzeiten sechs Finals erreichte. Nur zwei Franchise-Unternehmen haben seit dem Ende der Herrschaft der Bulls mehr Titel gewonnen als Golden State: die Lakers (mit sechs) und die Spurs (mit fünf).

Stephen Curry ist "der beste Point Guard aller Zeiten"

Unter den Größen aller Zeiten hat Curry jetzt so viele Ringe wie Shaquille O’Neal und LeBron James und nur einen weniger als Kobe Bryant, Tim Duncan und Magic Johnson. Welche Skepsis auch immer bestanden haben mag – über Currys Größe, seinen Willen, der Würdigkeit in die Top 15 aller Zeiten aufgenommen zu werden – sie ist in den vergangenen zwei Wochen zerschmettert worden.

Wenn der Lauf 2015, wie die Warriors es formulierten, eine "Strength in Numbers"-Kampagne war und die Titel 2017 und 2018 von Kevin Durant geprägt wurden, dann war dieser eindeutig und unbestreitbar Currys. "Ich denke, er ist der beste Point Guard aller Zeiten“, erklärte Iguodala.

Indem sie alles erneut gewannen, trotzten die Warriors allem in dieser schwindelerregende NBA-Ära, in der Top-Teams schneller aufsteigen und fallen als der Kryptomarkt. Vor drei Jahren schien den Warriors ein ähnliches Schicksal zu drohen – nach der Verletzung von Thompson, dem Wechsel von Durant, dem Tausch von Iguodala und anderen, die weiterzogen. Diese Meisterschaft erweitert und vergrößert die Dynastie. 

Da war Wiggins mit durchschnittlich 18,3 Punkten. Da war Poole, der sieben Tage nach dem Absturz der Warriors im Finale 2019 als Nummer 28. gedraftet wurde und drei Schlüsseltwürfe sowie durchschnittlich 13,2 Punkten erzielte.

Da war Green – der in den drei Jahren seit dem letzten NBA-Finale der Warriors ein dutzend Mal abgeschrieben wurde (und vielleicht ein paar Mal in dieser Nachsaison) –, der perfekte Scoring-Pässe einfädelte und die Verteidigung mit seiner Energie stärkte. Da war Thompson, der erst im Januar nach zweieinhalbjähriger Abwesenheit wieder mit dem Basketballspielen begonnen hat und durchschnittlich 17 Punkte erzielte.

Steve Kerr: "Das war wahrscheinlich der emotionale Tiefpunkt"

Dass sie überhaupt wieder auf dieser Bühne standen, war bemerkenswert, wenn man bedenkt, was die Warriors seit der Niederlage gegen die Raptors im Finale 2019 ausgehalten mussten. Dass sie diesen Titel überzeugend gewannen – indem sie ein Celtics-Team besiegten, das jünger, stärker, athletischer und nach einigen Einschätzungen talentierter war – fühlt sich fast wie ein Wunder an.

Niemand hätte geglaubt, das die Warriors 2022 den Titel holen. Niemand außer den Warriors selbst. Und, naja, sogar sie hatten ihre Momente des Zweifels.

Der Tiefpunkt? Der emotionale Tiefpunkt? Es gab so viele.

Durants Achillessehne im Finale 2019. Thompsons Kreuzbandriss drei Tage später. Durants Wechsel nach Brooklyn einige Wochen später. Der Trade mit Iguodala, einer Gallionsfigur und Finals-MVP von 2015, zum Zwecke der Gehaltsobergrenze. Und das war nur ein Sommer.

Steve Kerr und Stephen Curry (Golden State Warriors)
Steve Kerr und Stephen Curry (Golden State Warriors)
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Dann kam Currys gebrochene Hand bei einem ungewöhnlichen Unfall im Oktober beim vierten Spiel der neuen Saison.

"Das war wahrscheinlich der emotionale Tiefpunkt", erklärte Warriors-Coach Steve Kerr zu Beginn der Saison gegenüber Sports Illustrated. "Wir konnten spüren, dass es ohne Klay und mit dem Verlust so vieler Jungs ein hartes Jahr wird. Als wir dann noch Steph verloren haben, war es wie ein Schlag in die Magengrube."

Es wurde noch schlimmer. Ende Dezember standen die Warriors bei 5 Siegen und 24 Niederlagen, waren aus dem Playoff-Rennen raus. Green war ihr einziger verbleibender All-Star. Und er war unglücklich und gab später zu, dass er kurzzeitig die Liebe zum Spiel verloren hatte.

"Man spielt Basketball auf höchstem Niveau und spielt dann auf absolut niedrigstem Niveau", meinte Green rückblickend. "Das macht keinen Spaß. Keine Chance auf den Sieg zu haben, ist nie etwas, das mir gut gefiel."

Klay Thompson: "Es hat verdammt wehgetan"

630 km weiter südlich hatte Curry seine eigene existenzielle Krise. Er verbrachte zwei Monate in Hermosa Beach, arbeitete nach der Operation täglich mit einem Handtherapeuten und sah zu, wie sein Team in seiner Abwesenheit Spiel für Spiel verlor.

"Sie sprechen von einem Tiefpunkt", sagt Curry, "aber dort schien es, als gäbe es am meisten zu tun, um zu meiner alten Form zurückzukehren. Es war schwer, weil ich nicht in der Halle war, nicht einmal in der Nähe des Teams. Es war eine schmerzhafte Erfahrung, wenn man die Jungs kämpfen sieht und weiß, dass man einen langen Weg vor sich hat, nur um überhaupt gesund zu werden. Dann kam die Pandemie und die Pause. Das war aus vielen Gründen emotional sehr schwierig."

Es endete mit einem weiteren Tief: einem 15-50-Minusrekord, der schlechtesten Warriors-Bilanz seit fast zwei Jahrzehnten. Aber sie hatten immer noch nicht die Talsohle erreicht. Dieser Moment kam am 19. November 2020, als Thompson – nachdem er sich vollständig von seinem Kreuzbandriss erholt hatte – seine rechte Achillessehne riss und er für weitere 14 Monate pausieren musste.

"Es hat verdammt wehgetan", sagt Thompson, "es war ein langer Weg zurück. Ich war gerade dabei, wieder in Spielform zu kommen und fühlte mich großartig."

Das gesamte Franchise war geschockt. Thompson wird nicht nur respektiert und geschätzt, sondern von allen geliebt. Dies war nicht nur ein Schlag für die Aufstellung der Warriors, sondern auch für ihre kollektive Psyche. Eine zweite Saison in Folge ohne ihn wäre ein Kampf. Das bringt uns zu einem letzten Tiefpunkt und dem Moment, in dem sogar einige Teamoffizielle ihren Glauben verloren hatten.

Es war Dezember 2020, und die Warriors eröffneten die Covid-19-Saison verspätet, indem sie nacheinander in Brooklyn (99:125) und Milwaukee (99:138) zerlegt wurden.

Iguodala-Trade 2019 ermöglicht Wiederbelebung der Warriors

"Wir wurden niedergeschlagen", sagt Warriors-General-Manager Bob Myers. "Ich dachte: Das ist ziemlich schlimm. Das ist schlecht. Das wird nicht funktionieren. Und das Problem ist, dass Sie als Führungskraft zweimal umgehauen werden, wenn Sie in eine Saison einsteigen und nach zwei Spielen mit dem Rücken zur Wand stehen. Es gibt nicht viel Rückhalt, weil Sie Ihre Entscheidungen getroffen haben. Also saß ich da und dachte, ich weiß nicht, was wir tun werden. Und das war wohl der Tiefpunkt."

"In diesem Job weißt du, dass du verlieren wirst", sagte Myers. "Aber wenn Sie zerstört werden, denkt man als Führungskraft, ich habe das wirklich vermasselt."

Aber die Warriors wurden nicht zerstört, sie waren nur vorübergehend ins Stocken geraten. Myers hatte es nicht vermasselt; er hatte nur noch nicht herausgefunden, wie es weiterging. Glaube und Ehrgeiz brachten die Warriors zurück.

Es gibt einen Transfer, der die diese gesamte Wiederbelebung ermöglicht hat: der Trade, der Iguodala im Juli 2019 nach Memphis schickte.

Dieser Deal ermöglichte es den Warriors, die komplizierten Sign-and-Trade-Transfers durchzuführen und Durant im Austausch mit Russell nach Brooklyn zu schicken. Schließlich verwandelten sie Russell in Wiggins, der einfach der beste Flügelverteidiger der Warriors sowie als All-Star ein absolut unverzichtbares Teil des Teams wurde.

So fing Myers an, die Karten neu zu mischen, kalkulierte Einsätze zu machen und die Rotation methodisch wieder aufzufüllen. Es gab Aussetzer (Kelly Oubre Jr., Kent Bazemore), aber viele weitere Hits: Wiggins, Poole, Gary Payton II, Otto Porter Jr., alles Schlüssel- sowie Rotationsspieler in dieser Saison.

"Es gab nie einen Moment, in dem wir das Gefühl hatten, es sei vorbei", erklärte Kerr. "Wir hatten immer den Gedanken im Hinterkopf oder sogar im Vordergrund, dass wir einen weiteren Push machen können, wenn wir alle zurückkommen."

Stephen Curry: "Wir hatten die nötige Geduld"

Die Sterne würden schließlich wieder am Himmel leuchten. Aber ohne diese Art der Unterstützung wären die Warriors nie wieder so zurückgekommen. Unterwegs traf das Team die mutige (und unter einigen Fans umstrittene) Entscheidung, ihre High-Draft-Picks nicht gegen Veteranen einzutauschen. Sie würden stattdessen einen doppelten Weg einschlagen: Titelkampf jetzt und Spielerentwicklung, um die Zukunft zu sichern.

Diese Aussichten – James Wiseman, Jonathan Kuminga und Moses Moody – hatten keinen großen Einfluss auf diesen Lauf. Hätten die Warriors verloren, wären Myers und Lacob von den Warriors-Fans kritisiert worden. Aber der Schachzug funktionierte. "Wir glauben an unseren Plan", sagte Lacob.

Jetzt können die Warriors mit Zuversicht und breiter Brust sagen, sie haben es geschafft. Die Warriors sind wieder Meister. Ihre Gegenwart ist gesichert und ihre Zukunft rosig. Aus Sicht von Lacob können Curry, Thompson und Green mit den Vorteilen der modernen Sportwissenschaft bis Ende 30 spielen. Sie werden die jüngeren Spieler mitziehen, obwohl ihre Belastung im Laufe der Jahre wahrscheinlich etwas verringert wird. 

"Ich hätte nie gedacht, dass wir so weit gekommen sind", sagte Lacob. "Ich persönlich denke, wir sind für den Rest des Jahrzehnts gerüstet."

Von der Suite des Besitzers bis zum Umkleideraum ist der Glaube zurück. Der Glaube trug die Warriors durch das "Crash-and-Burn" im Finale 2019, durch all die körperlichen und emotionalen Traumata, durch all die schwierigen Abschiede und kalkulierten Glücksspiele, durch all die Tränen der Angst, bis sie schließlich auf dem historischen Parkett in Boston standen und Freudentränen vergossen.

Niemand hätte mit Sicherheit vorhersagen können, dass es die Warriors schaffen. Aber Golden State hat nie aufgehört an sich zu glauben.

"Ich dachte an Draymond und Klay und mich selbst", meinte Curry. "Wenn wir gesund sind, geht es uns gut. Es gibt uns viel Selbstvertrauen, dass wir den Titel wieder gewonnen haben und diese Stimmung wiederherstellen können. Ich würde nicht sagen, dass wir Zweifel hatten. Wir hatten die nötige Geduld."

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