Andrea-Petkovic-Kolumne

Vom Anfang und Ende: Andrea Petkovics Rückblick auf das Sportjahr 2022

Andrea Petkovic blickt in ihrer Sports-Illustrated-Kolumne auf ein emotionales Sportjahr 2022 zurück: Auf das eigene Karriereende, der Abschied von Roger Federer, die Frauen-Nationalmannschaft und was der Sport auch im nächsten Jahr braucht - und was nicht.

Andrea Petkovic
Credit: Imago
  • Andrea Petkovic: Ein Rückblick auf das Sportjahr 2022
  • Sports-Illustrated-Kolumne: Vom Anfangen und Aufhören
  • Petkovic über Roger Federer: "Ich fühlte alles mit"

2022 war das Jahr der Anfänge und Abschiede. Angefangen bei einer neu gefundenen Basketballliebe in Sportdeutschland, dem Übertrumpfen der Fußballfrauen gegenüber den Fußballmännern in der Beliebtheitsskala und endend bei Roger Federers und Serena Williams’ Abschieden.

Andrea Petkovic: Der Transformationsprozess beim Karriereende

Ich habe zwar auch aufgehört mit Tennisspielen, aber mir ist bewusst, dass das im Vergleich zu Roger und Serena etwas verblasst. Bescheidenheit und Realismus und so. Mein Transformationsprozess von Tennisspielerin zu ehemaliger Tennisspielerin vollführte sich in den drei Wochen vor meinem letzten Match. Ich heulte und zeterte, schmollte und wütete, und als es dann vorbei war, vergoss ich ein paar wenige Tränen der Erleichterung und Dankbarkeit.

Mein Team indes lag emotional ausgelaugt in der Ecke, und ich musste es trösten. Schließlich hatten sie drei Wochen lang alles in sich behalten. Bei Serena war es ähnlich. Das weiß ich, weil sie die exakt selben drei Wochen an den exakt selben Orten war wie ich. Ich sah sie in der Umkleide und auf den Trainingsplätzen, mit dunklen Augenringen und schlechter Laune. Als es dann vorbei war, vergoss sie ein paar Tränen der Erleichterung, während ihr Team in der Spielerbox aussah, als wären allesamt vom Bus überfahren worden.

Petkovic über Federers schwierigen Rücktritt

Bei Roger, mei, mei, bei Roger sah die Situation deutlich anders aus. Er hatte seit über einem Jahr kein offizielles Match mehr bestritten und somit keine Möglichkeit gehabt, nahtlos vom Tennisspieler zum Nicht-mehr-Tennisspieler überzugehen. Er hatte quasi das Leben eines Nichttennisspielers gelebt – und auf einmal wurde er vor Millionen Menschen wieder zurück zum Tennisspieler verwandelt. Und nicht nur zu irgendeinem. Sondern zu dem vielleicht berühmtesten Tennisspieler aller Zeiten.

Als es vorbei war, konnten er und seine Rivalen neben ihm nicht mehr auf hören zu heulen. Mein Magen war ein fester Klumpen. Ich fühlte alles mit, aber gleichzeitig tat es mir leid, dass Roger nicht die Möglichkeit gehabt hatte, den Prozess des Loslassens in den Wochen vorher schon zum Teil zu durchlaufen in seinem trauten Umfeld der Tennistour. Es sah im Gegenteil so aus, als wäre ihm jetzt erst voll bewusst geworden, dass es vorbei war.

Petkovic: "Das letzte Zeichen, das ich gebraucht hatte"

Als Ellie Goulding auf den Platz stiefelte, um das Ganze mit ihrem Geplärre zu untermalen (nichts gegen Ellie Goulding, aber das ist doch keine angenehme Stimme, oder bin ich verrückt?), dachte ich: Puh, gar nicht schlecht für Roger, mal ein bisschen runterzukommen. Dass aber ein sinnloser Radio-Liebessong, gekräht von einer britischen Sängerin, die nichts mit Tennis zu tun hat, erst recht alles zum Wallen brachte, hätte ich mir nicht mal in den kühnsten Träumen vorstellen können. Das war das letzte Zeichen gewesen, das ich gebraucht hatte, um zu kapieren, dass Roger noch ein bisschen brauchen würde.  

Was ich sagen will: Der Transformationsprozess ist hart und traurig und kräftezehrend. Aber ist er durch, herrscht Erleichterung, und es wurde ein Boden für Neues geschaffen. Neues wie die deutsche Nationalmannschaft der Fußballfrauen oder die Basketballherren, die mit ihren Final- und Halbfinalteilnahmen bei den Europameisterschaften für Euphorie in Deutschland sorgten.

Der Sport braucht Emotionen, Momente, Helden und Heldinnen

Hier einreihen würde ich auch die Leichtathletik-Europameisterschaften in München. Auf einmal sah man sie wieder: Sportler und Sportlerinnen, die mit Eifer und Leidenschaft ihrem Ding nachgingen. Die so was wie Stolz in ihrem Kampf für etwas Größeres fanden. Die sich aufopferten und erschöpften, um den Leuten das zu geben, was sie brauchten. Eine Verschnaufpause von der Welt, die im Begriff ist, in Trümmern unterzugehen – würde ein Zyniker sagen. Die gerade Schwierigkeiten durchmacht, ein Optimist.

Egal ob vom Ende oder vom Anfang her gedacht, der Sport brachte, was er immer bringen sollte: echte, reine Emotionen, Überraschungsmomente, die keine Amazon-Prime-Serie so schreiben könnte, und neue Helden und Heldinnen, die okay sind, weil sie unkompliziert sind und "nur" Sport machen. Sonst nichts.


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