Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Singapur

CARLOS SAINZ: Sehr viel Aufmerksamkeit bekam in Singapur ein Verlierer, das Ende der Serie von Max Verstappen war das große Thema - und vielleicht ging dabei ein bisschen unter, was der Sieger gerade leistet. Carlos Sainz hat Ferrari wachgeküsst, das ist durchaus bemerkenswert. Denn in seinen ersten beiden Jahren beim Team stand er doch deutlich im Schatten von Charles Leclerc, des Ferrari-Zöglings, der die Scuderia irgendwann wieder zum WM-Titel führen soll. Dem Monegassen hat Sainz nun aber den Rang abgelaufen, so wirkt es zumindest von außen. Während Leclerc wiederholt mit Fehlern auffällt, holte Sainz in Monza und Singapur zweimal die Pole Position, einen dritten Rang und einen Sieg - seit der Sommerpause tritt er wie verwandelt auf. "Ich habe mich mit meinen Mechanikern zusammengesetzt und überlegt: Wie bekommen wir ein ganzes Wochenende zusammen. Die Ansätze hatten wir ja die ganze Zeit", sagt Sainz. Und es kamen wohl ein paar gute Ideen dabei heraus.

Carlos Sainz holte in Singapur den Sieg
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AFP, SID, MOHD RASFAN

MAX VERSTAPPEN UND RED BULL: Der Weltmeister musste ja beinahe vergessen haben, wie sich eine richtige Niederlage anfühlt, dafür schlug er sich ganz gut. Betont gleichgültig stand er Rede und Antwort, als in Singapur die anderen jubelten. "Ich wusste, dass dieser Tag kommen wird, deshalb ist es okay", sagte Verstappen. Es war ja nicht bloß die Serie von zehn Siegen, die endete: 15 Rennen in Folge hatte der Red-Bull-Pilot auf dem Podest gestanden. Platz fünf war nun ein Absturz, der sogar noch glimpflich endete, es hätte noch weniger herausspringen können - das Pech der Konkurrenz spülte Verstappen am Ende noch nach vorn. Er nutzte dann die Gelegenheit, um auf die Arbeit hinter dem Erfolg hinzuweisen. "Die Leute denken, dass das alles einfach für uns ist, aber das ist es nicht", sagte er, "alles muss perfekt sein." In Singapur war nichts perfekt, der sonst so starke RB19 machte den Fahrern das Leben schwer. Und alles fragte sich, was das jetzt für die kommenden Rennen bedeutet.

DIE VERFOLGER: Bei Ferrari, Mercedes und den anderen hatte man darauf eine ziemlich klare Antwort. "Nicht viel", sagte Sainz. Schon beim nächsten Rennen in Suzuka erwarten sie alle Red Bull wieder ganz vorne. Die Leistung der Verfolger war in Singapur dennoch beachtlich. "Wir haben in diesem Jahr wahrscheinlich eine einzige Siegchance, und das Team hat sie ergriffen", sagte Sainz. Auch Mercedes war auf der Höhe, und Lando Norris im McLaren nahm am Ende ebenfalls am Mehrkampf um den Sieg teil. Es war eine Erinnerung daran, wie die Formel 1 ohne ein alles erdrückendes Team aussehen könnte.

SINGAPUR: Dieses Team gibt es aber, und daher musste mal wieder Singapur helfen. "Es war schon immer eine komische Strecke", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Wir hatten in unseren dominanten Jahren auch Probleme hier." Denn Singapur ist anders, die engen Kurven und recht langen Geraden, die Start-Stopp-Charakteristik, die vielen Bodenwellen auf der Straße. Normalerweise gewinnt das beste Allrounder-Auto die WM - und sehr oft funktioniert dieses Auto fast überall, nur eben nicht in Singapur.

SPRUCH DES WOCHENENDES: "An so einem Tag träume ich ein bisschen davon, wie die Formel 1 sein könnte, wenn wir näher an Red Bull herankämen. Aber die Wahrheit ist: Sie haben einfach das beste Auto gebaut." (Carlos Sainz will nicht zu lange träumen.)