Sophia Flörsch: "In meinem rechten Fuß kribbelt es immer, um schnell zu fahren"
- Wings for Life World Run: Sophia Flörsch und Kristina Vogel im Catcher Car
- Sophia Flörsch muss im Catcher Car die Läufer und Läuferinnen einholen
- Flörsch: "Wenn ich 2023 kein Rennen habe, bin ich als Läuferin dabei"
Sophia Flörsch ist Deutschlands bekannteste Rennfahrerin. Ihr großer Traum ist es, irgendwann einmal in der Formel 1 zu starten. 2018 hatte Flörsch einen schweren Rennunfall in Macau, den sie mit viel Glück überlebte. Sports Illustrated spricht mit ihr über den Crash, ihre Verletzungen und ihren anstehenden Einsatz beim Wings for Life World Run am 8. Mai 2022 in München, wo sie zusammen mit Kristina Vogel das Catcher Car fahren wird.
Sports Illustrated: Vom Rennauto ins Catcher Car beim Wings for Life World Run. Wie kam’s dazu?
Sophia Flörsch: Seit zwei Jahren bin ich Botschafterin für Wings for Life. Es gab noch keine Gelegenheit selbst mitzulaufen, aber ich habe den World Run immer verfolgt und die vielen tollen Bilder und Storys bei Instagram angeschaut. Als ich 16 Jahre alt war wurde ich schon einmal gefragt, ob ich das Cather Car fahre. Da war ich allerdings noch ohne Führerschein, also ging es leider nicht. Umso mehr freue ich mich jetzt, dass es endlich klappt. Ich bin ein Münchner Mädel, deshalb ist es toll, dass ich hier in München meinen Beitrag für diese gute Sache leisten kann. Zusammen mit Kristina Vogel auf dem Beifahrersitz wird das sicherlich klasse.
Sports Illustrated: Das Catcher Car startet mit 14 km/h und erreicht am Ende 34 km/h. Welche Herausforderung steckt für Sie dahinter, das Gaspedal nicht voll durchzudrücken?
Flörsch: Bei meinen Rennen fahre ich immer so schnell wie möglich. Nun geht es am 8. Mai mehr darum, langsam und konstant zu fahren. Meine Geschwindigkeit wird streng überwacht, dass ich keinen Fehler mache. Wahrscheinlich wird das Rennen lang werden und wir sitzen fünf, sechs Stunden im Auto. Ich freue mich darauf und hoffe, dass das Wetter passt. Vielleicht werde ich vor dem Wings for Life World Run noch extra einmal üben, langsam und gleichmäßig zu fahren. Es wird sicher alles perfekt klappen.
Sports Illustrated: Haben Sie Angst, dass es im Fuß kribbelt, weil Sie es gewohnt sind schneller zu fahren?
Flörsch: Mein rechter Fuß kribbelt immer, um schnell zu fahren. Beim Wings for Life World Run geht es allerdings um die gute Sache. Dafür nehme ich mich gerne zurück und werde mal nicht ganz so kräftig aufs Gas drücken.
Sports Illustrated: Welche Bedeutung hat der Wings for Live World Run?
Flörsch: Der Event kombiniert Training, Wettbewerb, Fun und Spendenaufruf in einem. Was für eine großartige Idee und toller Spirit! Das Geld, was für den guten Zweck gesammelt wird, die überragende Atmosphäre und die Menschen, die sich zum Laufen treffen, das ist wirklich der Hammer. Die Summe, die im vergangenen Jahr gesammelt wurde, war sehr hoch. Diesen Rekord wollen alle Teilnehmer in diesem Jahr noch einmal übertreffen. There is no limit. Ich hoffe, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann. Dieses Jahr ist mein Part im Catcher Car. Wenn nächstes Jahr kein Autorennen ansteht, dann bin ich 2023 als Läuferin dabei.
Sports Illustrated: 2018 hatten Sie einen schweren Unfall in Macau und haben sich den Halswirbel gebrochen. Spüren Sie noch etwas von dieser Verletzung?
Flörsch: Bei diesem Unfall hatte ich tatsächlich sehr viel Glück und habe keine Beeinträchtigungen mehr. 2018 waren viele Schutzengel für mich unterwegs, denn so ein Unfall kann ganz anders ausgehen. Ich hatte einen 3-fachen Wirbelsäulenbruch auf Höhe C7. Ein Wirbelstück quetschte mein Rückenmark. Dieses Knochenstück musste entfernt werden, die Wirbel wurden mit Hüftknochenstücke rekonstruiert. Zu diesem Zeitpunkt wusste keiner, ob die Operation ohne Komplikationen verläuft. Die Ärzte in Macau haben einen tollen Job gemacht, die Operation, Genesung und Reha verliefen optimal.
Sports Illustrated: Wann wussten Sie, dass Sie wieder Rennen fahren werden?
Flörsch: Der Unfall war an einem Sonntag und ich wurde am Montag operiert. Die Ärzte und mein Vater haben mir damals nicht gesagt, dass mein Rückenmark verletzt war. Das wusste ich vor der Operation nicht. Ich denke auch, dass ich es gar nicht verstanden hätte, weil ich mich vorher nie mit dem Thema Rückenmark auseinandergesetzt habe. Mit 17 Jahren glaubt man noch, dass man unzerstörbar ist. So jung denkt man über Gesundheit nicht wirklich viel nach. Erst ein paar Tage nach der Operation realisierte ist, dass als alles wieder gut wurde und wie viel Glück ich eigentlich hatte. In diesem Moment wurde mir klar, wie wichtig und wertvoll Gesundheit. Ohne Einschränkungen alles machen zu können ist wirklich Glück und nicht selbstverständlich. Das Leben sehe ich seit dem Crash mit anderen Augen.
Sports Illustrated: Wie lautete damals die Prognose der Ärzte?
Flörsch: Nach der Operation war medizinisch relativ schnell klar, dass ich weiter Rennen fahren kann. Laut meinen Ärzten werde es zwischen drei Monaten und einem Jahr dauern, wieder 100 Prozent fit zu werden. Der eigene Körper und Trainingswille bestimmen wie lange es letztendlich braucht wieder voll einsatzfähig zu sein. Bei mir lief es echt perfekt. Ziemlich genau 100 Tage nach dem Crash saß ich in Monza wieder in einem Formel 3 Rennwagen.
Sports Illustrated: Träumen Sie davon, irgendwann in einem Formel-1-Auto zu fahren?
Flörsch: Den Traum von der Formel 1 hatte ich schon seit dem ich ein kleines Mädchen war. Für mich ist es kein Traum. Es ist ein ernstes, klar definiertes Ziel. Leider hat der Weg in die Formel 1 nicht nur mit Talent zu tun, sondern viel mehr mit Kapital und Glück. Kapital kann das F1 Cockpit kaufen, damit der einfachste Weg, denn weder Talent noch Glück sind erforderlich. Mit Talent braucht es auch Glück, weil man die richtigen Leute kennen und zum richtigen Zeitpunkt treffen muss, um faire Chancen nach oben zu bekommen. Ich arbeite sehr hart, um es in die Formel 1 zu schaffen. Mal schauen, ob es in drei, vier Jahren klappt.
Sports Illustrated: Wie groß ist der Wunsch, als erste Frau WM-Punkte in der Formel 1 zu gewinnen?
Flörsch: Natürlich riesig groß. Für mich wäre es mega, endlich mit einem F1-Teamkollegen auf Augenhöhe verglichen zu werden. Ihr könnte mir jeden F1-Fahrer daneben setzen. Ich würde so hart pushen, nur um ihn zu schlagen. Genau für diese faire Chance eines Vergleichs kämpfe ich weiter. Daran will ich gemessen werden.
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