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Esports-Radweltmeister Osborne: "Man muss ein bisschen auf Schmerzen stehen"

Jason Osborne ist amtierender Weltmeister beim Esports-Radrennen. Am 26. Februar will der 27-Jährige seinen Titel verteidigen, der eigentlich vom Rudern kommt. Im Interview mit Sports Illustrated verrät Osborne, wie er sich seinen zweiten WM-Titel sichern möchte.

Jason Osborne
Credit: Zwift
  • ​​​​​​Jason Osborne will Titel bei UCI eSports-WM verteidigen
  • Australier Jay Vine ist größter Konkurrent von Jason Osborne
  • Jason Osborne: "Bin noch besser als vor zwei Jahren"

Sports Illustrated: Was ist die Faszination an Esports-Radrennen?

Jason Osborne: Das ist eine neue Sportart, die zum Radsport hinzugekommen ist und sich mittlerweile etabliert hat. Es gibt Profi-Ligen und eine Weltmeisterschaft. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich das alles entwickelt hat.

Sports Illustrated: Sie kommen vom Rudern. Hand aufs Herz. Muss man sich beim Esports-Radfahren noch mehr quälen?

Osborne: Beim Rudern muss man sich sechs Minuten richtig wehtun. Daher kommt vielleicht auch meine Neigung oder die Stärke, sich beim Esports-Rennen zu quälen. Das ist beim Radfahren oft nicht anders als beim Rudern. Aber dennoch muss ich sagen, dass ein Ruderrennen mit das Härteste ist, was ein menschlicher Körper überstehen muss. Rudern tut richtig weh, während die Esports-Rennen auf dem Rad eher ein Auf und Ab sind – und das über einen längeren Zeitraum.

Sports Illustrated: Sind Sie ein Sportler, der auf Schmerzen steht?

Osborne: Klar, man muss auch ein bisschen auf Schmerzen stehen. Ohne Schmerzen geht’s halt nicht. Man muss schon eine gewisse Leidenschaft haben, sich weh zu tun. Sonst überlebt man nicht lange in diesem Geschäft.

Sports Illustrated: 2019 wurden Sie Weltmeister im Ergorudern. War das der Startschuss für die Faszination Esports?

Osborne: Ich fahre seit 2016 auf den E-Cycling-Plattformen. Am Beginn waren das noch keine Rennen. Da habe ich das zum Spaß gemacht. Aber an Ruder-Ergometer-Meisterschaften habe ich schon vorher teilgenommen. Das war zum Anfang ziemlich einfach mit einem einfachen TV-Bildschirm, dass man wusste, wo man liegt. Heute ist das mit Zwift beim Radfahren natürlich alles viel moderner.

Sports Illustrated: 2017 gründeten Sie mit einigen Ruderkollegen in Mainz das Radteam Pro Cycling. Wie kam es dazu?

Osborne: Wir hatten in unserer Trainingsgruppe damals viele ambitionierte Radfahrer. Dann hat es sich ergeben, dass wir unser eigenes Team gründen. Leider haben viele ihre Ruderkarriere bereits beendet und damit ist nicht mehr viel los mit unserem Team.

Sports Illustrated: Bei den Olympischen Spielen in Tokio haben Sie Silber im Leichtgewichts-Doppelzweier geholt. Bleiben Sie dem Rudern treu?

Osborne: Auf jeden Fall. Ich durfte bei Quick-Step als Stagiaire fahren. Das hat mir gut gefallen, aber leider hat sich daraus nichts ergeben. Das ist natürlich schade. Aber man weiß nicht, was die Zukunft bringt. Es kann sein, dass ich zwischen dem Rudern und dem Radsport hin- und herspringen werde. Neben dem Esports-Radrennen liegt mein Fokus auf den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Ich hoffe, dass Jonathan Rommelmann wieder im Boot ist und wir Gold im Rudern gewinnen.

Jason Osborne und Jonathan Rommelmann 2021 in Tokio.
Jason Osborne und Jonathan Rommelmann 2021 in Tokio.
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Gibt es Parallelen zwischen dem Rudern und dem Radsport?

Osborne: Radfahren ist eigentlich eine reine Ausdauer-Sportart, außer bei den Bahnrad-Sprints. Beim Rudern kommt neben der Ausdauer noch eine spezielle Kraftkomponente hinzu. Die sollte man nicht vernachlässigen. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Wenn man zu viel Rad fährt und zu wenig rudert, fehlen einem die Körner beim Rudern. Deshalb muss man einen gesunden Mix aus beiden Sportarten finden, dann ergänzt sich das perfekt.

Sports Illustrated: Sie sind auch ein erfolgreicher Radfahrer auf der Straße. Wäre eine Teilnahme bei der Tour de France Ihr Traum?

Osborne: Ich kann mir durchaus vorstellen, wenn man mir die Chance gibt mich zu entwickeln, dass ich Radrennfahrer auf der Straße werde. Ich muss sagen, dass ich mich in den bisherigen Rennen nicht schlecht angestellt habe. Das Zeitfahren liegt mir sehr gut. Ich möchte dieses Jahr gerne an der Deutschen Meisterschaft im Zeitfahren teilnehmen und versuchen vorne mitzufahren. Die Top 3 sind mein Ziel. Ich bin ein spritziger Fahrer, was den anaeroben Bereich betrifft. Diese Stärke habe ich beim Rudern entwickelt. Wenn ich bei der Tour de France dabei sein würde, wäre ich sicher auch mal in der Ausreißergruppe dabei. Die Berge würde ich auch packen.

Sports Illustrated: Im November 2021 triumphierten Sie beim Taiwan Cup. Haben Sie Ihre Topform bis zum WM-Start konserviert?

Osborne: Ich würde sogar sagen, dass ich ein paar Schritte nach vorne gemacht habe. Bei diesem Rennen habe ich mich gerade im Aufbau befunden. Deshalb war ich überrascht, was ich schon abliefern konnte. Mittlerweile komme ich beim Treten in der Spitzenbelastung über die Zeitspanne von fünf Minuten auf 600 Watt. Alles was zeitlich darunter ist, ist noch ein bisschen mehr.

Sports Illustrated: Sie gehen am 26. Februar bei der UCI Esports-WM als Titelverteidiger an den Start. Wie hoch ist der Druck?

Osborne: Ich versuche mir den Druck ein bisschen zu nehmen. Die Konkurrenz schläft nicht. Aber für die anderen wird es sicherlich nicht leicht an mir vorbeizuziehen. Nach meinem WM-Sieg 2020 hat mich jeder auf dem Schirm, aber das macht mir nichts aus.

Sports Illustrated: Die virtuelle Strecke bildet die Knickerbocker-Route in New York nach. Es geht über zwei Runden mit jeweils 22,5 km und einen 1,4 km langen Schlussanstieg. Liegt Ihnen diese Strecke?

Osborne: Ich denke, dass mir der Kurs sehr gut liegt. Beim letzten Anstieg kommt es auf die zwei, drei Minuten an, die meine absolute Stärke sind. Ich habe auch ein starkes Team. Das sind alles Fahrer, die regelmäßig an Zwift-Rennen teilnehmen. Deswegen denke ich, dass ich fast noch einen Tick besser bin als vor zwei Jahren.

Sports Illustrated: Welche Rolle spielt die Rennstrategie?

Osborne: Mein Ziel ist es, dass ich so frisch wie möglich an den letzten Anstieg komme. Das ist die Hauptaufgabe, dass man auf den Kilometern zuvor so wenig Kraft wie möglich liegen lässt. Innerhalb des Teams haben wir uns schon einen Plan gemacht.

Sports Illustrated: Was sind PowerUps und wie nutzt man diese?

Osborne: Es gibt ein paar virtuelle Booster fürs Windschattenfahren. Außerdem sorgt ein PowerUp dafür, dass man am Berg für ein paar Sekunden leichter wird. Man kann sich PowerUps auch aufheben, in dem man sie später verwendet.

Sports Illustrated: Beim E-Racing treiben die Fahrer auf Rollentrainern virtuelle Avatare an. Kann man sich die Avatare selbst aussuchen?

Osborne: Nachdem ich Weltmeister geworden bin, habe ich ein virtuelles WM-Trikot bekommen. Das darf ich bis zum WM-Rennen tragen. Ansonsten können sich die Fahrer ihre Avatare selber zusammenstellen.

Sports Illustrated: Alle Radfahrer strampeln bei der WM auf einem genormter Wahoo Kickr V5 Smarttrainer. Ist eine Manipulation der Geräte ausgeschlossen?

Osborne: Alle Fahrräder sind standardisiert. Natürlich kann man Manipulation nie ganz ausschließen. Aber die Smarttrainer werden nach dem WM-Rennen wieder zurückgeschickt. Da kann Zwift sehen, ob alles in Ordnung ist. Außerdem würde es auffallen, wenn irgendwelche extrem krassen Watt-Werte gefahren werden.

Sports Illustrated: Wer ist Ihr größter Konkurrent um den WM-Titel?

Osborne: Das WM-Rennen in diesem Jahr ist sehr stark besetzt, weil viele reine Zwift-Fahrer dabei sind. Der Australier Jay Vine, Gewinner der Zwift Academy 2020, zählt sicherlich zu den stärksten Konkurrenten im Kampf um den Titel.

Sports Illustrated: Haben Sie sonst noch Hobbys außer Rudern und Radfahren?

Osborne: Ich fotografiere gerne und liebe Kaffee. Ich habe fünf, sechs Maschinen zu Hause stehen und eine Kaffeemaschine für meine Reisen. Radsport und Kaffee gehören einfach zusammen. Wie manche Leute einmal im Monat ins Sterne-Restaurant zum Essen gehen, liebe ich meinen Kaffee. Am liebsten trinke ich Espresso ohne Zucker, um den vollen Kaffeegeschmack zu haben.

Sports Illustrated: Wenn Sie wieder Weltmeister werden, stoßen Sie aber nicht mit Kaffee an?

Osborne: (lacht…) Nein, dann gibt’s Alkohol.        

Jason Osborne
Jason Osborne
Credit: Imago
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