Leichtathletik

Klosterhalfen über die Faszination des Laufens: "Das Gefühl, sich fallen zu lassen"

Konstanze Klosterhalfen ist eine der besten deutschen Läuferinnen. Die 25-Jährige hält die Landesrekorde über 3000, 5000 und 10.000 Meter. Bei Sports Illustrated spricht sie über ihre Trainingsroutinen sowie die Faszination, die von ihrem Sport ausgeht.

Konstanze Klosterhalfen
Credit: Imago
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Inhalt

Schnell, ausdauernd und erfolgreich. Konstanze Klosterhalfen ist eine der besten deutschen Mittel- und Langstreckenläuferinnen in Deutschland sowie zweifache Olympia-Teilnehmerin. Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2019 in Doha gewann sie Bronze über 5000 Meter. Sports Illustrated hat mit ihr übers Laufen, ihre Trainingspläne und die Ernährung gesprochen.

Sports Illustrated: Laufen ist ja – nicht erst seit der Corona-Pandemie – die beliebteste Freizeitsportart. Sie machen das beruflich, können Sie dabei trotzdem manchmal den Kopf abschalten, auf andere Gedanken kommen?

Konstanze KlosterhalfenJa, das tut immer gut, ist aber eigentlich nicht der Grund, weshalb ich laufen gehe, sondern weil es auf meinem Trainingsplan steht. Danach fühle ich mich aber auch besser, freier, dieses Gefühl kenne ich. Besonders, wenn ich draußen unterwegs bin und bei lockeren Läufen in diesen Flow komme. Oder bei sehr harten Einheiten, wenn ich mich komplett fokussiere, um die Leistung zu bringen. Das bläst einem schon den Kopf durch.

Sports Illustrated: Laufen Sie mit Musik?

Klosterhalfen: Im Freien nicht. Da möchte ich die Bewegung spüren und wahrnehmen, was um mich herum passiert, besonders wenn es eine schö­ne Strecke ist. Aber ich laufe auch mal ganz gern auf dem Laufband und dann gelegent­lich mit Musik. Aber öfters eher ohne.

Sports Illustrated: Laufband, Bahn oder draußen – was ist Ihnen am liebsten?

Klosterhalfen: Am schönsten ist ein natürlicher Untergrund, wie etwa ein Feldweg. Ich komme vom Dorf und fühle mich auf solchen Wegen wohl. Ge­rade hier an der kalifornischen Küste gibt es wahnsinnig schöne Strecken, da vergisst man schon mal die Zeit. Manchmal ist aber auch das Laufband hilfreich, um total im Fokus zu sein und einfach die Schritte abzuspulen.

Sports Illustrated: Läufer sind ja Einzelsportler – trainieren Sie auch lieber alleine? Oder in der Gruppe?

Klosterhalfen: Es macht immer Spaß, in der Gruppe zu laufen. Vor allem bei Intervallen ist es toll, wenn man sich gegenseitig pushen kann. Manchmal ist es wiederum schön, nach Gefühl für sich alleine zu laufen und im eigenen Flow zu sein. Das genieße ich auch.

Sports Illustrated: Laufen Sie lieber morgens oder abends?

Klosterhalfen: In der trainingsintensiven Zeit ist es sowieso das Erste, was ich mache: aufstehen, kurz was frühstücken, dann gehe ich los zum Training. Besonders die harten Einheiten mache ich lieber morgens, da ist die Konzentration am höchsten, man hat es dann geschafft und den ganzen Tag noch vor sich. Deshalb lieber morgens. Aber klar, wenn mehrere Einheiten am Tag anstehen, gehe ich auch noch mal abends raus.

Konstanze Klosterhalfen PR
Selten erwischt man Klosterhalfen, wie hier, sitzend. Die 25-Jährige sagt, wenn sie eine Weile nicht laufe, "kann ich schon mal ein bisschen ungehalten sein"
Credit: PR
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Sports Illustrated: Kostet es Sie Überwindung, auch dann rauszugehen, wenn das Wetter mal schlecht ist?

Klosterhalfen: Kälte und Schnee sind meine größte Herausforderung, weil ich sehr schnell friere. Aber als Leistungssportlerin habe ich meistens das Glück, dass ich dort trainiere, wo es wärmer ist – und ich der Kälte so entfliehen kann. Und sonst bleibt mir immer noch das Laufband als Alternative. Oder mich entsprechend warm anzuziehen ...

Sports Illustrated: Wenn Sie verletzungsbedingt nicht laufen können, kommen Sie damit gut klar?

Klosterhalfen: Nein, das klappt weniger gut. Und das merkt man mir auch an. Meine Familie kommt mit mir auch nicht ganz so gut zurecht, wenn ich eine Weile nicht laufe, in solch einer Phase kann ich schon mal ein bisschen ungehalten sein (lacht). Ein, zwei Tage sind okay, das geht noch. Länger lieber nicht. Laufen ist einfach das, was ich am liebsten mache – und es lässt sich durch nichts ersetzen.

Sports Illustrated: Sie haben ja einen klaren Trainingsplan. Kommt es trotzdem mal vor, dass Sie einfach rausgehen und loslaufen?

Klosterhalfen: Nein, eigentlich nicht, das ist schon strukturiert, ich weiß, was ich machen muss und wie viele Kilometer es in der Woche sein sollen. Was ich aber tue: Ich laufe selten mit GPS, außer bei längeren Läufen. Ich bin einfach für beispielsweise 50 bis 60 Minuten unterwegs, je nachdem wie ich mich fühle. Da achte ich nicht auf Kilometer oder die Pace, sondern orientiere mich an meinem Gefühl.

Sports Illustrated: Dank Smartphones und -watches ist das Laufen mittlerweile ein hoch technisierter Sport. Daten wie Puls und Schrittfrequenz: Sind das Dinge, die Sie beachten, mit denen Sie sich auseinandersetzen?

Klosterhalfen: Damit habe ich gar nicht so viel zu tun. Ich möchte einfach nur laufen. Und das am liebsten so, wie ich mich fühle, das war schon immer so bei mir. Sicherlich sind solche Daten und Werte dennoch wichtig. Ich absolviere regelmäßig Laktattests und ermittle auf dem Laufband die Leistungsfähigkeit. Das ist sicher auch hilfreich, aber im Trainingsalltag spielt das für mich keine allzu große Rolle. Ich überlasse es lieber den Wissenschaftlern und Trainern, sich damit zu beschäftigen.

Sports Illustrated: Welche Rolle spielt das Thema Essen?

Klosterhalfen: Im Ausdauersport geht es vor allem darum, den Körper komplett und ausgewogen zu versorgen. Man muss sich nicht viele Gedanken machen, ob man zu viel isst, wenn man mehrmals am Tag zum Laufen geht. Vor dem Laufen gibt es meistens eine Kleinigkeit, um genug Energie zu haben. Danach Proteine, um die Muskeln zu versorgen, aber das variiert von Einheit zu Einheit. Bei Tempoeinheiten sind Kohlenhydrate wichtig, ein ordentliches Frühstück. Vor einem lockeren Dauerlauf reicht auch mal nur was Kleines.

Sports Illustrated: Was macht für Sie die Faszination des Laufens aus?

Klosterhalfen: Es ist das Gefühl, wenn es einem gelingt, sich fallen zu lassen, frei zu laufen, seinen Körper zu spüren, das Laufen zu genießen. Egal wie schnell oder langsam man läuft, ob langer Dauerlauf oder Tempoeinheit. Das gibt mir unheimlich viel, und jeder Läufer kann dieses Gefühl suchen, egal auf welchem Niveau. Man muss nur die Schuhe anziehen und loslaufen.


Konstanze Klosterhalfen (25)  stammt aus der Nähe von Bonn, trainiert aber mittlerweile in Portland im US-Bundesstaat Oregon. Sie ist Deutschlands Rekordhalterin über 3.000, 5.000 und 10.000 Meter und nahm an zwei Olympischen Spielen teil. In diesem Sommer stehen gleich zwei Heimspiele für Klosterhalfen an: die Leichtathletik-WM in Eugene, Oregon vom 15. bis 24. Juli und die European Championships in München (11. bis 21. August), in deren Rahmen die Leichtathletik-EM stattfindet.

Mittel- und Langstreckenläuferin Konstanze Klosterhalfen
Mittel- und Langstreckenläuferin Konstanze Klosterhalfen
Credit: Getty Images
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