Leichtathletik

Corinna Schwab: "Manchmal kann ich nicht mehr sitzen, weil das Training so hart war"

Corinna Schwab, Deutschlands beste 400-Meter-Läuferin, gibt immer mehr als 100 Prozent, um noch schneller zu werden. Trotz Fußbruch kurz nach ihrem Umzug lässt sich die 22-Jährige nicht unterkriegen, wie sie Sports Illustrated im Interview verrät.

Corinna Schwab
Credit: New Balance

Sports Illustrated: Wie haben Sie mit dem Sport angefangen?

Corinna Schwab: Ich komme aus einem kleinen Dorf bei Amberg in Bayern. Das liegt zwischen Nürnberg und Regensburg. Als Kind war ich immer schon sehr aktiv. Ich habe ganz am Anfang mit meinem Vater und mit meinem Bruder Fußball gespielt. Mein Papa war in unserem Dorfverein Trainer. Da habe ich mitgemacht und hatte Spaß.

Sports Illustrated: Wie sind Sie zur Leichtathletik gekommen?

Schwab: Es gab dann irgendwann einen Punkt, an dem ich Leichtathletik machen wollte. Dann bin ich zum Leichtathletik-Verein in der Stadt gegangen. Da wurde mir am Anfang gesagt, dass ich noch zu klein bin. Mir wurde gesagt, wenn ich groß bin, dann soll ich mal wiederkommen. Aber ich wollte es unbedingt und bin immer wieder hingegangen. Dann haben sie irgendwann gemerkt, dass sie mich nicht mehr wegschicken können.

Sports Illustrated: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie den Sport professionell machen wollen?

Schwab: Für mich war schon immer klar, dass ich die Leichtathletik einmal professionell betreiben möchte. Ich war immer schon sprintstark. Nachdem ich mich über die 400-m-Hürden ausprobiert habe, stand danach fest, dass ich gerne über 400 Meter laufen möchte. Aus diesem Grund habe ich mich umgeschaut, wo ich in Deutschland am besten trainieren kann. Da habe ich Jörg Möckel vom LAC Erdgas Chemnitz kennengelernt, der mich jetzt trainiert. Das hat sofort gepasst zwischen uns und ich habe den Schritt nach Chemnitz gewagt.

Sports Illustrated: Der Start in Chemnitz war aber nicht optimal.

Schwab: Eine Woche nachdem ich in Chemnitz war, habe ich mir den Mittelfuß gebrochen. Das war natürlich ein Rückschlag. Ich war verletzt, lebte in einer neuen Stadt und kannte mich nicht aus. Ich bin auf Krücken mit einem gebrochenen Fuß herumgelaufen. Das war keine leichte Zeit. Man will ganz nach oben und erlebt dann so einen Rückschlag. Aber ich habe die Herausforderung angenommen und bin froh, dass ich alle Probleme gelöst habe. Die Saison danach war zwar eine Katastrophe. Ich bin aus dem Perspektivkader geflogen und habe von der Sporthilfe keine Förderung mehr bekommen, aber mein Coach hat immer an mich geglaubt. Wir haben noch einmal alles hinterfragt und ab 2020 mein Training optimiert. Diesen Weg gehen wir Schritt für Schritt jeden Tag weiter. Jetzt beginnt sich die harte Arbeit auszuzahlen.

Sports Illustrated: Woher kommt dieser Ehrgeiz und die Lust sich zu quälen?

Schwab: In meiner Familie war Leistungssport nie ein Thema. Dieser Ehrgeiz steckt in mir. Ich möchte gerne Grenzen verschieben und ich will wissen, zu was ich im Sport in der Lage bin. Ich sehe, was die 400-m-Läuferinnen international rennen und ich will probieren, wie schnell ich als Deutsche ohne Doping laufen kann. Was ist möglich? Das versuche ich jeden Tag herauszufinden. Letzte Saison wollte ich die 52-Sekunden-Marke knacken. Dieses Jahr sind es die 51 Sekunden. Ich hasse es zu verlieren. Deswegen gebe ich alles für meinen Sport.

Sports Illustrated: Wie sieht Ihr Trainingsprogramm aus?

Schwab: Ich trainiere einmal am Tag, indem ich zwei Einheiten zusammenlege. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ich fünf Stunden in der Halle oder draußen bin. Wenn ich viele Dinge auf meinem Trainingsplan habe, kann das sehr lange dauern. Die größte Rolle spielen dabei der Speed und die Schnellkraft. Ich gehe dabei fast immer ins Laktat. Mir tut eigentlich immer fast alles weh. Ich kann manchmal nicht liegen oder sitzen, weil das Training so hart war.

Corinna Schwab
Corinna Schwab
Credit: Imago
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Sports Illustrated: Sie sind in Ostrava 51,68 Sekunden in der Halle gelaufen. Wie fühlt es sich an, wenn Sie immer schneller werden?

Schwab: Die Zeiten werden besser, aber man muss den Weg weiter Schritt für Schritt verfolgen. Man kann nicht erwarten, dass man in der nächsten Woche eine Sekunde schneller läuft. Jede Zehntelsekunde, jede Hundertstelsekunde muss man sich hart erarbeiten. Aber jetzt bin ich auf einmal vorne dabei und kann einem Rennen meinen Stempel aufdrücken. Das ist ein cooles Gefühl.

Sports Illustrated: Die 400 Meter sind die längste Sprintstrecke in der Leichtathletik. Spielt Taktik über diese Distanz eine Rolle?

Schwab: Ich gebe in jedem Rennen sofort Vollgas. Ich bin ein absoluter Wettkampftyp. Aber ich muss weiter Erfahrungen sammeln, das habe ich beim Hallenrennen in Karlsruhe gemerkt. Da habe ich ein paar taktische Fehler gemacht, dann wird es in der Halle schwierig. Aber ich bin jung und hole mir diese Erfahrung von Rennen zu Rennen. Ich bin ein Sprintertyp. Deswegen gilt bei mir ansonsten die Devise "Feuer frei".

Sports Illustrated: Bei den Frauen sind die 50 Sekunden eine Art Schallmauer über die 400 Meter. Können Sie diese Marke knacken?

Schwab: Das ist schwer zu sagen. Unter 50 Sekunden zu laufen, das ist natürlich eine Hausnummer. Das ist noch einmal eine andere Welt, wo sich die absoluten Topathletinnen bewegen. Aber man sieht immer wieder, dass es möglich ist und es europäische Athletinnen schaffen können. Man muss herausfinden, wie es geht. Da sind wir auf dem besten Weg.Sports Illustrated: Dieses Jahr finden in München die European Championships statt. Haben Sie eine Medaillenchance über 400 Meter?

Schwab: Dieser Wettkampf ist etwas Besonderes. Ich war 2018 in Berlin dabei. Das war ein tolles Erlebnis, als Jugendliche dabei zu sein. Jetzt kann ich ins Wettkampfgeschehen eingreifen. Ich freue mich auf die Spiele im Olympiapark. So eine Heim-EM hat viel Feuer und viele Emotionen drin. Eine Medaille zu holen, dieses Ziel ist ambitioniert. Aber ich werde mir keine Grenzen setzen.

Sports Illustrated: Wie kommen Sie als Leichtathletin finanziell um die Runden?

Schwab: Man verdient als Leichtathletin kein großes Geld. Ich muss mir alles hart erarbeiten. Es ist nicht so, dass man entspannt zu Hause sitzt und das ganze Geld aufs Konto fließt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass ich bereits jetzt für mein Leben nach dem Sport vorsorge und Wirtschaftswissenschaft studiere. Aber ich habe tolle private Sponsoren, die wirklich Gold wert sind. Und jetzt habe ich mit New Balance einen coolen Ausrüster bekommen.

Sports Illustrated: Sind Sie wie viele andere Sportler bei Social Media aktiv?

Schwab: In unserer Gesellschaft kommt man ohne Social Media nicht mehr aus. Aber ich bin nicht der Typ dafür, dass ich mein komplettes Leben bei Social Media preisgeben möchte. Es macht schon Spaß, aber ich setze mich deswegen nicht unter Druck. Ich will mir auch nichts aufzwingen lassen und keine Postings absetzen, die ich nicht möchte. Ich denke, nur wenn man sich wohl fühlt, rennt man auch schnell. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

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