Trotz Verletzungsschicksal: Warum Badstuber den Fußball immer noch liebt
- FC Bayern: Holger Badstuber in Karriere immer wieder schwer verletzt
- Holger Badstuber: Seine Liebe zum Fußball bleibt für immer
- Badstuber: "Möchte dem Fußball etwas zurückgeben"
Wir alle kennen diese Liebesdramen nach Hollywood-Machart – großes Kino, ganz große Emotionen. Und wieder und wieder wird dem Protagonisten (oder der Protagonistin) von der ganz großen Liebe das Herz gebrochen. Obwohl man sich im Publikum oft schon fragt, warum der Held der Geschichte dieser Liebe noch hinterherläuft, warum er nicht aufgibt, scheint er selbst es doch immer ganz genau zu wissen: Es geht um alles! Um die eine, die ganz große Liebe.
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Der Held dieser Geschichte heißt Holger Badstuber. Auch wenn er sich selbst wohl nie als Held bezeichnen würde, war die Art und Weise, wie er am Fußball festhielt – auch wenn der ihm immer wieder großen Verdruss bereitete –, durchaus heldenhaft. "Den Fußball an sich", sagt Badstuber, "werde ich immer lieben, habe ihn auch immer geliebt."
Gut drei weitgehend unbeschwerte, verletzungsfreie Jahre genügten Holger Badstuber ab 2009, um sich in die Herzen Fußball-Deutschlands zu spielen und das Innenverteidiger-Spiel zu revolutionieren. Denn Badstuber war keiner vom Typ beinharter Brecher, wie sie bis dato in der Bayern-Verteidigung in Person von Daniel Van Buyten oder Lúcio spielten. Der Linksfuß aus dem Oberschwäbischen – das mag auch daran liegen, dass ihn sein Jugendtrainer Hermann Gerland oft als Sechser im Mittelfeld aufstellte – verband athletische Körperlichkeit mit für diese Position ungewohnter Eleganz am Ball. Hart und akkurat in seinen Tacklings, präzise und kreativ im Spiel nach vorne.
Holger Badstuber: "Ich liebe Gemeinschaftsgefühl auf Fußballfeld"
Nur 35 Minuten hingegen brauchte es im Spiel gegen den BVB am 1. Dezember 2012 bis zu jenem schicksalhaften Zweikampf, der Badstubers kometenhafte Karriere auf den Kopf stellen sollte: Es knackte hörbar, als der damals 23-Jährige im Duell mit Mario Götze im Rasen hängen blieb. Das Kreuzband im rechten Knie war gerissen. Es sollte der Beginn einer Odyssee sein. Denn dem Kreuzbandriss vom Dezember 2012 folgte eine Re-Ruptur des verletzten Bandes im Mai 2013. Bis zum Comeback im August 2014 musste Badstuber viermal unters Messer und bestritt 628 Tage lang kein Punktspiel.
Als er zurückkam, waren viele seiner Kollegen beim FC Bayern Weltstars, Triple-Sieger und Fußball-Weltmeister. Ob er je mit dem Schicksal gehadert, sich nach dem "Was wäre gewesen, wenn?" gefragt habe? "Das habe ich mir schnell abgewöhnt", sagt Badstuber. "Das sind Gedankengänge, die einem nichts bringen."
Wir treffen Holger Badstuber in einer Fußballhalle im Münchner Umland, vier Kunstrasenplätze, man spielt fünf gegen fünf plus Keeper. In der Kneipe im Vorraum läuft Europa League. Jeden Donnerstag trifft sich der mittlerweile 34-Jährige hier mit Freunden zum Fußballspielen. "Ich liebe das Gemeinschaftsgefühl auf dem Fußballfeld und möchte das auch weiter genießen."
Badstuber war prägender Teil der goldenen Generation
Für die Fußballrunde, die nach dem Gespräch ansteht, ist unter anderem Mehmet Ekici – ehemals FC Bayern, Werder Bremen, Fenerbahce Istanbul – angekündigt. Auch die Ex- Bayern-Spieler Diego Contento und Michael Tarnat oder Robert Glatzel vom HSV sind hin und wieder Teil der Runde.
Die trifft sich in der Fußballhalle ausgerechnet auf Platz 4, über dem zwei große Poster prangen: Das eine zeigt Arjen Robben und Thomas Müller beim Torjubel nach Robbens 2:1 im Champions-League-Finale 2013 – Badstuber dazu: "Das war die Krönung einer Wahnsinns-Saison, eine der dominantesten, die Bayern je gespielt hat. Teil dessen gewesen zu sein ist herausragend. Für mich war es eine absolute Ehre, mit solchen Spielern zusammengespielt zu haben. Das bleibt einfach. Ich durfte diesen Weg, der zum Triple geführt hat, mitbestreiten, habe meinen Teil dazu beigetragen. Deswegen weckt so ein Bild vor allem Gefühle und Erinnerungen an eine Hammer-Zeit." Auf dem anderen Bild stemmt Bastian Schweinsteiger den WM- Pokal in den Nachthimmel über dem Maracana-Stadion.
Badstuber war prägender Teil dieser goldenen Generation des deutschen Fußballs, spielte seit der Jugend mit Thomas Müller und Toni Kroos zusammen – und sah ihnen dann aus dem Krankenstand zu, wie sie die größten Erfolge im Weltfußball feierten. "Wenn es anders gelaufen wäre, wäre ich wohl Teil dieser Gruppe gewesen. Ich sehe mich nicht als Weltmeister, aber ich war in dieser Ära ab 2010 dabei, in der für Fußball-Deutschland etwas Neues begonnen und Deutschland auch im internationalen Fußball an Ansehen gewonnen hat, ob mit Bayern München oder der Nationalmannschaft – wir hatten wirklich tolle Mannschaften."
Ex-Bayern-Star beendet im September 2022 seine Karriere
Die Karriere des Holger Badstuber blieb auch nach dem Comeback im August 2014 ein Beispiel an Leidensfähigkeit. Dem Kreuzbandriss und der Re-Ruptur, die ihn die wertvollen Jahre 2013 und 2014 kosteten, folgte im September 2014 ein Muskelsehnenriss im linken Oberschenkel. Wieder war Badstuber über Monate raus, wieder eine Operation, wieder arbeiten am Comeback. Nach fünf Monaten war er Mitte Februar 2015 zurück im Team, spielte beim 8:0 gegen den HSV, so die "tz" damals, als "sei er nie verletzt gewesen".
Gut zwei Monate später allerdings, der nächste Rückschlag: Ein Muskel im vorderen Oberschenkel reißt. Es ist ein Sandburgenbauen, an dem mancher wohl verzweifelt wäre. Badstuber aber ist keiner, der den Kopf in den Sand steckt und in Selbstmitleid badet. Er lernte in diesen Zeiten viel über sich selbst: "In diesen Phasen ist es bedeutend, wer um dich herum ist, wer dich unterstützt, wer letztlich bei dir bleibt", sagt er. "Diese Phasen haben mir gezeigt, wie ich ticke und was mir der Fußball bedeutet. Da gibt es viele Dinge, die in einem hochkommen, die ich reflektiere. Es klingt kurios, aber ich bin dadurch ein besserer Mensch geworden." Das alles sagt Badstuber bei einer Flasche Wasser noch in der Vorraum-Kneipe. Dann geht es auf Platz 4.
Auf die letzte große Verletzung Badstubers, einen Verrenkungsbruch des linken Sprunggelenkes im Februar 2016, folgte im Frühjahr 2017 eine halbjährige Leihe an den FC Schalke 04 und anschließend eine äußerst erfolgreiche Saison 2017/18 mit dem VfB Stuttgart, an deren Ende ein 4:1-Sieg des VfB samt ehrenvoller Verabschiedung Badstubers vom FC Bayern in der Allianz Arena stand. Nach zuletzt einem halben Jahr beim FC Luzern war Badstuber seit Ende 2021 ohne Verein. Vergangenen September machte er endgültig Schluss.
Kein Drama, sondern eine bewegte Liebesgeschichte
Schluss mit der Spielerkarriere, mit der Badstuber "Freude, Leiden, Ekstase" verbindet, nicht jedoch mit dem Fußball, der "nach wie vor meine Leidenschaft ist", in dem er viel erlebt habe und "viel zurückgeben möchte". Aktuell absolviert Badstuber seine B+-Trainerlizenz, die dazu befähigt, im Juniorenbereich zu coachen. Badstuber möchte in die Fußstapfen seines Vaters Hermann treten, der einst Jugendtrainer beim VfB Stuttgart und dem SSV Ulm war und dessen Freundschaft zu Hermann Gerland entscheidend zur Laufbahn des jungen Holger beitrug. Hermann Badstuber verstarb im Frühjahr 2009, nur Wochen nach Unterzeichnung von Holgers erstem Profivertrag, mit nur 53 Jahren an Krebs.
Holger Badstuber, das merkt man im Gespräch, ist nicht der typische Ex-Fußballer, der eine Anschlussbeschäftigung sucht. Er spricht analytisch, sagt, was er denkt, macht sich keine Illusionen über das Business, in das "viele hinein wollen, weil es viel Geld zu verdienen gibt". Badstuber hat im Fußball vieles erreicht, auch das Geld dürfte ihm kein großer Anreiz mehr sein. Aus der Arbeit mit van Gaal, Heynckes oder Guardiola habe er viel herausgefiltert, "aber sollte ich Trainer werden, will ich trotzdem der Trainer sein, der authentisch ist, die beste Version meiner selbst".
Es gäbe im Fußball grundlegende Werte zu vermitteln, die wichtig für den Erfolg und die Entwicklung von Spielern seien und die Badstuber vorleben und vermitteln wolle: das Füreinandereinstehen, zum Beispiel, Disziplin, Durchhaltevermögen und Hartnäckigkeit. "Und", so Badstuber, "das Vermögen, gegen Widerstände angehen zu können."
Und wer könnte das besser vermitteln als Holger Badstuber, dessen Karriere oft als eine Art "tragische Unvollendete" beschrieben wird. Er selbst aber sah und sieht seinen Weg als Entwicklungsprozess, der ihn unter anderem jeden Donnerstag in eine Fußballhalle im Münchner Outback führt. An diesem Abend schießt Badstuber zehn Tore, seine "linke Klebe" ist so präzise wie eh und je. Holger Badstubers Beziehung zum Fußball ist kein Drama, sondern eine bewegte Liebesgeschichte.
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