Fußball-EM Frauen

DFB-Star Giulia Gwinn: "Bei uns neh­me ich immer noch sehr viele Vorurteile wahr"

Die Fußball-EM in England steht in den Startlöchern. DFB-Stürmerin Giulia Gwinn spricht mit Sports Illustrated über ihre Ziele fürs Turnier, aber auch über den langen Weg zur Gleichberechtigung des Frauenfußballs – und warum uns einige Länder etwas voraus haben.

DFB-Nationalspielerin Giulia Gwinn
Credit: Getty Images
Sports Illustrated 03/22
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Inhalt

  • DFB-Nationalspielerin Giulia Gwinn im Interview
  • Gwinn über Gleichberechtigung im Fußball: "Prozess in anderen Ländern früher und konsequenter angestoßen"
  • Gwinn über EMDen Traum vom Siegtor in Wembley hat jede von uns.

Sports Illustrated: Haben Sie schonmal in Wembley gespielt?

Giulia Gwinn: Noch nicht. Als wir mit der Nationalmannschaft 2019 dort gegen England gespielt haben, war ich verletzt und musste von zu Hause zuschauen. Deswegen wäre es umso cooler, wenn es jetzt bei der EM klappt.

Sports Illustrated: Dazu braucht es fünf erfolgreiche Spiele, erst das Finale wird im Wembley-Stadion ausgetragen. Die Vorrunde bestreitet Ihr Team in den Stadien von Brentford und Milton Keynes. Was war das bislang beste Stadionerlebnis Ihrer Karriere?

Gwinn: Ende März in der Champions League gegen Paris Saint-Germain, im Prinzenparkstadion vor 27.000 Zuschauern. Eine außergewöhnliche Stimmung für ein Frauenfußballspiel! Das kennt man so normalerweise nicht. Die Fans waren sehr laut, haben 120 Minuten lang Vollgas gegeben. Schon cool, dann auf dem Feld zu stehen.

"Wir laufen aktuell etwas hinterher"

Sports Illustrated: Gerade purzeln ständig die Zuschauerrekorde bei Frauenspielen, nur in Deutschland nicht. Da werden Länderspiele nach Chemnitz, Cottbus und Essen vergeben statt nach München, Berlin oder Dortmund.

Gwinn: Gefühlt sind volle Stadien in England und Spanien schon normaler geworden – auch in der Liga oder im Pokal. Wir laufen da aktuell etwas hinterher, weil der Prozess in anderen Ländern früher und konsequenter angestoßen wurde. Aber wir machen Schritte nach vorne. Im Champions-League-Viertelfinalhinspiel haben wir erstmals in der Allianz Arena gespielt, vor 13.000 Zuschauern. Das war ein Zeichen und unsere Leistung durchaus Werbung für eine Wiederholung.

Sports Illustrated: Wahrnehmung, Wertschätzung: die ewigen Themen des Frauenfußballs. Aber es tut sich etwas, die Präsenz in „Tages-“ und „Sportschau“ ist gestiegen, oder?

Gwinn: Ja, der Ball rollt in Sachen Sicht­barkeit endlich in die richtige Richtung. Gerade in den vergangenen ein, zwei Jahren hat sich spürbar etwas getan. Unsere Spiele werden mittlerweile auf vielen Plattformen gezeigt, was elementar wichtig ist, um den nächsten, den vielleicht ent­scheidenden Schritt zu machen. Jetzt sind wir in der Verantwor­tung, die Spiele auf dieser Büh­ne auch bestmöglich zu bestrei­ten. Wir müssen den Leuten in Deutschland jede Woche auf dem Platz etwas anbieten.

"In Barcelona hängen zum Beispiel im Camp Nou Bilder von Män­nern und Frauen"

Sports Illustrated: Was wird in Spanien, England und Frankreich besser gemacht?

Gwinn: Der Fokus liegt viel mehr auf der gemeinsamen Vermarktung mit den Männern. Da werden kaum Unterschiede gemacht. In Barcelona hängen zum Beispiel im Camp Nou Bilder von Män­nern und Frauen, da wird auch im Stadion der ganze Verein gelebt. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass dort auch die Gesellschaft womöglich toleranter und offener für neue Entwicklungen ist. Bei uns neh­me ich immer noch sehr viele Vorurteile wahr, die wir seit Jahren versuchen aus dem Weg zu räumen.

Sports Illustrated: Wenn Sie sehen, was in anderen Ländern möglich ist, kommt da der Gedanke auf, es mal der ehemaligen Teamkollegin Melanie Leupolz gleichzutun, die vor zwei Jahren zum FC Chelsea wechselte?

Gwinn: Ich musste mich mit dem The­ma tatsächlich schon beschäfti­gen, weil es vor meiner Verlän­gerung Ende 2021 konkrete Anfragen aus England gab. Für mich war aber schnell klar, dass ich meine Zukunft für die kom­menden Jahre in Deutschland sehe, weil ich mich beim FC Bayern und in der Bundesliga einfach unfassbar wohlfühle. Deswegen habe ich ja auch bis 2025 unterschrieben. Aber mit 22 Jahren etwas auszuschlie­ßen, was vielleicht mal in ein paar Jahren ist, kann und will ich auch gar nicht. Momentan habe ich große Lust, hier Teil von etwas Großem zu werden.

Sports Illustrated: In die EM startet Deutschland als Rekordsieger: Acht kontinentale Titel, von den letzten sieben gingen sechs an Schwarz-Rot-Gold. Im April verlor man gegen Serbien – wie gehen Sie ins Turnier?

"Den Traum vom Siegtor in Wembley hat jede von uns"

Gwinn: Mit Zuversicht. Wir hatten in den vergangenen Monaten viele Ausfälle und Verletzungen, nie wirklich den ganzen Kader bei­sammen. Eine optimale Vorbe­reitung Richtung Turnier sieht sicherlich anders aus. Aber viel­leicht sind wir genau dadurch auch für die Gegner so etwas wie eine Wundertüte.

Sports Illustrated: Welche Teams sehen Sie vorn?

Gwinn: Es gibt einige Mannschaften, mit denen ganz sicher zu rech­nen ist: Spanien, England, Nie­derlande, Schweden.

Sports Illustrated: Ihr Ziel dürfte dennoch das Finale in Wembley sein. Haben Sie schon vom Siegtor in der Kathedrale des Fußballs geträumt?

Gwinn: Diesen Traum hat jede von uns, ganz klar. Und das in diesem Rahmen, in Wembley: Das ist schon etwas, das man sich wünscht! Und wenn es am Ende nur die Vorlage zum entschei­denden Tor sein sollte, wäre es auch ganz okay (lacht).

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