DFB-Star Giulia Gwinn: "Bei uns nehme ich immer noch sehr viele Vorurteile wahr"
Inhalt
- DFB-Nationalspielerin Giulia Gwinn im Interview
- Gwinn über Gleichberechtigung im Fußball: "Prozess in anderen Ländern früher und konsequenter angestoßen"
- Gwinn über EM: Den Traum vom Siegtor in Wembley hat jede von uns.
Sports Illustrated: Haben Sie schonmal in Wembley gespielt?
Giulia Gwinn: Noch nicht. Als wir mit der Nationalmannschaft 2019 dort gegen England gespielt haben, war ich verletzt und musste von zu Hause zuschauen. Deswegen wäre es umso cooler, wenn es jetzt bei der EM klappt.
Sports Illustrated: Dazu braucht es fünf erfolgreiche Spiele, erst das Finale wird im Wembley-Stadion ausgetragen. Die Vorrunde bestreitet Ihr Team in den Stadien von Brentford und Milton Keynes. Was war das bislang beste Stadionerlebnis Ihrer Karriere?
Gwinn: Ende März in der Champions League gegen Paris Saint-Germain, im Prinzenparkstadion vor 27.000 Zuschauern. Eine außergewöhnliche Stimmung für ein Frauenfußballspiel! Das kennt man so normalerweise nicht. Die Fans waren sehr laut, haben 120 Minuten lang Vollgas gegeben. Schon cool, dann auf dem Feld zu stehen.
"Wir laufen aktuell etwas hinterher"
Sports Illustrated: Gerade purzeln ständig die Zuschauerrekorde bei Frauenspielen, nur in Deutschland nicht. Da werden Länderspiele nach Chemnitz, Cottbus und Essen vergeben statt nach München, Berlin oder Dortmund.
Gwinn: Gefühlt sind volle Stadien in England und Spanien schon normaler geworden – auch in der Liga oder im Pokal. Wir laufen da aktuell etwas hinterher, weil der Prozess in anderen Ländern früher und konsequenter angestoßen wurde. Aber wir machen Schritte nach vorne. Im Champions-League-Viertelfinalhinspiel haben wir erstmals in der Allianz Arena gespielt, vor 13.000 Zuschauern. Das war ein Zeichen und unsere Leistung durchaus Werbung für eine Wiederholung.
Sports Illustrated: Wahrnehmung, Wertschätzung: die ewigen Themen des Frauenfußballs. Aber es tut sich etwas, die Präsenz in „Tages-“ und „Sportschau“ ist gestiegen, oder?
Gwinn: Ja, der Ball rollt in Sachen Sichtbarkeit endlich in die richtige Richtung. Gerade in den vergangenen ein, zwei Jahren hat sich spürbar etwas getan. Unsere Spiele werden mittlerweile auf vielen Plattformen gezeigt, was elementar wichtig ist, um den nächsten, den vielleicht entscheidenden Schritt zu machen. Jetzt sind wir in der Verantwortung, die Spiele auf dieser Bühne auch bestmöglich zu bestreiten. Wir müssen den Leuten in Deutschland jede Woche auf dem Platz etwas anbieten.
"In Barcelona hängen zum Beispiel im Camp Nou Bilder von Männern und Frauen"
Sports Illustrated: Was wird in Spanien, England und Frankreich besser gemacht?
Gwinn: Der Fokus liegt viel mehr auf der gemeinsamen Vermarktung mit den Männern. Da werden kaum Unterschiede gemacht. In Barcelona hängen zum Beispiel im Camp Nou Bilder von Männern und Frauen, da wird auch im Stadion der ganze Verein gelebt. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass dort auch die Gesellschaft womöglich toleranter und offener für neue Entwicklungen ist. Bei uns nehme ich immer noch sehr viele Vorurteile wahr, die wir seit Jahren versuchen aus dem Weg zu räumen.
Sports Illustrated: Wenn Sie sehen, was in anderen Ländern möglich ist, kommt da der Gedanke auf, es mal der ehemaligen Teamkollegin Melanie Leupolz gleichzutun, die vor zwei Jahren zum FC Chelsea wechselte?
Gwinn: Ich musste mich mit dem Thema tatsächlich schon beschäftigen, weil es vor meiner Verlängerung Ende 2021 konkrete Anfragen aus England gab. Für mich war aber schnell klar, dass ich meine Zukunft für die kommenden Jahre in Deutschland sehe, weil ich mich beim FC Bayern und in der Bundesliga einfach unfassbar wohlfühle. Deswegen habe ich ja auch bis 2025 unterschrieben. Aber mit 22 Jahren etwas auszuschließen, was vielleicht mal in ein paar Jahren ist, kann und will ich auch gar nicht. Momentan habe ich große Lust, hier Teil von etwas Großem zu werden.
Sports Illustrated: In die EM startet Deutschland als Rekordsieger: Acht kontinentale Titel, von den letzten sieben gingen sechs an Schwarz-Rot-Gold. Im April verlor man gegen Serbien – wie gehen Sie ins Turnier?
"Den Traum vom Siegtor in Wembley hat jede von uns"
Gwinn: Mit Zuversicht. Wir hatten in den vergangenen Monaten viele Ausfälle und Verletzungen, nie wirklich den ganzen Kader beisammen. Eine optimale Vorbereitung Richtung Turnier sieht sicherlich anders aus. Aber vielleicht sind wir genau dadurch auch für die Gegner so etwas wie eine Wundertüte.
Sports Illustrated: Welche Teams sehen Sie vorn?
Gwinn: Es gibt einige Mannschaften, mit denen ganz sicher zu rechnen ist: Spanien, England, Niederlande, Schweden.
Sports Illustrated: Ihr Ziel dürfte dennoch das Finale in Wembley sein. Haben Sie schon vom Siegtor in der Kathedrale des Fußballs geträumt?
Gwinn: Diesen Traum hat jede von uns, ganz klar. Und das in diesem Rahmen, in Wembley: Das ist schon etwas, das man sich wünscht! Und wenn es am Ende nur die Vorlage zum entscheidenden Tor sein sollte, wäre es auch ganz okay (lacht).
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