F1-Inside mit Stefan Ehlen

Mick Schumacher: Die neue Stärke seines Teams ist Fluch und Segen zugleich

Jetzt muss der nächste Schritt erfolgen: Formel-1-Experte Stefan Ehlen erklärt, warum Mick Schumacher beim US-Rennstall Haas in seiner zweiten F1-Saison unter Zugzwang steht und ein schnelles Auto den Druck auf den jungen Deutschen weiter anwachsen lässt.

Mick Schumacher (Haas)
Credit: Imago

Mick Schumacher hat es nicht leicht. Hatte es nie leicht. Sein Nachname schafft im Motorsport eine Erwartungshaltung, die ein gerade 23 Jahre alt gewordener junger Mann kaum erfüllen kann. Und 2022 ist diese Erwartungshaltung größer denn je: Die ersten Punkte müssen her für Mick Schumacher, jeder will den "nächsten Schritt" in seiner Entwicklung sehen.

Die Formsteigerung seines Formel-1-Teams Haas zur Saison 2022 ist dabei Fluch und Segen zugleich für den Sohn von Michael Schumacher: Er hat jetzt in seinem zweiten Jahr in der "Königsklasse" endlich einen Rennwagen, mit dem er tatsächlich in die Punkte fahren kann.

Oder wie er es selbst formuliert: "Das Auto ist ein potenzielles Top-5-Auto. Ich sehe keinen Grund, warum ich das nicht schaffen könnte. Jetzt muss ich's einfach machen."

Aus Schumacher spricht Zuversicht und Selbstvertrauen. Doch an Aussagen wie diesen wird sich Mick Schumacher im Saisonverlauf messen lassen müssen. Wer große Leistungen ankündigt, muss auch liefern.

Mick Schumachers beste Formel-1-Ergebnisse bisher, aber…

Letzteres ist Mick Schumacher beim Saisonauftakt in Bahrain gelungen: Mit Platz zwölf im Qualifying und Platz elf im Rennen erzielte er seine bisher besten Formel-1-Ergebnisse, schnupperte erstmals an den Top 10, und das trotz eines unverschuldeten Drehers früh im Grand Prix.

Aber diese gute Bilanz hat einen Makel. Ausgerechnet Mick Schumachers Haas-Teamkollege Kevin Magnussen war deutlich besser: Der Däne belegte Platz sieben in der Startaufstellung und kam im Rennen sensationell auf Platz fünf ins Ziel, war damit die Überraschung schlechthin und "best of the rest" hinter den Topteams Red Bull und Mercedes. Und das nur elf Tage, nachdem ihn Haas kurzfristig für die Saison 2022 verpflichtet und obwohl Kevin Magnussen der Formel 1 eigentlich Ende 2020 abgeschworen hatte. So schnell ändern sich die Dinge im Motorsport.

Kevin Magnussen als der neue Maßstab für Mick Schumacher

Das erfährt Mick Schumacher in der Saison 2022 vielleicht auf die harte Tour. Denn 2021 hatte er mit Nikita Masepin als Teamkollegen leichtes Spiel gehabt: Der Russe wirkte meist überfordert im Formel-1-Auto, fuhr nur selten auf dem Niveau von Schumacher, fiel eher durch rüpelhafte Manöver als durch schnelle Rundenzeiten auf, hatte kein gutes Standing im Team und wurde von Schumacher unterm Strich klar besiegt.

Mit Magnussen ist die Situation eine andere. Der 29-Jährige verfügt über sechs Jahre Formel-1-Erfahrung, gilt als schnell und abgebrüht, ist immer gut für einen flotten Spruch und vor allem überaus beliebt bei der Haas-Crew, für die er schon 2017 bis 2020 in der Königsklasse gefahren ist.

Hier muss sich Mick Schumacher umstellen. Er hat es nicht mehr mit einem Formel-1-Neuling zu tun, den er im Griff hat, sondern steht vor seiner bisher größten Bewährungsprobe im Motorsport: Er muss sich gegen den starken Magnussen beweisen, der für ihn eine echte Messlatte ist und der beim Saisonauftakt schon mal beeindruckend vorgelegt hat.

Mehr Druck denn je für Mick Schumacher

Das bedeutet: Mick Schumacher steht mehr denn je unter Druck. Er braucht jetzt umso dringender ebenfalls ein Top-10-Resultat und Punkte. Alleine schon, weil er im Gegensatz zu Magnussen von Anfang an in die Entwicklung des aktuellen Haas VF-22 eingebunden war und das neue Auto intensiv getestet hat.

Vor allem aber muss Schumacher das Teamduell gegen Magnussen erfolgreich und zu seinen Gunsten gestalten, gerade mit Blick auf seine weitere Formel-1-Karriere, die ihn eines Tages zu Ferrari führen könnte. Dort landet nur, wer sich auf der Strecke nicht unterbuttern lässt, sondern da ist, wenn es etwas zu holen gibt. Und genau das muss Schumachers Anspruch sein, gerade in einem Sport, in dem man immer nur so gut ist wie das letzte Ergebnis.

Jetzt gilt's für Mick Schumacher in der Formel 1

All das ist Schumacher bewusst. Er weiß, was auf dem Spiel steht, wird sich dieser Herausforderung gerne stellen. Und er wird sich in diese neue Aufgabe verbeißen, genau wie er sich bisher schon durch Fleiß und Arbeitseinsatz ausgezeichnet hat. Das bestätigen seine Wegbegleiter.

Bisher sich der Einsatz in seiner Motorsport-Karriere für Schumacher immer gelohnt: Im zweiten Jahr in einer Meisterschaft ist er deutlich stärker aufgetreten als im ersten. So war es 2015/2016 in der Formel 4, 2017/2018 in der Formel-3-EM und 2019/2020 in der Formel 2, dem direkten Unterbau der Formel 1.

Schumacher wird sich 2022 wohl deutlich steigern. Die Vorzeichen für sein zweites Formel-1-Jahr sind völlig andere als bei seiner Premiere im vergangenen Jahr. Und der nächste Schritt ist Pflicht, will er sich für höhere Aufgaben empfehlen und eines Tages bei einem Topteam landen. Bis dahin ist es ein weiter Weg - und die erste Hürde auf diesem Weg heißt Magnussen.

Zur Person: Über Motorsport berichten wollte Stefan Ehlen schon in jungen Jahren. Seit 2008 schreibt er für die marktführenden Motorsport-Portale in Deutschland: Formel1.de, Motorsport-Total.com und seit 2015 für Motorsport.com – immer mit dem Schwerpunkt Formel 1. 2019 veröffentlichte er mit "Grand-Prix-Geschichte(n)" ein Sachbuch zur F1-Historie. Er spricht regelmäßig in Podcasts und arbeitet auch als TV-Kommentator.

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