NFL

Was diese NFL-Offseason so absurd macht? SI-Kolumnist Patrick Esume verrät es uns

Diese NFL-Offseason ist verrückt. Das Trade-Karussell drehte sich im US-Football in den letzten Wochen und Monaten wieder spektakulär schnell. Und die Franchises garantieren ihren Stars immer mehr Geld. Absurd, findet unser Kolumnist Patrick Esume.

Patrick Esume
Credit: Imago
Sports Illustrated 03/22
Die Zukunft des Fußballs
Die neue Ausgabe von Sports Illustrated mit der Titelstory zur Zukunft des Fußballs ist jetzt erhältlich.
Sports Illustrated 03/22
Die Zukunft des Fußballs

Inhalt

  • Patrick Esume findet: Das ist die verrückteste NFL-Offseason aller Zeiten
  • Franchises garantieren Profis immer höhere Gehälter
  • Angebot an jungen Quarterbacks knapp, deshalb Nachfrage nach arrivierten hoch

IST DAS DIE VERRÜCKTESTE Offseason aller Zeiten? Auf jeden Fall! Was dieses Jahr passiert ist, habe ich so noch nie erlebt, und ich verfolge die NFL seit 1992. Schlagzeilen gibt es natürlich in jeder Saison – aber an diese Masse an Spielerwechseln und großen Verträgen mit absurden Beträgen kann ich mich nicht erinnern.

Die Offseason begann gleich mit einem Kracher: dem Rücktritt von Tom Brady. Nur 40 Tage später kommt der GOAT mit der Nachricht, dass er doch noch ein Jahr bei den Bucs spielt. So etwas gibt es eigentlich nicht – dass es trotzdem passierte, ist symptomatisch für diese Offseason. Gerade was sich auf der Schlüsselposition des Quarterbacks – siehe Brady – getan hat, sucht seinesgleichen.

Deshaun Watson: Trotz Vorwürfen wegen sexueller Nötigung garantieren ihm die Browns 230 Millionen Dollar

Nächstes Beispiel: Deshaun Watson. Er hat wegen Vorwürfen der sexuellen Nötigung bei den Houston Texans, wo er als MVP-Kandidat galt, ein Jahr nicht gespielt. Dann wurde er im März zu den Cleveland Browns getradet, wo er einen Fünfjahresvertrag für 230 Millionen Dollar unterschrieb. Und jeder einzelne Cent ist garantiert. Das allein ist fragwürdig genug, solche Verträge gibt es im Football (im Vergleich zum Fußball) eigentlich nicht. 

Was man dazu aber wissen muss, ist: Watson wurde zwar strafrechtlich freigesprochen, es liegen aber noch zivilrechtliche Klagen von 22 Frauen vor, und Watson könnte ligaintern gesperrt werden. Nichtsdestotrotz bekommt er so einen Vertrag.

Deshaun Watson
Deshaun Watson
Credit: Getty Images
x/x

Watson hat damit die Vertragslage in der NFL völlig aus den Fugen gerissen. Auch die anderen Franchises sind über diesen Deal nicht glücklich. Sie fragen sich, wo man denn in Zukunft hinkomme, wenn solche absurden Summen über so einen langen Zeitraum garantiert werden – und das für jemanden, der die ersten sechs Spiele der kommenden Saison aus ligadisziplinarischen Gründen fehlen könnte. Auch ich finde diese Entwicklung sehr bedenklich.

Weiter geht es mit Aaron Rodgers, dem nächsten Blockbuster-Deal. Er war zuletzt nicht besonders glücklich bei den Green Bay Packers, bleibt nun doch da und unterschrieb einen unglaublichen Vertrag, der ihm 150 Millionen garantiert. Klingt nach einem Muster.

Weitere Namen: Russell Wilson wird nach einer Dekade und dem Super-Bowl-Sieg von den Seattle Seahawks zu den Denver Broncos weggetradet. Matt Ryan, Legende bei den Atlanta Falcons, geht zu den Indianapolis Colts, die ihrerseits wieder Carson Wentz, der erst im vergangenen Jahr gekommen ist, zu den Washington Commanders wegtraden. 

Broncos-Quarterback Russell Wilson
Nach einer Dekade bei den Seattle Seahawks sprang auch Russell Wilson in dieser Offseason auf das Trade-Karussell auf – Jetzt wirft er Bälle für die Denver Broncos
Credit: Getty Images
x/x

Ein Überraschungsmove jagt den nächsten. Der Grund: Die Quarterbacks sind für das Franchise so wichtig, dass die Vereine, die verzweifelt sind und unbedingt einen Spieler für diese Position brauchen, das Risiko des garantierten Geldes eingehen. 

Das wiederum liegt am Salary Cap der NFL, der Gehaltsobergrenze. Aufstrebende Spieler outperformen irgendwann ihren Vertrag und wollen mehr Geld, weil sie erfahrener, besser, produktiver werden – was die Clubs dann wiederum an den Punkt bringt, an dem sie sich von Spielern trennen müssen, weil man sich nicht mehr alle Topverdiener leisten kann.

Aufgrund der Fluktuation und der Tatsache, dass die Finanzen limitiert sind, sind die Franchises auf günstiges, junges Personal angewiesen – das bekommen sie im Draft, der bis vor ein paar Jahren niemanden so richtig interessiert hat. Mittlerweile wird der Draft immer wichtiger, der Druck auf die jungen Spieler immer größer. 

Junge, starke Quarterbacks sind rar, umso besser für die arrivierten

Gerade Quarterbacks, die in der ersten Runde ganz vorne gedraftet werden, müssen sofort performen, sonst gelten sie schnell als Versager. Wobei das Angebot im diesjährigen Draft auf dieser Position nicht so stark war, weshalb sich viele Teams dazu hinreißen ließen, arrivierte Quarterbacks überzubezahlen.

Ob das bald endet? Unwahrscheinlich. Denn nächstes Jahr wird das Salary Cap auf über 210 Millionen Dollar angehoben, ein Spielraum von 26 Millionen mehr pro Jahr. Ich freue mich schon jetzt auf die nächste Offseason – die möglicherweise verrückteste aller Zeiten


Unser Kolumnist Patrick Esume war Football-Profi und arbeitete als Coach. Er ist unter anderem Moderator und Experte bei „ran Football“.

 

Mehr Sport-News:

DAZN-Experte Michael Ballack spricht im Rahmen eines Roundtable-Gesprächs über den FC Bayern, die Neuverpflichtungen Sadio Mané und Matthjis de Ligt, die 50+1-Regel sowie die deutsche Nationalmannschaft mit Hansi Flick und Timo Werner. 

Die Fußball-EM der Frauen findet vom 6. Juli bis 31. Juli 2022 in England statt. Das Eröffnungsspiel bestreiten Gastgeber England und Österreich. Die deutsche Nationalmannschaft trifft in Gruppe B auf Spanien, Dänemark und Finnland.

Das Basketball-Drama "Hustle" geht bei Netflix gerade durch die Decke. Der Film mit Adam Sandler und vielen aktuellen und ehemaligen Basketball-Stars aus der NBA steht auf Platz eins der deutschen Netflix-Charts. Auch Dirk Nowitzki ist im Film zu sehen.