Basketball

Alba-Star Thiemann: "Nowitzki würde uns bei Nationalteam auf jeden Fall helfen"

Johannes Thiemann ist einer der besten deutschen Basketballer. Bei Alba Berlin ist der 28-Jährige ein Star. Im Interview mit Sports Illustrated spricht er über den Traum von der NBA, die Besonderheit der Albatrosse und eine neue mögliche Aufgabe für Dirk Nowitzki.

Johannes Thiemann
Credit: Imago

Sports Illustrated: Vom Fußballer zum Basketballstar. Wie kam’s, dass Sie sich für Basketball entschieden haben?

Johannes Thiemann: Ich war beim Fußball Mittelfeldspieler und hatte eine ganz gute Technik. Das hat mir immer Spaß gemacht. Dann war ich irgendwann zu groß fürs Mittelfeld und alle wollten mich in die Innenverteidigung stecken. Das wollte ich nicht und habe ein halbes Jahr gar nichts gemacht, bis mich mein Sportlehrer überredet hat, ein bisschen Basketball in der Schulmannschaft zu spielen. Dann ging alles schnell. Mein Talent wurde bei einem Spiel gegen Nürnberg entdeckt und ich bin ins Leistungszentrum gekommen.

Sports Illustrated: Wenn man Ballgefühl im Fuß hat, hat man es auch in den Händen beim Basketball?

Thiemann: Dieses Ballgefühl kann man nicht übertragen. Ich hatte zu Beginn zwar die nötige Athletik und die Größe, aber ich musste noch an meiner Wurftechnik arbeiten. Was sowohl beim Fußball als auch beim Basketball wichtig ist, sind Koordination und Beweglichkeit. Hinzu kommt eine gewisse Athletik, die in beiden Sportarten eine Rolle spielt. Beim Basketball kommt es wie im Fußball darauf an, schnelle Füße zu haben. Das habe ich beim Fußball gelernt. Hinzu kommt eine gewisse motorische Fähigkeit mit den Händen, die ich immer schon hatte. Dadurch fiel mir der Wechsel relativ leicht.

Sports Illustrated: In Ludwigsburg hatten Sie Ihren Durchbruch als Basketballer. Was war an dieser Zeit besonders?

Thiemann: Das war eine gute Zeit in Ludwigsburg. Dafür bin ich sehr dankbar, dass ich mich dort durchsetzen konnte und die Chance zum Spielen bekommen habe. Das war cool. Ich kam damals aus Bamberg, wo ich in der zweiten Liga gespielt habe. In Ludwigsburg hatte ich die Chance, dass ich in der Bundesliga antrete und gleich gegen starke Teams aus Europa spielen durfte. In diesem Team eine tragende Rolle zu spielen, hat mir eine Menge Selbstvertrauen gegeben. Die Stadt hat mir auch gut gefallen.

Sports Illustrated: Dirk Nowitzki hatte mit Holger Geschwindner einen Mentor. Hatten Sie ebenfalls eine Person, die Sie unterstützt hat?

Thiemann: In dieser Form hatte ich das nicht. Bei mir waren es viele Trainer und Ansprechpartner, die mir Tipps gegeben und mir geholfen haben. Aber ich kann da niemanden Spezielles hervorheben. Für jede Zeit gab es andere Leute, die mich auf meinem Weg begleitet und unterstützt haben.

Sports Illustrated: Seit 2018 spielen Sie bei Alba Berlin. Wie sehr ist Ihnen Berlin ans Herz gewachsen?

Thiemann: Berlin gefällt mir super gut. Am Anfang war es aber eine große Umstellung für mich. Vor allem der Verkehr war der Wahnsinn. Man kann nicht alle Orte in fünf Minuten erreichen, so wie in meiner Zeit in Bamberg oder Ludwigsburg. Da habe schon ein halbes Jahr gebraucht, um mich in Berlin an alles zu gewöhnen. Aber mittlerweile bin ich glücklich. 

Sports Illustrated: Warum ist Alba Berlin für Sie der beste Verein in Deutschland?

Thiemann: Alba Berlin ist einfach etwas Besonderes. Der Verein ist nicht nur sportlich erfolgreich, sondern auch sozial sehr engagiert. Der ganze Spirit ist einfach sehr cool. Ich habe bei Vereinen gespielt, wo viel Druck auf die Spieler gemacht wurde. Bei Alba herrscht eine andere Philosophie und ein anderer Umgang mit den Spielern. Das ist ein klasse Team, deshalb fühle ich mich sehr wohl in Berlin.

Sports Illustrated: Mit 28 Jahren haben Sie das perfekte Basketball-Alter. Träumen Sie manchmal von der NBA?

Thiemann: Dieser Traum ist eigentlich ganz weit weg. Ich denke, dass mit 28 Jahren ein Wechsel in die NBA eher unwahrscheinlich ist. Klar, möglich ist alles. Aber die NBA ist kein Ziel, auf das ich hinarbeite. Ich versuche mich weiter zu verbessern und den besten Basketball zu spielen, den ich kann. Aber eher auf europäischer Ebene. Wenn natürlich irgendwann jemand mal aus der NBA an meine Tür klopft, wäre ich nicht böse.

Sports Illustrated: Welches ist Ihr Lieblingsteam in der NBA?

Thiemann: Die Los Angeles Lakers fand ich schon immer cool und LeBron James auch. Aus diesem Grund hat es ganz gut gepasst, aber momentan läuft’s bei den Lakers nicht so gut.

Sports Illustrated: Bei den Olympischen Spielen in Tokio ist Deutschland im Viertelfinale an Slowenien gescheitert. Was waren die Gründe?

Thiemann: Wir hätten dieses Spiel enger gestalten können, aber mit einem Sieg wäre es wirklich schwer gewesen. Mit Luka Doncic hat Slowenien einen überragenden Spieler in seinen Reihen. Gegen dieses Team haben wir keine Lösungen gefunden. Wir haben nicht gut verteidigt, so dass sich Doncic auf dem Feld zu wohl gefühlt hat. Aber ich denke, dass wir für die kommenden Jahre auf dieses Spiel aufbauen können.

Sports Illustrated: Luka Doncic ist die Messlatte in der NBA für den europäischen Basketball. Befindet er sich schon auf einem Level mit Dirk Nowitzki?

Thiemann: Ich denke, da muss noch eine Meisterschaft her (lacht…). Aber Doncic ist schon eine Hausnummer in der NBA, wo er mittlerweile regelmäßig All-Star ist. Er ist ein unglaublich guter Basketballer. Was er als so junger Europäer in der NBA abliefert, ist sehr beeindruckend.

Sports Illustrated: Mit Steph Curry hat die NBA einen überragenden Distanzschützen. Macht das Dreipunkte-Werfen den ursprünglichen Basketball kaputt?

Thiemann: Ich denke nicht, dass die vielen Dreipunkte-Würfe in der NBA den Basketball kaputt machen. Gerade solche Teams wie die Golden State Warriors, die solche Schützen wie Steph Curry haben, die hochklassig werfen können, finde ich das vollkommen legitim. Klar, wenn ich nur 20 bis 30 Prozent Wurfquote habe, brauche ich nicht zehn Dreier nehmen. Dann ist es schon unattraktiv. Aber so, wie die Jungs in der NBA werfen, ist das sehr effizient und es schafft Räume für die Mitspieler. Das Spiel entwickelt sich immer weiter.

Sports Illustrated: Bundestrainer Henrik Rödl hat im August 2021 nach vier Jahren sein Amt niedergelegt. Wie beurteilen Sie seine Arbeit?

Thiemann: Henrik Rödl hat einen guten Job gemacht. Ich habe ihn auch persönlich sehr geschätzt. Es war toll, dass wir mit ihm bei Olympia dabei waren. Das war ein toller Abschluss für ihn. Natürlich ist es schade, dass er nicht mehr dabei ist, weil er auch menschlich ein klasse Typ ist.

Sports Illustrated: Neuer Bundestrainer ist der Kanadier Gordon Herbert, der bei jedem Event eine Medaille gewinnen möchte. Ist das realistisch?

Thiemann: Ich denke, dass wir sehr viel Qualität in der Nationalmannschaft haben. Wenn die NBA-Spieler dabei sind, haben wir ein super Team. Es ist dann wichtig, dass wir als Mannschaft zusammenspielen. Bei der letzten WM hat das leider nicht so gut geklappt und da hatten wir auch einen guten Kader. Aber ich denke, das war uns auch eine Lehre. Bei Olympia haben wir gezeigt, dass wir auch alle Teamplayer sein können. Deshalb denke ich, dass wir alle unsere Ziele erreichen können. 

Johannes Thiemann im Kreis der Nationalmannschaft
Johannes Thiemann im Kreis der Nationalmannschaft
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Sports Illustrated: Aufgrund der Euroleague und der NBA fehlen bei der WM-Qualifikation viele Spieler. Wird das Ersatzteam erfolgreich sein?

Thiemann: Bei den Zeitfenstern ist es schon schwierig, das wirklich beste Team aufzustellen. Das ist natürlich ein Vorteil für die kleineren Teams, die nicht so viele NBA- oder Euroleague-Spieler haben und mit der besten Mannschaft antreten können. Aus diesem Grund muss man die Spiele gewinnen, auch wenn man mal keinen schönen Basketball spielt. Wichtig ist, dass wir uns für die wichtigen Turniere qualifizieren. Wenn die NBA-Jungs hinzukommen, gibt’s dann natürlich einen Extra-Schub an Qualität.

Sports Illustrated: Bundestrainer Gordon Herbert möchte Dirk Nowitzki in Zukunft für die Nationalmannschaft gewinnen. Was halten Sie von dieser Idee?

Thiemann: Ja, natürlich. Dirk hat eine unglaubliche Erfahrung. Wenn er zum Team spricht, würde jeder ganz genau zuhören. Deshalb wäre das eine Personalie, die uns auf jeden Fall helfen würde. Wie realistisch diese Überlegungen sind, weiß ich nicht. Ich kann nicht sagen, ob Dirk Lust darauf hat. Er genießt jetzt erstmal seine Zeit nach der NBA.

Sports Illustrated: Gibt es im Nachwuchsbereich einen Spieler in Deutschland, der wie Dirk Nowitzki werden kann?

Thiemann: Das sind riesige Fußstapfen, die Dirk hinterlassen hat. Direkt den nächsten Nowitzki hervorzubringen, das wird schwer. Aber wir haben sehr viele Talente und werden in Zukunft noch mehr deutsche Spieler in der NBA sehen. Damit man so eine Karriere wie Dirk hinlegt, gehört viel Glück dazu. Man muss im richtigen Moment am richtigen Ort und in der richtigen Verfassung sein. Es reicht nicht nur, wenn man Talent hat.

Sports Illustrated: Dieses Jahr steht die Heim-EM mit Spielen in Köln und Berlin auf dem Programm. Wie groß ist die Vorfreude bei Ihnen?

Thiemann: Das ist natürlich mega. Eine EM zu Hause zu spielen, ist der Hammer. Ich freue mich sehr darauf, vor heimischer Kulisse zu spielen. Hoffentlich dürfen im September wieder alle Zuschauer in die Halle. Dann wird dieses Basketball-Turnier ein absoluter Knaller.

Sports Illustrated: Nach der Suspendierung der drei russischen Teams mit ZSKA Moskau, Zenit St. Petersburg und Unics Kasan aus der Euroleague sind drei Playoff-Plätze frei geworden. Ist das eine Chance für Alba Berlin?

Thiemann: Da müssen wir erstmal abwarten. Wir müssen mal schauen, ob die Spielwertungen ungültig gemacht werden. Wir hatten zwei Spiele gegen die russischen Teams gewonnen. Die könnten uns gestrichen werden und würden uns fehlen. Von daher weiß ich nicht, wie sehr uns dieser Ausschluss hilft.

Sports Illustrated: Sie haben 2016 Ihr erstes A-Länderspiel gegen die Ukraine bestritten. Wie groß ist bei Ihnen der Schock über die aktuellen Kriegsbilder?

Thiemann: Der Schock ist riesig. Es ist unglaublich, dass so etwas in Europa passiert. Man lebt in seiner Blase im Sport und auch in Deutschland – und denkt, dass so etwas nicht mehr möglich ist und dass es zu solchen Situationen kommt. Dass Russland gegen die Ukraine einen Krieg führt, ist schlimm. Dieser Krieg zeigt einem, dass im Leben viele Dinge wie der Sport zur Nebensache werden, wenn viele Menschen um ihr Leben bangen und aus ihrem Land fliehen müssen.

Sports Illustrated: Nach dem Angriff auf die Ukraine ist Russland von vielen Sport-Ereignissen ausgeschlossen worden. In Ihren Augen die richtige Entscheidung?

Thiemann: Ich finde, dass es die richtige Entscheidung ist. An diesem Punkt muss man ein Zeichen setzen. Natürlich ist es bitter für die Sportler, denn nicht jeder russische Athlet unterstützt diesen Krieg. Aber diese Situation muss Konsequenzen haben. Deswegen finde ich es gut, dass die internationale Sportwelt dieses Zeichen setzt.

Johannes Thiemann
Johannes Thiemann
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