Eishockey-Experte Rick Goldmann: "Moritz Seider ist Leuchtturm in der Defensive"
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Sports Illustrated: Mit Schweden, Finnland und den USA wartet ein schweres Auftaktprogramm auf die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft. Droht dem DEB-Team ein WM-Fehlstart?
Rick Goldmann: Der Spielplan im letzten Jahr war leichter, wo es im Wechsel große Nationen und Nationen auf Augenhöhe gab. Deutschland startet gegen Schweden und spielt nur 24 Stunden gegen den aktuellen Weltmeister und Olympiasieger Finnland mit Mikko Rantanen, dem aktuell wohl besten Spieler bei der WM. Das sind sehr, sehr große Nationen. Aber man kann sich den Spielplan nicht aussuchen. Und ich denke, dass die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft mit den NHL-Spielern Moritz Seider, Nico Sturm und John-Jason Peterka die Stärke hat, trotz der schweren Gegner gut in das Turnier zu starten. Die anderen Teams, die danach kommen, sind die Mannschaften, die man schlagen muss. Ich denke, dass die USA mit dem aktuellen Kader auch nicht unbezwingbar sind. Aber die ersten beiden Teams mit Schweden und Finnland sind die absoluten Favoriten in der Gruppe A in Tampere.
Sports Illustrated: Was macht das mental mit den Spielern, wenn Deutschland alle drei WM- Auftaktspiele verlieren sollte?
Goldmann: Die Spieler wissen schon: Wenn man gegen die Mannschaften aus Dänemark, Österreich, Ungarn und Frankreich gewinnt, die danach kommen, ist alles im grünen Bereich. Dann kann Deutschland das Viertelfinale erreichen. Auf der anderen Seite muss Deutschland auch schon gegen Schweden mit 100 Prozent ins Spiel gehen. Wenn man so ein schweres Spiel zu Beginn hat, kann das durchaus ein Vorteil sein. Was sich danach entwickelt, das ist die große Frage. Wenn eines der ersten Ergebnisse positiv ist, bekommt die Mannschaft einen unglaublichen Push. Wenn Deutschland die ersten drei Spiele verliert, steht das DEB-Team gegen Dänemark extrem unter Druck.
Sports Illustrated: Wenn Deutschland wie 2022 das WM-Viertelfinale erreichen sollte, wie weit kann es dann noch gehen?
Goldmann: Das ist im Moment schwer zu sagen. Man muss auch schauen, wie die anderen Nationen aufgestellt sind. Das wäre im Moment reine Kaffeesatzleserei.
Sports Illustrated: Mit Moritz Seider hat einer der besten deutschen Eishockey-Spieler seine WM- Teilnahme bestätigt. Wie wichtig ist er für die deutsche Mannschaft?
Goldmann: Moritz Seider ist der Leuchtturm in der Defensive. Das Prunkstück der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft ist diesmal sicherlich die Abwehr, und die ist mit der WM-Zusage von Seider nochmal eklatant besser geworden. Man hat bei den letzten beiden Weltmeisterschaften gesehen, wo das DEB-Team ins Halbfinale und Viertelfinale gekommen ist, welchen Anteil er in Überzahl, in Unterzahl sowie im Fünf-gegen-Fünf hat. Moritz Seider ist ein unglaublich vielseitiger Spieler, der auch offensiv stark ist. Hinzu kommt seine starke Physis. Er hat einen guten Schuss und eine gute Übersicht. Auch wenn er jetzt eine Zeit lang angeschlagen nicht auf dem Eis war, ist er eine ganz, ganz wichtige WM-Verstärkung für Deutschland.
Sports Illustrated: Trotzdem sind die Sorgenfalten bei Bundestrainer Harold Kreis groß. Mit Yasin Ehliz fällt der 14. Leistungsträger für die WM aus. Ist dieses große Loch überhaupt zu stopfen?
Goldmann: Das hat man fast bei jeder Weltmeisterschaft, dass wirklich viele wichtige Spieler absagen oder verletzungsbedingt ausfallen. Das war bei den letzten Weltmeisterschaften auch so. Man muss sich auf den Kader konzentrieren, der da ist. Der aktuelle deutsche Kader hat eine gute Mischung, eine gute Geschwindigkeit und er ist in der Defensive wirklich gut aufgestellt. Ich denke, dass Deutschland mit dem Kader, wie er jetzt ist, durchaus zufrieden sein kann.
Sports Illustrated: Mit Leon Gawanke und Kai Wissmann kommen zwei Spieler aus der nordamerikanischen Profiliga AHL. Inwieweit können sie dem DEB-Team helfen?
Goldmann: Leon Gawanke ist in der Offensive sowie im Powerplay wichtig. Bei Kai Wissmann muss man schauen, denn er hatte zuletzt nicht viel Spielpraxis. Aber er kann für die Defensive ein ganz wichtiger Faktor sein. Mit diesen Spielern und Seider denke ich, dass die Verteidigung richtig stark aufgestellt ist. Und man sollte nicht vergessen, dass sehr viele DEL-Finalisten zugesagt haben. Das ist durchaus ein Vorteil. Das sind Spieler, die in dieser Saison weit gegangen sind und die einen Push in die Nationalmannschaft reinbringen können.
Sports Illustrated: Was für ein Typ ist neue Bundestrainer? Ist Kreis der passende Nachfolger von Toni Söderholm?
Goldmann: Zu diesem Zeitpunkt ist Harry eine logische Lösung. Er hat unglaublich viel Erfahrung. Er ist kommunikativ sehr gut. Und mit „kommunikativ“ meine ich nicht, dass er weich ist. Im Gegenteil:. Er hat klare Vorstellungen und kann das gut kommunizieren. Er hat gute Ansichten vom Eishockey. Deswegen bin ich sehr positiv gestimmt.
Sports Illustrated: Nationalmannschafts-Kapitän Moritz Müller hat die Erwartungen an das deutsche Team vor der WM heruntergeschraubt. Wirkt sich das auf die Mitspieler positiv oder negativ aus?
Goldmann: Vielleicht hat man aus der Vergangenheit gelernt. Ich erinnere mich an Olympia, wo man gesagt hat, man möchte sehr weit kommen. Dann ist das in die Hose gegangen. Ich denke, dass man daraus gelernt hat. Dann ist es gut, wenn man sagt: "Okay, das ist ein schwieriger Start. Wir können nach drei Spielen theoretisch ohne Punkte dastehen. Also warum sollen wir uns den Druck gleich von vornherein machen?" Wenn ich mir den DEB-Kader und die anderen Nationen anschaue, dann glaube ich, dass das Viertelfinale machbar ist. In meinen Augen sollte das auch das Ziel sein.
Sports Illustrated: Welche Mannschaft ist der Favorit auf den WM-Titel und warum?
Goldmann: Bei den letzten drei Weltmeisterschaften waren immer Finnland und Kanada im Finale. Diese beiden Mannschaften sind auch die Topfavoriten. Der Kader der Kanadier ist extrem gut zusammengestellt aus jungen und erfahrenen Leuten sowie aus Qualitäts- und Rollenspielern. Finnland hat die letzten Jahre immer unter Beweis gestellt, was sie für ein starkes Eishockey spielen können. In der Defensive machen sie kaum Fehler. Und dieses Jahr haben sie mit Mikko Rantanen wie gesagt einen der besten NHL-Spieler in der Offensive dabei. Diese Mischung sollte Finnland sehr weit nach vorne bringen. Aber ich würde mir wünschen, dass es dieses Mal einen neuen Weltmeister gibt.
Zur Person: Rick Goldmann stand in seiner Karriere 128-mal für die deutsche Nationalmannschaft auf dem Eis und nahm u.a. zwei Mal an Olympischen Spielen und sieben Mal an Weltmeisterschaften teil. In der NHL kam der Verteidiger für die Ottawa Senators zum Einsatz, außerdem absolvierte er 500 DEL-Spiele u.a. für die Adler Mannheim, den ERC Ingolstadt und die Iserlohn Roosters. Nach seiner Profi-Laufbahn wurde er 2011 in die Hall of Fame des deutschen Eishockeys aufgenommen. Bereits seit 2008 begleitet Goldmann die Eishockey-Übertragungen als Experte für SPORT1 (vormals DSF). In dieser Rolle absolviert er in diesem Jahr an der Seite von Kommentator Basti Schwele und Moderatorin Jana Wosnitza damit bereits seine 15. Weltmeisterschaft in Folge.
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