Olympische Winterspiele

Wie wählen Eiskunstläufer die Musik für ihre Programme aus?

Kunstvolle Sprünge, Pirouetten und Schritte. Die Eiskunstläufer verzaubern ihre Fans mit tollen Darbietungen auf dem Eis. Aber wie wählen die Athleten und Athletinnen die Musik für ihre Programme aus? Welche Aspekte spielen dabei eine Rolle, um erfolgreich zu sein?

Credit: Getty Images

Die Lautsprecher im "The Skating Club of Boston" schmetterten im vergangenen August Lady Gagas "911" und "Rain on Me", als Mariah Bell während ihres Kurzprogramms beim Cranberry Cup International übers Eis gleitet.

Die Choreografie für ihre Aufführung ist von Cordero Zuckerman (auch bekannt als Dragqueen Denali Foxx) und Adam Rippon (dem Olympia-Bronzemedaillengewinner 2018 im Eiskunstlauf). Es ist nicht das erste Mal, dass Bell mit Pop-Songs in einen Wettbewerb geht. In der Vergangenheit griff sie auf Hits von Britney Spears, ABBA und Pink zurück. Bei den Olympischen Spielen wird die aktuelle US-Meisterin aber andere Lieder verwenden.

"Bei Olympia versucht jeder seine Stärken auszuspielen. Jeder hat sein eigenes Lied, zu dem er gut laufen kann. Für mich ist es auf jeden Fall ein langsameres Lied", erklärt Bell. 

Viele Eiskunstläufer verbringen die vier Jahre zwischen den Olympischen Spielen damit, verschiedenen Arten von Musik auszuprobieren, dass sie bis zu den nächsten Winterspielen wissen, welche Lieder und Choreografien ihre Stärken am besten zur Geltung bringen.

Der Prozess der Musikauswahl ist mit viel Ausprobieren verbunden, aber am Ende muss eine Entscheidung getroffen werden.

"Ich habe das Gefühl, dass 99 Prozent der Leute, die sich das Eislaufen bei den Olympischen Spielen ansehen, es entweder zum ersten Mal seit vier Jahren - oder überhaupt sehen", sagt Rippon. "Wie kann man 20 Jahre Arbeit in vier Minuten zusammenfassen und zeigen: Das bin ich, das repräsentiert meine Karriere, das repräsentiert mich als Person?"

Die Suche nach der richtigen Musik gestaltet sich bei jedem Eiskunstläufer anders. Einige lassen sich von ihren Trainern Vorschläge machen, während andere stundenlang durch Spotify scrollen, um etwas zu finden, das sich richtig anfühlt.

Eiskunstläuferin Bell erklärt, dass ihre Choreografin Shae-Lynn Bourne "einen riesigen Fundus an Musik hat", aus dem sie schöpfen kann. Im vergangenen April stieß sie für ihr aktuelles Kurzprogramm auf "River Flows in You" des südkoreanischen Komponisten Yiruma, als sie auf YouTube nach Anfängerstücken suchte, die sie auf ihrem Klavier spielen konnte, das sie zum Geburtstag bekommen hatte.

Vincent Zhou: "Fühlt sich an, wie ein altes Lieblingspaar Schuhe"

Bei der Suche nach Musikstücken bewerten die Eiskunstläufer das Tempo, die Art und Weise, wie sich die Musik aufbaut und fließt, um Spannung oder Dramatik zu erzeugen. Hinzu kommen choreografische Momente zur Ruhe und Erholung. Wichtig ist auch, was das Lied bei der Jury auslösen könnte - einschließlich des Textes. Nach 2018 werden Peking erst die zweiten Olympischen Winterspiele sein, bei den Eiskunstläufer Lieder mit Texten verwenden dürfen.

Vincent Zhou, US-Olympionike von 2018, erklärt, dass sich der Eiskunstläufer entspannt und wohlfühlen muss. Bei den Winterspielen 2022 greift er auf eine vertraute Melodie zurück. "Crouching Tiger, Hidden Dragon" - komponiert von Tan Dun. Mit diesem Lied holte er WM-Bronze 2019.

"Es fühlte sich auf Anhieb so an, als würde man ein altes Lieblingspaar Schuhe anziehen", erklärt der 21-Jährige aus San Jose und fügt hinzu, dass seine Kür-Musik nicht nur "kulturell passend für den Rahmen der Olympischen Spiele" ist, sondern auch seine chinesisch-amerikanische Herkunft widerspiegelt.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Eiskunstläufer während der Saison die Musik oder die Choreographie wechseln, wenn sie das Gefühl haben, dass ein Programm nicht passt. Karen Chen, die bei den Olympischen Spielen 2018 den elften Platz belegte, wählte ursprünglich "La cena" von Ennio Morricone für ihr Kurzprogramm aus. Am Anfang hatte sie eine Verbindung zu dem "schönen, düsteren" Stück. Aber nach einigen Wettbewerben hatte sie das Gefühl, dass sich dieses Lied negativ auf ihre Leistungen auswirkt.

Adam Rippon: "Du kennst diese Noten auswendig"

"Ich tauche wirklich in die Musik ein und ich fühle die Emotionen wirklich", sagt Chen. "Ich fühlte mich wirklich traurig, unmotiviert und fast deprimiert, als ich dazu auf dem Eis lief, weil ich die Emotionen der Musik fühlte. Mir wurde klar, dass es dieses Jahr nicht für ein Kurzprogramm geeignet ist. Ich wollte etwas, das ein bisschen mehr Schwung hat."

Ein paar Wochen vor US-Meisterschaften kehrte Chen zu Escalas "Requiem For A Tower" zurück, das sie zum ersten Mal als Juniorin im Jahr 2015 verwendet hatte. Der Wechsel machte sich bezahlt. Chen wurde Zweite hinter Bell und löste damit ihr Olympia-Ticket für Peking.

Wenn die Eiskunstläufer ihr Programm auf die Musik angepasst haben, hören sie sie jeden Tag während des Trainings. Immer und immer wieder. Rippon schätzt, dass er seine Musik "mindestens 2000 Mal" im Vorfeld seines Auftritts in PyeongChang gehört hat, und obwohl er sich im November 2018 vom Eiskunstlauf zurückgezogen hat, kommen diese Erinnerungen immer wieder hoch, wenn er diese Stücke hört.

"Es wird ein Teil von dir", erklärt Rippon. "Du verlässt dich darauf. Du kennst diese Noten auswendig." 

Wenn dann die Musik und die Präsentation auf dem Eis zu einem großen Ganzen zusammenschmelzen, klappt es vielleicht auch mit einer Medaille.

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