Toni Kroos: "Der Plan, nach Deutschland zurückzugehen, ist verjährt"
- Toni Kroos ist Coverstar der neuen Ausgabe von SPORTS ILLUSTRATED
- Kroos: "Zehn Jahre Real Madrid: Das hört sich gut an."
- Jupp Heynckes und Jogi Löw schreiben darüber, was Toni Kroos so besonders macht
Er ist Deutschlands erfolgreichster Fußballer aller Zeiten und geht in seine zehnte Saison bei Real Madrid: Toni Kroos ist Coverstar der neuen Ausgabe von SPORTS ILLUSTRATED. Über seine Jubiläums-Saison sagt der 33-Jährige: „Das ist eine besondere Zahl für mich – zumal ich seit neun Jahren ja nicht irgendwo spiele, sondern bei einem ganz besonderen Verein. Bei Real musst du konstant höchsten Ansprüchen genügen und immer abliefern. Wenn man dort mal zwei Jahre lang Mist spielt, dann ist es schwierig, dort eine lange Karriere zu haben. Zehn Jahre Real Madrid: Das hört sich gut an.“
Außerdem verrät der Weltmeister von 2014 und fünfmalige Gewinner der Champions League im exklusiven Interview, dass er auch nach dem Karriereende mit seiner Familie in Madrid bleibt – und vorerst nicht nach Deutschland zurückkehrt: „Dieser Plan, nach Deutschland zurückzugehen, ist verjährt. Die ersten Jahre sagt man sich: Das ist ein schönes Abenteuer in Madrid. Und parallel überlegt man, wann man nach Deutschland zurückgeht, weil es die Heimat ist, die Familie dort lebt. Nach neun Jahren ist das eine andere Geschichte. Leon und Amy gehen hier zur Schule, Fin in den Kindergarten. Sie haben hier ihre Freunde und ihre Aktivitäten.
Wir alle fühlen uns sehr, sehr wohl in diesem Land. Dann ist das Wetter ein Thema, an das wir uns gewöhnt haben. Das Leben allgemein in Madrid ist schön, wir haben uns alles so eingerichtet, dass das gut passt für uns. So haben sich über die Jahre ein paar Faktoren verschoben – und mit jedem Jahr, das wir hier waren, konnten wir uns immer mehr vorstellen, auch zu bleiben. Das ist also der Plan: dass wir nach meinem Karriereende – unabhängig davon, wann das sein wird – erst mal in Madrid bleiben.“
Toni Kroos: "Je mehr ich laufe, umso schlechter spielen wir"
Dass immer mehr Fußballer nach Saudi-Arabien wechseln, sieht Kroos kritisch: Mangelnde Menschenrechte seien „das eine, was mich von so einem Wechsel abhalten würde. Aber: Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen, wie etwa Cristiano Ronaldo, der sich gegen Karriereende dazu entschlossen hat. Ganz schwierig wird es aber, wenn sich Spieler, die mitten in ihrer Karriere sind, die die Qualität haben, für Top-Klubs in Europa zu spielen, für solche Wechsel entscheiden. Und dann wird erzählt, dass man dort ambitioniert Fußball spielt – wobei es nur ums Geld geht. Das ist am Ende eine Entscheidung für das Geld – und gegen den Fußball. Und ab da beginnt es schwierig zu werden für den Fußball, den wir alle kennen und lieben.“
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Von Daten, Zahlen und Statistiken, die im Fußball seit Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen, hält er nicht viel: „Ich bin kein Freund von Daten, vor allem deshalb, weil zu viele in meinen Augen nicht aussagekräftig sind. Ich brauche keine Bestätigung dafür, dass ich eine Passquote von xy Prozent habe, um zu wissen, ob ich gut gespielt habe oder nicht. Das Gleiche mit den Laufdaten, von denen ich überhaupt nichts halte: Wer wie oft gesprintet ist, wer wie lange gelaufen ist – und dann wird suggeriert, dass die, die viel gelaufen sind, ein gutes Spiel gemacht haben. Ich sehe es andersherum: Je mehr ich laufe, umso schlechter spielen wir, denn umso mehr laufen wir hinterher, umso schlechter verteidigen wir, umso weniger Ballkontrolle haben wir.“
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Gastbeiträge von Jogi Löw und Jupp Heynckes
Außerdem berichten der ehemalige Bundestrainer Jogi Löw und Trainer-Legende Jupp Heynckes über ihre Erfahrungen mit Kroos. Auszüge aus ihren exklusiven Gastbeiträgen für SPORTS ILLUSTRATED:
Joachim Löw: „Toni ist einer der besten Spieler, die ich je gesehen habe. Und er ist vor allem der coolste Spieler. Cool insofern, als dass er in allem eine unglaubliche Sicherheit ausstrahlt. Ich habe mit Toni so viele Stunden, Tage, Wochen und Monate während Turnieren mit der Nationalmannschaft verbracht – und nie hat er ein Zeichen der Nervosität erkennen lassen. Er ruht stets in sich und ist total klar, auch unter größtem Druck. Und er hat sich auf jedes Spiel gefreut, auf jedes Halbfinale oder Finale. Man sah ihm die Freude förmlich an, wenn wir ins Stadion kamen. Bei anderen Spielern habe ich – was ja völlig normal ist – vor solchen wichtigen Partien eine gewisse Unruhe und Nervosität festgestellt. Toni war bis zum Anpfiff entspannt, das habe ich so nie mehr gesehen. Für mich war Toni ein extrem wichtiger Ansprechpartner. Ich habe seine Sichtweise auf den Fußball und seine Gedanken immer geschätzt: sehr deutlich, sehr klar, sehr ruhig und sehr analytisch. Aufgrund seiner Persönlichkeit steht er – positiv gesehen – über den Dingen: Er lässt sich nicht treiben von Emotionalität und Aktionismus.“
Jupp Heynckes: „Wenn man wie ich das Innenleben von Real Madrid kennt und weiß, wie fordernd die Medien sind und wie hoch auf der anderen Seite die Erwartungshaltung der Fans ist, dann kann ich nur den Hut ziehen vor seiner Leistung, nun in sein zehntes Jahr bei Real zu gehen. Toni, der zu Beginn seiner Karriere eher zurückhaltend und introvertiert war, ist heute sehr klar und geradlinig, hat seinen eigenen Kopf und vertritt seine Meinung und seine Entscheidungen wie den Rücktritt aus der Nationalelf nach der EM 2021 konsequent. Toni ist bereits als ganz großer Spieler in die deutsche Fußballgeschichte ein- gegangen und in Madrid zur Real- Legende geworden. Er hat in seiner Karriere alles richtig gemacht. Dass er irgendwann einmal Trainer wird – nein, das glaube ich nicht. Natürlich versteht Toni wahnsinnig viel vom Fußball und hat alles erlebt, andererseits er ist ein Familienmensch und musste als Spieler auf so vieles verzichten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Toni einen exzellenten TV-Experten abgeben würde. Er ist selbstbewusst, eloquent, hat Witz und Charme. Das wäre doch was für ihn.“
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