2. Bundesliga

Timo Baumgartl nach Krebs-Schock: "Ich wünsche niemandem so eine Diagnose"

Timo Baumgartl reift beim VfB Stuttgart zum Profi. In dieser Saison spielt er für den FC Schalke 04. Mit Sports Illustrated spricht der 27-Jährige über die Diagnose Hodenkrebs, seine Rückkehr zu alter Stärke - und wie ihn die Krankheit verändert hat.

Timo Baumgartl reifte beim VfB Stuttgart zum Profi und verteidigt seit dieser Saison für Zweitligist Schalke.
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Sports Illustrated: Darf man Sie noch Bruce Willis nennen?

Timo Baumgartl: Wenn Sie glauben, dass mir solche Sprüche auf die Eier gehen, dann liegen Sie falsch. Ich habe ja nur ein Ei…

Sports Illustrated: Ihr Humor im Umgang mit dem überstandenen Hodenkrebs gilt als legendär. Selbst was den Haarausfall als Folge der Chemotherapie betrifft und Vergleiche mit einem glatzköpfigen Hollywoodstar brachte. Woher kommt eigentlich diese Gelassenheit?

Baumgartl: Als ich nach dreieinhalb Monaten Chemotherapie und Reha in die Kabine von Union Berlin zurückkehrte, spürte ich eine Verunsicherung bei den Mitspielern. Sie wussten nicht, wie sie mit diesem sensiblen Thema umgehen sollten. Ich habe ihnen gleich zu verstehen gegeben: Jeder Hodenwitz ist willkommen. Ich kann darüber lachen und mache selbst Sprüche. Das war für mich auch eine wichtige Etappe auf dem Weg der Genesung. Aber natürlich wünsche ich niemandem eine solche Diagnose.

Sports Illustrated: Sébastien Haller von Borussia Dortmund und Marco Richter von Hertha BSC haben wie Sie den Krebs überstanden. Nun wurde bei Stefan Lainer von Borussia Mönchengladbach Lymphknotenkrebs diagnostiziert. Was raten Sie ihm für die kommenden Monate?

Baumgartl: Vor allem wünsche ich ihm eine schnelle Genesung. Aber ich tue mich schwer, Ratschläge zu geben. Jeder muss seinen Weg finden. Natürlich ist es ein Schock, wenn man sich als junger Hochleistungsathlet plötzlich mit einer mitunter tödlichen Krankheit auseinandersetzen muss. Ich war mit Marco und Sébastien viel in Kontakt, die Diagnose verbindet uns. Nur Betroffene können wirklich nachvollziehen, was es bedeutet, an Krebs zu erkranken und gegen den Tumor zu kämpfen. Ich habe während der Therapie immer versucht, mich viel zu bewegen. Die Vorfreude, wieder in ein volles Stadion einzulaufen und auf dem Platz zu stehen, hat mir die nötige Kraft gegeben. Zum Glück sind die Heilungschancen auch bei Stefan Lainer sehr gut. 

Baumgartl im Sommer 2022 nach der Krebs-OP - und kurz vor seinem Comeback
Baumgartl im Sommer 2022 nach der Krebs-OP - und kurz vor seinem Comeback
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Sports Illustrated: Hat Sie die Therapie mental sogar gestärkt?

Baumgartl: Im Endeffekt sehe ich das Leben heute insgesamt gelassener. Glückliche Momente genießt man mehr, im Job und im Privaten. Und man versteht: Der Fußball ist im Kern ein Spiel, bei dem es zum Glück nicht um Existenzielles geht. Das hilft, Niederlagen besser zu verkraften. Aber der Ehrgeiz ist so enorm wie früher: Ich will mich zurückmelden und allen beweisen, dass ich mein vorheriges Leistungsniveau wieder erreichen und vielleicht noch übertreffen kann. Ich will mithelfen, dass Schalke in die erste Liga zurückkehrt. Denn da gehört dieser Verein hin.

Sports Illustrated: Das Thema mentale und physische Gesundheit ist nicht erst seit der Krebsdiagnose Ihre Leidenschaft. Inwiefern beeinflusst das Ihren Alltag?

Baumgartl: Meine Freundin Julia ist ausgebildete Yogalehrerin und Ernährungsexpertin. Im Sommer waren wir gemeinsam auf einem Yoga-Retreat in Formentera. Für den perfekten Handstand muss ich aber noch etwas üben. Grundsätzlich ernähre ich mich weitgehend vegetarisch, weil ich Tiere und Umwelt schützen will. Bei Fisch mache ich allerdings eine Ausnahme. Ich nutze auch einen Oura-Ring, um Herzfrequenz, Körpertemperatur oder Schlaf zu analysieren. Das ist nützlich, man darf sich aber nicht zu sehr beeinflussen lassen. Wenn der Ring sagt, du hast nicht optimal geschlafen, dann darf dich das nicht runterziehen. Mehr als auf die Technik vertraue ich immer auf mein Körpergefühl. 

Sports Illustrated: Sie studieren auch in Teilzeit Psychologie. Hilft das, um sich mental auf ein Spiel vorzubereiten?

Baumgartl: Beim Studium geht es ja doch eher um Wissenschaft. Allerdings meditiere ich schon seit Jahren regelmäßig, um zu entspannen. Für Psychologie habe ich mich schon früh interessiert. Das lag auch an unserem Teampsychologen in der Jugend beim VfB Stuttgart, der hat mich in seine Arbeit reinschnuppern lassen. Ich habe immer gesagt: Wenn du schon Abitur gemacht hast, dann solltest du es auch nutzen, um zu studieren.

Sports Illustrated: Kürzlich haben Sie in das Münchner Start-up ONVY investiert, das personalisierte Gesundheitsvorsorge ermöglicht. Was versprechen Sie sich davon? 

Baumgartl: Der Gründer hat wie ich den Krebs überstanden, das verbindet uns. Vor allem will ich mehr Menschen dazu bewegen, präventiv auf Gesundheit zu achten. Leider ist unser System so aufgebaut, dass wir erst reagieren, wenn wir krank sind, anstatt mehr dafür zu tun, Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen. Auch durch meine persönliche Krebserfahrung will ich ein Vorbild sein und rate allen Männern: Leute, geht zur Vorsorge. Es kann jeden betreffen. 

 

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