Steffen Baumgart: "Mit den Erfolgen in Köln wird die Fallhöhe größer"
- Steffen Baumgart im Interview mit Sports Illustrated
- 1. FC Köln kämpft unter Baumgart ums internationale Geschäft
- Steffen Baumgart: "In Köln arbeite ich nicht anders"
Sports Illustrated: Herr Baumgart, kann man dem 1. FC Köln bereits zum Klassenerhalt gratulieren?
Steffen Baumgart: Ich denke, das müsste reichen. Wenn nicht noch irgendetwas Außergewöhnliches passiert, haben wir den Klassenerhalt geschafft. Wir haben elf Mannschaften hinter uns – alle elf werden uns nicht einholen.
Sports Illustrated: Wie viel Ruhe gibt Ihnen das Erreichen dieses Ziels für die weitere Arbeit?
Baumgart: Ruhig waren wir immer. Wir haben die ganze Saison konzentriert gearbeitet. Wenn es läuft, denkt man immer, das ist alles normal und selbstverständlich. Aber diese Momente muss man auch genießen, denn gerade in Köln weiß man auch, dass das nicht selbstverständlich ist.
Sports Illustrated: Wie haben Sie es geschafft, aus einer Fahrstuhlmannschaft eine schlagkräftige Mannschaft zu machen?
Baumgart: Wo wir gerade stehen, ist erstmal eine Momentaufnahme. Dafür ist das Fußballgeschäft einfach ein zu dünnes Eis. Da geht alles ganz schnell. Deshalb nehmen wir diesen Moment mit. Wir wissen aber, dass es auch andere Momente gibt. Deswegen freue ich mich, dass meine Jungs diese Entwicklung gemacht haben. Das ist wichtig.
Sports Illustrated: Was war der entscheidende Hebel, den Sie in Köln umgelegt haben?
Baumgart: Es gibt keinen besonderen Hebel. Es geht darum, dass wir uns klare Ziele setzen und uns gegenseitig sagen, wie wir miteinander umgehen wollen. Das ergibt eine Verbindung mit allem. Das ist mir damals in Paderborn auch gelungen. In Köln arbeite ich nicht anders. Ich bin keiner, der allein arbeitet. Ich bin einer, der gute Mitarbeiter um sich hat, die auch Sachen besser können als ich. Jeder, auch jeder Spieler kann sich einbringen – und das möchte ich auch gerne – denn das bringt sehr viel Positives. Wenn dann Erfolge hinzukommen, geht man diesen Weg noch intensiver. Das bringt uns Schritt für Schritt voran.
Sports Illustrated: Die Kölner Fans verehren Sie, die Ultras haben Sie nach dem Sieg gegen Leverkusen euphorisch empfangen. Macht Sie das stolz?
Baumgart: Diese Euphorie nehme ich im Moment gerne an. Aber die Kölner Fans haben auch schon andere Zeiten erlebt. Wir freuen uns, dass die Mannschaft die Anerkennung bekommt. Ich denke, unsere Ultras haben lange auf eine gute Saison gewartet. Und zwei Derby-Siege nehmen sie gerne mit. Es ist das gemeinsame Feiern, was für alle wichtig ist. Das ist schön in einer Stadt wie Köln, wo man die Euphorie sehr schnell entfachen kann. Aber dadurch wird die Fallhöhe natürlich größer.
Sports Illustrated: Ihre Mentalität als Trainer ist einzigartig. Standen Sie immer schon so unter Strom?
Baumgart: Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich als Trainer genauso viel tun muss wie die Jungs. Auch als Spieler war ich schon immer ein Typ, der über die Mentalität und die Energie kommt. Ein bisschen Fußballsachverstand gehört auch dazu. Eine Sache allein ist es nicht. Es wird ja oft gesagt, dass ich die Jungs gut packen kann. Aber ich habe schon das Gefühl, dass wir auch guten Fußball spielen.
Sports Illustrated: Kann man bei Ihnen überhaupt mal den Stecker ziehen?
Baumgart: Wenn ich mit der Mannschaft bei den Spielen an der Seitenlinie abgehe oder zu Hause mitfiebere, dann sind es nur diese Momente. Wer mich beim Training beobachtet, weiß, dass da alles ruhiger zugeht und dass ich mich auch mal zurücknehmen kann. Auf der einen Seite gibt es diese emotionalen Momente, aber grundsätzlich bin ich sehr einfach, sehr klar und ruhig. Bisher hat sich noch keiner beschwert, dass ich unter Dauerstrom stehe. Glauben Sie mir, meine Familie würde das ansonsten nicht aushalten.
Sports Illustrated: Wann und warum haben Sie angefangen auch im Winter an der Seitenlinie mit einem kurzen T-Shirt zu stehen?
Baumgart: Das hat sich irgendwann mal ergeben. Ich trage gerne Jacken, aber am Spielfeldrand hat mich das gestört. Weil mich immer viele Leute fragen: Ja, ich friere auch wie alle anderen, wenn ich keine Jacke trage. Wenn ich auf der Straße unterwegs bin, werden Sie mich nicht im kurzen T-Shirt sehen. Da habe ich eine sehr schöne dicke Winterjacke an. Aber am Spielfeldrand habe ich damit einfach zu wenig Bewegungsfreiheit. Das wird vielleicht irgendwann mal vorbei sein, dann werde ich wieder eine Jacke anhaben.
Sports Illustrated: Sie stammen aus Mecklenburg-Vorpommern. Was lieben Sie an Köln am meisten und was nicht?
Baumgart: Ich bin ein sehr offener Mensch. Das sind die Kölner auch. Da passt vieles zusammen. Aber in Köln ist Offenheit nicht alles, man muss auch Erfolg haben. Den haben wir im Moment, da habe ich es als Trainer leichter. Aber ich habe mich auch in Paderborn sehr wohl gefühlt, genauso wie in Cottbus. Es hängt immer von einem selbst ab, wie man auf die Menschen zugeht und sich darauf einlässt.
Sports Illustrated: Diese Saison könnte Platz sieben zum Erreichen des internationalen Geschäfts reichen. Wohin geht der Blick in der Bundesliga – was wollen Sie erreichen?
Baumgart: Wir wollen in den nächsten Spielen so viele Punkte wie möglich holen. Da gibt es jetzt nicht Platz sieben oder acht. Wir könnten am Ende der Saison vielleicht 50 Punkte haben. Das ist ein Zähler mehr, als Köln das letzte Mal international gespielt hat. Ich denke, dass wir weiter daran arbeiten werden, eine gute Saison zu spielen. Wohin dann die Reise geht, hängt auch von den anderen ab. Im Moment bewegen wir uns gut in der Bundesliga und haben uns Respekt erarbeitet. Aber es ist alles sehr, sehr eng, wie wir auch im letzten Spiel gegen Leverkusen gesehen haben.
Sports Illustrated: Antony Modeste ist einer der Schlüsselspieler in Köln. Wie wichtig ist er für die Mannschaft?
Baumgart: Wichtig ist, dass man überhaupt einen Torjäger hat. Es ist immer wichtig, dass jemand die Jungs mit seinen Toren über die Ziellinie bringt. Tony arbeitet für die Mannschaft und die Mannschaft für Tony. Er allein oder mit einer anderen Spielweise wäre nicht so erfolgreich. Ich denke, dass das alles zusammenhängt. Tony wird beim 1. FC Köln immer so ein bisschen als der Spieler gesehen. Aber ich sehe auch, dass Tony derjenige ist, der am meisten von unserem Spiel profitiert. Das muss man deutlich sagen – und er dafür auch wirklich alles gibt.
Sports Illustrated: Am Wochenende spielt Köln gegen den BVB. Das Stadion wird wahrscheinlich wieder voll sein. Wie sehr freuen Sie sich auf dieses Duell?
Baumgart: (lacht…) Ist das nicht schön, dass der 1. FC Köln in ein Spiel gegen Borussia Dortmund geht und wir wirklich darüber nachdenken, dieses Spiel gewinnen zu können und nicht darüber nachdenken, es irgendwie zu überleben? Das haben wir schon in Dortmund gezeigt, obwohl wir 0:2 verloren haben. Wir werden alles raushauen. Der BVB wird schauen, dass er alles raushaut. Dann werden wir sehen, was rauskommt. Inzwischen wissen alle, dass man nicht einfach nach Köln kommen kann und gewinnt, wenn man eine normale Leistung bringt. In Köln gewinnst du nur, wenn du über die Leistungsgrenze hinaus gehst. Das wollen wir auch. Und freuen uns dementsprechend auf ein schönes Fußballspiel. Denn ich sehe zu viele Spiele, die ich langweilig finde.
Sports Illustrated: Wie kann Köln dem BVB ein Bein stellen?
Baumgart: In dem wir gegen Dortmund so auftreten, wie wir im Moment in jedem Spiel auftreten. Wir wollen nach vorne spielen und mutig sein. Dann brauchen wir das Quäntchen Glück. Aber das hast du nur, wenn du es dir erarbeitest. So wie in Leverkusen – das hatten wir auch noch nicht so oft in dieser Saison. Man kann ein sehr gutes Spiel machen und gewinnen. Du kannst aber auch ein sehr gutes Spiel machen und verlieren. Trotzdem werden sich die Jungs weiterentwickeln. Darauf kommt es an, wenn man auf lange Sicht weiterkommen will.
Sports Illustrated: Ihren Durchbruch als Trainer hatten Sie beim SC Paderborn. Wann haben Sie gespürt, dass Sie ein Level höher gekommen sind?
Baumgart: Ich bin keiner, der sagt, ich bin jetzt ein Level besser. So sehe ich das nicht. Ich habe beim Berliner AK gearbeitet und dort auch meinen Weg gefunden und versucht, meinen Fußball zu spielen. In Paderborn hat sich alles entwickelt – auch mit Markus Krösche in der Zusammenarbeit. Ich denke, auch ein Trainer sollte sich entwickeln und dann kommen einfach die nächsten Schritte dazu. Gleichzeitig muss man sich treu bleiben. Ich stehe für eine gewisse Art von Fußball und Umgang mit den Spielern. Das will ich beibehalten. Ich habe mich genauso entwickelt, wie die Jungs und mit den Jungs, denn ohne sie geht es nicht. Wer glaubt, dass er als Trainer der Wichtigste ist, liegt falsch. Da gibt es ganz viele Bausteine und du bist einer davon. Ein wichtiger, der dann auch die Kappe aufhat. Aber wenn neben dir keiner mitmacht, bist du verloren. Dann ist man vielleicht für eine bestimmte Zeit gut, aber nicht auf Dauer.
Sports Illustrated: Was sind Ihre wichtigsten Maximen als Trainer im Umgang mit der Mannschaft?
Baumgart: Klarheit, Offenheit und Direktheit. Das sind Dinge, die mir wichtig sind. Mit mir kann man genauso klar reden und mir die Meinung sagen. Ich bin mir sicher, dass ich nicht alles weiß. Da geht es nicht darum zu streiten, sondern das Beste aus allem rauszuholen. Das geht nur, wenn man sich nicht als allwissend hinstellt und wenn man gute Leute um sich hat, die einem sagen, wir machen das jetzt anders. Und es geht um Vertrauen. Aber ich denke, dass meine größte Stärke die Offenheit ist - so begegne ich auch allen.
Sports Illustrated: Sie haben als Fußball-Profi lange beim FC Hansa Rostock gespielt. Liegt Ihnen der Verein noch am Herzen - und unterstützen Sie ihn?
Baumgart: Ich freue mich, wenn Hansa Rostock gewinnt. Da drücke ich natürlich die Daumen, aber Tipps brauchen sie nicht von mir. Hansa Rostock ist mein Heimatverein. Ich bin in dieser Stadt groß geworden. Das war meine erste Station in der Bundesliga. Meine Karriere als Bundesliga-Spieler begann für viele überraschend. Genauso überraschend ist es jetzt für viele, dass es bei mir als Trainer auch geht. Am Ende sage ich immer. Hier geht’s um Fußball und das kann ich ganz gut.
Sports Illustrated: Warum tun sich viele Traditionsteams in den neuen Ländern so schwer – und was muss passieren, dass diese Mannschaften konkurrenzfähig werden?
Baumgart: Wenn ich an Magdeburg oder Dresden denke, dann könnte Dynamo Dresden schon lange konkurrenzfähig sein. Das wäre für mich aber auch der einzige Verein, der das auf höherem Niveau sein könnte. Union Berlin hat es bereits geschafft, sich nach oben zu arbeiten, nicht nur über Partner im Osten. In meinen Augen ist die Finanzkraft das größte Problem. Den Vereinen in den neuen Bundesländern fehlen die 40 Jahre, in denen die Mauer stand. Im Osten haben wir keine Familienbetriebe, die mit ihrem Privatvermögen oder mit ihrem Privatbesitz einstehen. Dresden ist noch eine der wirtschaftlich stärksten Regionen im Osten. Aber fragen Sie mal Rostock oder Cottbus, wie es da ist. Dagegen Leverkusen und Wolfsburg, das sind ganz andere Dimensionen. Solche Firmen hat der Osten nicht als Stammsitz. Es wurde aber auch nicht immer gut gearbeitet. Aber wir sehen ja, es ist trotzdem möglich. Union Berlin hat es geschafft. Am Ende geht es in der Bundesliga immer um viel Geld – ohne das wird es schwer.
Sports Illustrated: Stimmt es, dass Dynamo Dresden im vergangenen Jahr an Ihnen als Trainer interessiert war?
Baumgart: Mit Ralf Minge bin ich gut befreundet, mit ihm habe ich mich mal ausgetauscht. Wenn es jetzt nicht Köln geworden wäre, hätte es vielleicht passieren können, dass man mal mit Dresden spricht. Dynamo ist immer noch ein Verein, der mehr als interessant ist.
Sports Illustrated: Wenn Sie als Trainer weiter so erfolgreich sind, träumen Sie dann auch von größeren Vereinen?
Baumgart: Diese Frage bekomme ich oft gestellt. Ich denke, dass Köln zu den vier größten Vereinen in Deutschland gehört. Was sollte der nächste Schritt sein? Champions League mit Borussia Dortmund? Man könnte auch einfach sagen, wir bauen mit dem 1. FC Köln etwas auf. Ich glaube nicht, dass es viele Vereine gibt, die größer als Köln sind. Auch was das Emotionale betrifft. Ich bin in einer der größten Städte in Deutschland. Wir haben mit das schönste Stadion. An den Trainingsbedingungen arbeiten wir. Dass man irgendwann einmal woanders Trainer wird, könnte trotzdem passieren - und dann ist das in Ordnung.
Sports Illustrated: Die Überlegungen gehen eher Richtung Premier League, wo Sie perfekt hinpassen würden.
Baumgart: Meine große Stärke als Trainer ist ja, dass ich meine Emotionen rüberbringe. Dazu muss ich kommunizieren. Davon lebe ich und dafür braucht man Gestik und Sprache. Ich spreche aber nicht so gut Englisch. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob das klappen würde. Ich bin nicht unbedingt ein Sprachtalent wie viele meiner Kollegen, die mit drei oder vier Sprachen agieren können.
Sie haben sich letztens differenziert zum Russland-Krieg in der Ukraine geäußert. In den Sozialen Medien bezeichneten Sie einige als Putin-Freund. Was sagen Sie diesen Leuten?
Baumgart: Das ist absoluter Quatsch. Aus eineinhalb Minuten sind zehn Sekunden rausgeschnitten worden. Aber darüber müssen wir nicht diskutieren. Wladimir Putin hat ein Land angegriffen und versucht es zu annektieren. Das ist ein Akt der Aggression. Das ist ein fürchterlicher Angriffskrieg. Allein wenn ich die Rhetorik höre, wird mir ganz anders. Ich denke, dass in den Sozialen Medien gerne darauf hingewiesen wird, was andere falsch machen. Aber bei diesem Krieg gibt es keine zwei Meinungen. Dieser Krieg muss sofort beendet werden.
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