NBA

Alle Augen auf Dončić

Der Superstar der Dallas Mavericks soll die Franchise endlich wieder zu einem Titel führen. Doch wer kann den Slowenen aufs nächste Level bringen? Die Antwort: Der neue Coach Jason Kidd – ein alter Bekannter

Luka Dončić
Credit: Getty Images
Sports Illustrated 01/22
Magazin
Sports Illustrated 01/22
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Inhalt

 

Kick Off

24 HOW IT STARTED 
Timo Werner über seine Fußball-Anfänge

 

26 SO MACHT MAN DAS 
Martin Schmitt erklärt uns, wie der perfekte Skisprung gelingt 

 

27 VIER FRAGEN AN ... 
Handball-Nationalspieler Timo Kastening 

 

28 ZAHLEN, BITTE! 
Facts zur Formel 1 

 

29 TROPHY-CHECK
Die Kunstkritik zur Vince Lombardi Trophy 

 

30 SHOPPING
Dinge, die wir mögen – zum Verschenken oder Behalten 

 

32 KULTUR
Sport auf allen Kanälen: Die neuen Filme, Bücher und Serien 

 

34 ESSENTIALS 
Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo öffnet für uns ihre Sporttasche 

 

35 HISTORY
Ein Football-Helm, der Geschichte schrieb 

 

36 FACES TO WATCH 
Boxer Ammar Riad Abduljabbar, Fußballer Nicolas Seiwald, Fußballerin Nicole Billa 

 

39 AUFSCHNITT 
Der Baseball unter dem Skalpell 

 

40 RANKING
Die Yankees-Cap kennt (und hat) jeder. Diese fünf nicht! 

 

42 FRAGE AN DEN TRAINER
Manuel Baum weiß, wann Fußballvereine ihre Spieler am besten verkaufen sollten 

 

44 KOLUMNE 
Patrick Esume über die Hot Week vor dem Superbowl 

 

46 KOLUMNE
Andrea Petkovic über das Älterwerden als Sportlerin 

 

48 KOLUMNE
Jürgen Schmieder über seine Liebe zu den Clubs aus Los Angeles 
 


Storys

52 COVERSTORY: JULIAN NAGELSMANN 
Der Trainer soll den FC Bayern München in eine neue Ära führen. Wie das klappen kann, verrät er uns im Interview. Zudem erläutert ein Experte die Nagelsmann-Taktik 

 

64 CRISTIANO RONALDO
Der Superstar von Manchester United ist wertvoll für seinen Club – als Fußballer genauso wie als mächtigster Influencer der Welt 

 

70 ROGER FEDERER 
Der Tennis-König kämpft um eine letzte Rückkehr auf den Court. Klappt das? 

 

78 DIE QUARTERBACK- EVOLUTION
Spieler wie Aaron Rodgers und Patrick Mahomes haben das Quarterback-Spiel auf ein neues Level gehoben. Eine Analyse 

 

88 SEBASTIAN VOLLMER
Der ehemalige Patriots-Profi spricht im Interview über die NFL-Games in Deutschland 

 

90 LUKA DONCIC 
Wie der neue Coach Jason Kidd den Mavericks-Star noch besser machen will 

 

96 OLYMPIA
Drei deutsche Snowboard-Hoffnungen im Porträt. Plus: Felix Neureuther über Klima, Spiele in China und die Zukunft des Sports 

 

104 LEON DRAISAITL 
Der deutsche NHL- Superstar spricht mit uns über Wayne Gretzky, Olympia und den Traum vom Stanley Cup 

 

110 ABER SICHER?
Ob man besser eine Maske tragen sollte (oder nicht), war auch im Sport ein lange umstrittenes Thema 

 

116 SI LEGENDS: MICHAEL JORDAN
Vor 30 Jahren kürte ihn Sports Illustrated zum „Sportsman of the Year“ – ein Rückblick 

 

124 WIR WOLLEN DOCH NUR SPIELEN 
Jede Sportkarriere – auch unsere – endet irgendwann. Wie können wir das Ende möglichst lange hinauszögern? Unser Autor macht sich auf die Suche 
 

Jason Kidd ist keiner, der das Offensichtliche ignoriert. Entsprechend nahe lag der Gedanke, die Los Angeles Lakers nach seinem zweiten Jahr als Assistenztrainer zu verlassen, als sich in der NBA über den Sommer sieben offene Cheftrainerposten auftaten. Eine davon brachte einen Faktor mit, der sie zu seinem klaren Favoriten machte: „Die Möglichkeit, mit einem jungen Star wie Luka zu arbeiten, lässt man sich nicht entgehen“, sagt Kidd. „Er ist unglaublich talentiert. Er weiß, wie das Spiel funktioniert, und bringt eine Motivation mit, die bei so jungen Spielern selten ist.“

Und so kam es, dass Kidd nun nach Dallas zu den Mavericks zurückkehrt, wo er immer noch den Rekord für die meisten Assists in einem Spiel hält. Sein Ziel: eine Siegermannschaft um den slowenischen 2,01-Meter-Guard aufzubauen, der in der Liste direkt hinter ihm steht: Luka Dončić, der vergangenes Jahr (nach Tiny Archibald und Oscar Robertson) zum dritten Spieler in der NBA-Geschichte wurde, der in seinen ersten drei Saisons einen Durchschnitt von 25 Punkten und sieben Assists erreichte. Aber es sind nicht nur Dončićs Zahlen, die Kidds Aufmerksamkeit erregten. Denn da sind auch noch dessen Sinn fürs Dramatische und die Gelassenheit zum Spielende hin, die besonders bei derart jungen Spielern eine Seltenheit ist. „Was er vorlegt, wenn es wirklich drauf ankommt, ist nicht mehr normal“, sagt Kidd. „Das ist was Besonderes.“

Dončić (r.) und sein Trainer Jason Kidd
Hoffnungsträger: der neue Mavericks-Coach Jason Kidd und sein Star-Spieler Luka Dončić
Credit: Getty Images
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Auch seinen Teamkollegen ist Dončićs Genialität nicht entgangen. Center Dwight Powell schwärmt, Dončić habe beim Pick-and-Roll „Augen im Hinterkopf“, und Point Guard Jalen Brunson, der ebenfalls 2018 zur Mannschaft stieß, bewundert bis heute einen Pass, den Dončić in ihrem ersten gemeinsamen Jahr warf, auf den ein Dreier folgte.

Dieses Gesamtpaket aus Talent, Mut und Sinn für Inszenierungen bewegte die Mavericks dazu, Dončićs Vertrag für 207 Millionen US-Dollar um weitere fünf Jahre zu verlängern. Und auch wenn Dončić bewusst ist, dass die Erwartungen hoch sind, weiß er das Erreichte zu schätzen. „Mein einziger Traum war es, überhaupt in der NBA spielen zu dürfen“, sagt er. „Jetzt in dieser Situation zu sein ist unglaublich.“

Aber die Mega-Gage bedeutet auch viel Druck, insbesondere bei einer Mannschaft, die während Dirk Nowitzkis 21-jähriger Ära nur eine Meisterschaft gewann – 2011 mit Kidd als Point Guard. Nun muss unbedingt Kapital aus Dončićs besten Jahren geschlagen werden. Und so erklärt sich auch der Richtungswechsel, den die Mavericks als Mannschaft vornehmen. Als Dončić damals zu einem Team ohne Top-Talent stieß, schien der Plan ganz simpel: die Veteranen loswerden, ein paar harte Jahre durchstehen und mit einem neuen Kern aus Dončić und gedrafteten Spielern in die Playoffs zurückkehren. 

Dončić im Dribbling
Talent, Mut und Sinn für Inszenierungen: Mit dem geldwerten Gesamtpaket Dončić (am Ball) wollen die Mavericks zurück an die Spitze
Credit: Greg Nelson
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Doch Dončićs rasante Entwicklung stellte alle Pläne auf den Kopf. Schon als Rookie hatte er einen Durchschnitt von 21,2 Punkten, 7,8 Rebounds und 6,0 Assists und machte seine Gegner mit Step-Back-Threes und Cross-Court-Dimes platt, die er mit links ebenso locker warf wie mit rechts. Also nahmen die Mavericks eine erste Anpassung ihres Plans vor, indem sie drei Spieler und zwei First-Round-Picks zu den Knicks schickten und dafür den 2,29-m-Mann Kristaps Porziņģis holten.

 

Porziņģis ist mit Dončićs brillantem Spiel vertraut

Sie standen sich bereits vor Dončićs NBA-Debüt gegenüber, bei einem Match im September 2017 zwischen Slowenien und Lettland im EuroBasket-Viertelfinale. Dončić trug 27 Punkte zu einem 103 : 97-Sieg bei. Porziņģis ließ sich ebenfalls nicht bitten und legte mit 34 Punkten die meisten Punkte des Spiels hin. Aber in den letzten Spielminuten riss Dončić die Kontrolle an sich. Er lockte Porziņģis mit zwei harten Dribblings in die Zone, verschaffte sich so freie Bahn, zog sich dann vollkommen entspannt zurück und versenkte einen Dreier. Danach feierte er seinen Triumph, indem er mit wippendem Kopf an der slowenischen Bank vorbeistolzierte, ein 18-jähriges Wunderkind, das spielte wie ein 28-Jähriger.

„Ich kann einfach nicht fassen, was für ein Naturtalent Luka ist“

„Ich kann einfach nicht fassen, was für ein Naturtalent Luka ist“, sagt Porziņģis. „Der Junge ist unglaublich. Er weiß immer, was er tun muss, um zu gewinnen.“

Die beiden zusammenzubringen schien für Dallas der große Coup zu sein. Beide Spieler sind Offensiv-Wunder, die bereits ziemlich ausgereift waren, als sie in die NBA stießen, und ihre Fähigkeiten ergänzen sich. So weit die Theorie.

Dallas-Duo: Dončić und Porziņģis sollen die Franchise zum ersten NBA-Titel in der Ära nach Nowitzki führen
Credit: Getty Images
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Dončić brilliert im Pick-and-Roll und schirmt mit dem Rücken Abwehrspieler ab, während er sich durch die Zone schlängelt. Porziņģis, 26, ist der perfekte Partner für solche Aktionen, als Roll-Man oder hinter der 3-Punkte-Linie, wo er eine Wurfstatistik von 36,1 Prozent besitzt. Die Partnerschaft hatte ihre hellen Momente, darunter eine 20-Spiele-Phase zum Ende der Saison 2019/2020, in der Porziņģis einen Punktedurchschnitt von 26,3 lieferte. Das Ende des vergangenen Jahres aber sah ganz anders aus.

Porziņģis verbrachte viel Zeit außerhalb der 3-Punkte-Linie, um die Verteidigung zu verbreitern, ohne einen Beitrag zu Dončićs Tanz auf dem Parkett leisten zu können. In den letzten fünf Spielen der Clippers-Serie scorte Porziņģis nur 58 Punkte. Entsprechend direkt fiel die Kritik aus, die er an der Strategie von Ex-Trainer Rick Carlisle übte: „Ich wurde viel als Spacer eingesetzt und habe nur Dreier geworfen“, sagte Porziņģis im September. „Aber ich kann mehr als das. Viel mehr.“

Dončić ist durchaus bewusst, dass ein Teil seines Jobs darin besteht, diese anderen Facetten aus seinem Teamkollegen hervorzulocken. „Es gibt noch vieles, das ich auf dem Parkett und abseits davon verbessern kann“, sagt er. „Meine Teamkollegen zu involvieren zählt dazu.“ Im vergangenen Sommer hat er bei Porziņģis eine Veränderung festgestellt. „Er ist dieses Jahr viel besser in Form, vor allem mental“, erzählt Dončić. „Wenn wir einfach mal zwanglos gespielt haben, war er bester Laune. Ich glaube, uns steht ein großartiges gemeinsames Jahr bevor.“ Und im Spätherbst 2021 sieht es für die Mavericks in der Western Conference tatsächlich ziemlich gut aus – auch dank der beiden Superstars.

Dončić beim Wurf
Schon als Rookie machte Dončić (in blau) seinen Gegnern mit Step-Back-Threes und Cross-Court-Dimes zu schaffen. Mit Jason Kidd trainiert den jungen Point Guard jetzt einer der All-Time-Greats auf seiner Position
Credit: Greg Nelson
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Einen gleichberechtigteren Angriff aufzubauen als in der Vergangenheit hat für Kidd – einen der visionärsten Spielmacher in der NBA-Geschichte – höchste Priorität. Als Trainer half er den Bucks 2015/2016 von Platz 26 im Offensiv-Rating auf Platz 13 im nächsten Jahr. Und er machte das 2,11-m-Ausnahmetalent Giannis Antetokounmpo trotz seiner häufigen Turnovers zum Leader, weil er auf seine Weitsicht und Spielführung vertraute.

Kidd betont, wie wichtig es ist, dass alle Spieler an Angriffen teilhaben, ein scheinbar offensichtlicher Punkt, der heutzutage im Spiel aber häufig untergeht. Man darf also nicht erwarten, dass Dončić Solo um Solo initiiert, wie es James Harden bei den Rockets tat. Kidd betrachtet seinen Leading Man nicht als einsamen Kämpfer, sondern als Angelpunkt der Offensive. „Dončić steht ziemlich unter Stress, und wir müssen Möglichkeiten finden, diesen zu reduzieren“, sagt Kidd. „Wir haben eine tolle Mannschaft und eine Menge Offensivpotenzial. Kristaps kann streckenweise eine Mannschaft stemmen. Und wir haben noch andere Jungs, die ihre eigene Technik entwickeln können. Da sollte es doch klappen, Luka ein wenig zu entlasten.“

Im zwischenmenschlichen Bereich erntete Kidd bei seinen vergangenen Trainer-Jobs allerdings nicht unbedingt Lorbeeren. Brooklyn verließ er 2014 nach einem turbulenten Jahr, und als er dann 2018 mitten in seiner vierten Saison von den Bucks gefeuert wurde, standen die Teammitglieder nicht gerade Schlange, um ihm alles Gute zu wünschen. In Milwaukee handelte er sich den Ruf ein, übermäßig anspruchsvoll und schwierig zu sein.

Zur Kummerkastentante wird er zwar nicht so bald mutieren, aber inzwischen zeigt er bei seinen Äußerungen eine Offen-
heit und ein Einfühlungsvermögen, wie sie bei seinen früheren Jobs undenkbar gewesen wären. Kidd sieht seine Rolle jetzt „eher als die eines Mitarbeiters“, nicht mehr als die des Teamleaders. Nach seiner größten Stärke gefragt, überlegt der Coach genau, ehe er eine klare Antwort gibt: „Mittlerweile?“, sagt Kidd. „Zuhören.“

Kidd sprang als Trainer ins eiskalte Wasser: 2013/2014 gab er das Knicks-Trikot zugunsten des Trainer-Jobs bei den Nets auf. Ehe er bei Milwaukee anfing, gönnte er sich kein Jahr Pause. Seine zwei Spielzeiten bei den Lakers als Assistent unter Frank Vogel ermöglichten es ihm, sich eine ganzheitlichere Spielperspektive anzueignen und alle Aspekte des Jobs kennenzulernen, ohne gleich unter dem Druck zu stehen, finale Entscheidungen treffen zu müssen. „Als Trainer bin ich direkt auf dem höchsten Level eingestiegen“, sagt Kidd. „Dafür gibt es kein Handbuch. Man denkt, man weiß alles. Tut man aber nicht. Die Grundlage für die Kommunikation mit der Mannschaft, dem Mitarbeiterstab, dem Management, ist die Fähigkeit zuzuhören. Das habe ich von Frank gelernt. Er stellt seinen Jungs immer Fragen, sondiert ständig die Lage.“

In dieser Hinsicht dürfte er bei Dončić auf offene Ohren stoßen. Denn der hat ebenfalls erkannt, wie wichtig es ist, mehr miteinander zu reden. Nachdem er bei den Olympischen Spielen in Tokio, wo er Slowenien auf den vierten Platz brachte, mit seinen Mannschaftskollegen im Hotel festsaß, habe er gelernt, wie wertvoll es sei, Zeit miteinander zu verbringen. „Wir müssen mehr zusammen abhängen“, sagt er.

Und dann ist da noch der Wille, sein Spiel unter seinem neuen Trainer noch weiter zu perfektionieren. „Es ist der Wahnsinn“, sagt Dončić darüber, wie es ist, unter Kidd zu spielen. „Ich habe die Möglichkeit, von einem Typen zu lernen, der hier selbst mal Champion war und auf derselben Position spielte wie ich. Er hat mit die besten Pässe der NBA geworfen, und ich freue mich wahnsinnig auf die Arbeit mit ihm.“