Sports-Illustrated-Interview

Patrick Femerling: "Einen zweiten Dirk Nowitzki wird es in Deutschland nicht geben"

Ex-Nationalspieler Patrick Femerling spricht mit Sports Illustrated über die Basketball-EM, die Topfavoriten beim Turnier und die Chancen der deutschen Mannschaft. Außerdem erklärt der 47-Jährige, dass es einen zweiten Dirk Nowitzki in Deutschland nicht geben wird. 

Patrick Femerling
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  • Patrick Femerling im Sports-Illustrated-Interview
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Sports Illustrated: Die Basketball-EM beginnt mit dem Kracher gegen Frankreich. Wie groß ist die Chance, dass die deutschen Basketballer erfolgreich ins Turnier starten?

 

Patrick Femerling: Ich glaube, das wird für beide Mannschaften kein leichtes Spiel. Gegen so einen Gegner haben beide Mannschaften noch nicht gespielt, gerade in einer Situation, in der es um so viel geht. Es ist der Start ins Turnier. Im ersten Spiel will man sich immer gut verkaufen und natürlich auch gewinnen. Aber viel wichtiger ist, einen guten Rhythmus fürs Team zu finden, um in den nächsten Spielen vom Auftakt zu zehren.

Sports Illustrated: Der einzige EM-Sieg von Deutschland war 1993. Wo steht das DBB-Team momentan im Vergleich mit Topmannschaften wie Serbien, Griechenland und Slowenien?

Femerling: Deutschland ist ein bisschen ersatzgeschwächt, das muss man leider sagen. Das ist auf den großen Positionen so, wo man normalerweise ein Luxusproblem hat. Aber ich denke, weil das Turnier zu Hause stattfindet, hat Deutschland schon eine Chance aufs Weiterkommen und vielleicht auf eine Medaille, wenn alles gut läuft. Die Favoriten sind Serbien und Griechenland. Das sind die beiden Topmannschaften. Hinzu kommen Frankreich und Slowenien, die mit Luka Doncic ein richtiges Zugpferd haben. Diese Mannschaften haben aber auch den Druck.

Sports Illustrated: Dennis Schröder ist der Star im deutschen Team. Was sind seine Stärken und an welchen Schwächen muss er noch arbeiten?

Femerling: Dennis bringt einen unglaublichen Speed mit und mit seinem Skillset kann er andere Spieler besser machen. Er ist in den vergangenen Jahren auch reifer geworden. Ich denke, dass er sich weiterentwickelt hat. Sein Wurf ist besser geworden. Er ist ein Spieler, der in allen Bereichen an sich arbeitet, weil er einfach immer besser werden möchte. Jetzt stellt sich die Frage, wer sind die weiteren Leute, die das Team führen können. Wenn man einen hat, der das machen möchte, ist das gut. Aber eigentlich braucht man mehrere Spieler, um die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen, damit nicht plötzlich eine Drucksituation entsteht. Deutschland muss als Team performen. In der NBA geht es darum, spektakulär zu spielen und viele Punkte zu machen. Bei einer EM geht es darum, den Sieg festzuhalten und gut zu verteidigen. Aufgrund der hohen Belastung und der Qualität der anderen Mannschaften ist es wichtig, erst einmal defensiv gut zu sein.

Sports Illustrated: Kann NBA-Jungstar Franz Wagner bei der Basketball-EM zum X-Faktor werden?

Femerling: Auf seinen Schultern lastet natürlich viel Druck, wenn immer wieder Vergleiche zu anderen Spielern gezogen werden. Er ist ein super talentierter Junge. Er kann mannschaftsdienlich spielen, ist produktiv in der Offensive und kann trotzdem seinen eigenen Stiefel runterzocken. Vot allem auch im Missmatch. Er ist eine Drei oder eine Vier. Er kann als Außenspieler auftrumpfen, obwohl er groß ist. Mit seiner Schnelligkeit und seiner Beweglichkeit kann er auf der Vier offensiv zum Korb gehen und seine Stärken ausspielen. Das ist schon ein Problem für andere Mannschaften. Ich hoffe, dass er einen guten Rhythmus findet und gesund durchs Turnier kommt.

Sports Illustrated: NBA-Profi Daniel Theis hatte zuletzt Knieprobleme. Welche Rolle kann er bei der EM spielen, wenn er seine Leistung abrufen kann?

Femerling: Er ist ein wirklicher Athlet. In den vergangenen Jahren hatte er in der NBA eine andere Rolle, in der er der Mannschaft geholfen hat. Das ist natürlich die Rolle der großen Spieler. Vielleicht ist das bei Johannes Voigtmann noch einen Tick anders, weil er Point Center ist. Aber auch er muss die Schmuddelarbeit machen. Ich erinnere mich noch an das Pokalfinale Bamberg gegen Bayern in Berlin, wo er das Ding am Ende mehr oder weniger fast alleine gewinnt, weil er einfach jeden Rebound geholt und um jeden Ball gekämpft hat. Ich denke, Daniel Theis kann der Mannschaft viel helfen.

Sports Illustrated: Gordon Herbert ist seit September 2021 Basketball-Bundestrainer. Wie bewerten Sie seine bisherige Arbeit?

Femerling: Das ist ein superschwerer Job. Er hat diese FIBA- und Qualifikationsfenster, bei denen er immer wieder andere Spieler einladen muss. Auf der einen Seite ist das ganz cool, weil Leute mal Nationalmannschaftsluft schnuppern, die vielleicht noch nicht so weit sind, einen ganzen Sommer durchzuziehen. Auf der anderen Seite ist es ein bisschen undankbar, wenn man die Fenster spielt und den Sommer nicht, weil man nicht dabei ist. In dieser Situation eine Mannschaft zusammenzustellen und zu motivieren, ist natürlich schwierig. Gerade wenn man sieht, welchen Stellenwert die Nationalmannschaft hat. Aber bis jetzt lief das alles ganz gut, auch mit dem Sieg gegen Slowenien.  

Sports Illustrated: Luka Doncic, Nikola Jokic und Giannis Antetokounmpo sind absolute Superstars in der NBA. Warum sind die Spieler aus Europa in der Masse zuletzt immer stärker geworden?

Femerling: Wenn man nur Athletik und Schnelligkeit mitbringt, ist man noch lange kein guter Basketballer. Die gute Grundausbildung, die seit vielen Jahren in Europa betrieben wird, plus die athletische Komponente machen den Unterschied. Die europäischen Spieler sind nicht mehr so weit abgeschlagen, wie vielleicht vor 20 oder 30 Jahren, wo man nur ein oder zwei Jungs hatte, die in der NBA mitspielen und sich gut bewegen konnten. Nikola Jokic kann vielleicht nicht so gut springen, dafür bringt er alles andere mit. Er ist so ein bisschen der Tim Duncan der ausländischen Spieler. Jemand, der das Spiel versteht und zocken kann. 

Nikola Jokic (l.) Giannis Antetokounmpo (r.)
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Sie haben von 1996 bis 2009 insgesamt 221 Spiele für Deutschland absolviert. Was war der schönste Erfolg mit dem DBB-Team in Ihrer Karriere?

Femerling: Das ist eine gute Frage. WM-Bronze 2002 und EM-Silber 2005 waren beide krass. Bei der WM haben wir Bronze gewonnen und drei Jahre später Gold im EM-Finale verloren. Aber obwohl wir das EM-Finale gegen eine griechische Mannschaft verloren haben, war es ein toller Erfolg. Viele Leute hatten vor dem Turnier gedacht, dass wir nicht über die Vorrunde hinauskommen. Am Ende sind wir mit der Silbermedaille nach Hause gegangen.

Sports Illustrated: Ein Jahr nach Ihnen kam Dirk Nowitzki 1997 zur deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Wird es jemals wieder einen Spieler wie ihn in Deutschland geben? 

Femerling: Ich hoffe ja. Aber es wird keinen zweiten Dirk Nowitzki geben. Als Spielertyp mit seiner Art und Weise, wie er sich gibt und wie er mit den Leuten umgeht, war er einzigartig. Vielleicht wird es jemand geben, der ähnliche Voraussetzungen und das Talent von Dirk hat. Einer, der so dominant auf dem Feld ist und so bescheiden abseits des Courts. Aber diese Spieler müssen noch zehn Schritte gehen, bevor sie auf Dirks Niveau sind. Das ist so ein bisschen das Gemeine, deswegen hinkt der Vergleich. Das Faszinierende an Dirk ist, dass er total angenehm, nett und lustig ist. Er war ein toller Teamkollege. Auf dem Feld wollte er unbedingt gewinnen. Aber am beeindruckendsten war, dass er jeden Sommer wiederkam und immer einen Tick besser war. Er war solider und hatte eine bessere Quote. Immer so, dass man es wirklich gemerkt hat.

Nowitzki_Dončić_Dallas Mavericks
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: 2022 haben Sie Ihren Vertrag als DBB-Nachwuchstrainer nicht verlängert. Was waren die Gründe?

Femerling: Mein Vertrag ist ausgelaufen und wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen darauf verständigt, dass ich nicht weitermachen werde. Der DBB und ich waren nicht sicher, wie es mit uns weitergeht. Das ist vollkommen OK und ist im Leistungssport ganz normal, dass man mal einen anderen Job hat als nur den einen. Jetzt orientiere ich mich neu.

Sports Illustrated: Wie sehen Ihre weiteren Zukunftspläne aus?

Femerling: Ich würde gerne im sportlichen Bereich bleiben. Aber das ist nicht so leicht, weil die Trainerjobs nicht so reichlich gesät sind. Jetzt gerade beschränke ich mich auf eine Findungsphase. Ich würde gerne im Basketball bleiben, orientiere mich aber auch in andere Richtungen. Ich habe jetzt 25 Jahre nur Basketball gemacht. Vielleicht ist es auch nicht schlecht, seinen Horizont mal ein bisschen zu erweitern und die Zeit jetzt zu nutzen, um einen besseren Blick auf die Welt zu bekommen.

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