Triathlon

Triathlon-Ass Laura Philipp: "Irgendwann wollte mein Hund nicht mehr rennen"

Laura Philipp ist seit Jahren eine der besten Triathletinnen in Deutschland. Im Interview mit Sports Illustrated spricht die Drittplatzierte beim Ironman Hawaii 2023 über ihren Sport, ihre Anfänge, ihren Hund, ihre Ziele und ihre Ernährung.

Triathletin Laura Philipp
Credit: Imago

Knapp 4 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen: Die Triathlon-Langdistanz gilt als eine der härtesten Challenges im Sport überhaupt. Die Deutsche Laura Philipp (36) wurde beim Ironman auf Hawaii Anfang Oktober WM-Dritte hinter der Siegerin Lucy Charles-Barclay aus Großbritannien und ihrer Landsfrau Anne Haug.

Sports Illustrated: Die Ironman-WM auf Hawaii ist etwa einen Monat her. Was war im Rückblick der schwierigste Moment des Rennens, das für Sie acht Stunden, 32 Minuten und 55 Sekunden dauerte?

Laura Philipp: Es ist beim Ironman schwierig, diesen einen Moment zu definieren. Bei einem Wettkampf, der über so viele Stunden dauert, gibt es häufiger Hochs und Tiefs. Ich denke immer nur von einer Sportart zur nächsten. Das Schwimmen ist nicht meine stärkste Disziplin, weil ich das auch erst so spät gelernt habe. Da rechne ich gerade bei so einem starken Feld damit, mit einem gewissen Rückstand auf die Spitze aus dem Wasser zu kommen. Das ist schon so eine Art kleiner mentaler Tiefpunkt. Das Radfahren lief dann richtig gut. Der Marathon war dann ein Kampf – du merkst, wie schwierig alles ist, weil der Körper überhitzt und die Müdigkeit eintritt. Das passiert nicht von einer Sekunde auf die andere sondern ist ein Prozess, bei dem man sich über fast drei Stunden irgendwie bei Laune halten muss und den Körper zu etwas treiben muss, worauf er gar keinen Bock mehr hat.

Sports Illustrated: Was wiegt schwerer: die mentale oder eine körperliche Herausforderung?

Philipp: Das ist in etwa 50:50. Ein Ironman ist eine riesige physische Herausforderung, aber darauf kann man sich als Profisportlerin extrem gut vorbereiten. Ich habe durch mein Training im Vorfeld auch schon ein gutes Gefühl dafür, wie meine Form ist und was man so ungefähr zu leisten im Stande sein könnte, wenn es gut läuft. Die mentale Komponente ist schwerer vorauszusagen, weil das sich von einem auf den anderen Moment verändern kann, je nachdem, was im Rennen passiert. Wenn man sich gedanklich in einer Negativspirale befindet, kann das schon richtig schwer werden. Gegen Ende des Rennens wird die mentale Komponente immer entscheidender. Ich war dieses Mal mental richtig stark und konnte meinen Körper immer wieder überreden, irgendwie doch noch ein Körnchen zu mobilisieren – anders als 2022, als ich beim Radfahren eine Zeitstrafe bekam und dieses negative Gefühl, das draus resultierte, sechs Stunden mit mir herumgetragen habe.

Sports Illustrated: Wie lange haben Sie gebraucht, um sich von den Strapazen zu erholen?

Philipp: Ja, das war jetzt dieses Jahr tatsächlich für mich fast die größte Herausforderung. Ich lag bis vor kurzen im Bett, weil ich nach dem Ironman richtig krank geworden bin.

Sports Illustrated: Zwei Stunden nach Rennende erlitten Sie einen Zusammenbruch.

Philipp: Tags darauf ging es mir zum Glück wieder ganz gut. Wobei man sich in den Tagen nach einem Ironman nie gut fühlt, man ist extrem müde, alles fühlt sich schwer an. In der Regel brauche ich etwa eine Woche, um mich von so einem Wettkampf zu erholen. Nur dass ich mir dieses Mal auf der Rückreise von Hawaii nach Deutschland einen Infekt eingefangen habe – das geht leider sehr schnell nach einem Wettkampf, weil aufgrund der krassen Belastung das Immunsystem runterfährt.

Laura Philipp auf ihrem Canyon-Bike
Laura Philipp auf ihrem Canyon-Bike
Credit: Sports Illustrated
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Sports Illustrated: Werfen wir einen Blick auf die einzelnen Sportarten, die den Triathlon ausmachen. Zum Radfahren kamen Sie als Erstes.

Philipp: Ich war etwa 16, als ich keinen Bock mehr auf die öffentlichen Verkehrsmittel hatte, um zur Schule zu kommen. Ich musste damals Zug fahren und dann in den Bus umsteigen, das hat mir zu lang gedauert, dazu das ständige Warten: Ich war schon immer eher ungeduldig. Von da an bin ich tatsächlich bis zum Abitur Montag bis Freitag mit meinem alten Mountainbike zur Schule und zurückgefahren – 60 Kilometer am Tag.

Sports Illustrated: Eine ziemlich lange Strecke.

Philipp: Und trotzdem war ich mit dem Fahrrad schneller als mit Bus und Bahn. Und ich habe schnell gemerkt, dass mir das Radfahren gut tat, ich war fitter und viel konzentrierter in der Schule. Der Rückweg war dagegen manchmal zäh. Im Endeffekt wurde ich auch mental härter, weil ich es einfach durchgezogen habe, weil ich keine andere Wahl hatte. Irgendwann habe ich angefangen, auf meinem Weg andere Radfahrer, die ich in der Ferne sehen konnte, zu jagen und einzuholen. Ich habe etwas Kompetitives in mir entdeckt, von dem ich gar nicht wusste, dass ich das in mir habe.

Sports Illustrated: Dann folgte das Laufen.

Philipp: Wir hatten einen Familienhund, der viel Auslauf bekommen sollte. Ich war dafür zuständig, mit ihm fünf Kilometer spazieren zu gehen – da kommt wieder die Ungeduld ins Spiel. Ich fand das irgendwann wahnsinnig langweilig und dachte mir: Wenn ich die Strecke jogge, ist es schneller vorbei, und der Hund hat seinen Auslauf. Am Anfang habe ich das gehasst, weil es bei uns daheim, ich komme aus der Nähe von Heidelberg, immer direkt bergauf ging. Aber ich wurde fitter und fitter, habe bei der Strecke hier und da einen Schlenker drangehängt – irgendwann wollte dann der Hund nicht mehr. In dem Moment habe ich realisiert, dass ich einen neuen Sport für mich entdeckt hatte, der mir Spaß macht. Von da an bin ich regelmäßig ohne Hund rausgegangen, um eine Runde zu joggen.

Sports Illustrated: Fehlt zum Triathlon noch das Schwimmen. Kraulen lernten Sie erst mit 24.

Philipp: Meine Freunde haben als Staffel bei einem kleinen lokalen Triathlon mitgemacht, dem HeidelbergMan. Ich wollte sie an der Strecke supporten, habe mir das Ganze angesehen und dachte mir dann: Das sieht witzig aus, es wäre doch eine coole Challenge, das im nächsten Jahr mal alleine zu probieren. Dafür hat mir nur das Schwimmen gefehlt. Ich habe das bei uns daheim im Hallenbad versucht, das war erst sehr ernüchternd. Ich hatte keine Ahnung von der Technik, ich habe mir YouTube-Videos dazu angesehen, die anderen Leute in Schwimmbad beobachtet und dann versucht, eine Bahn zu kraulen. Das war so wahnsinnig anstrengend, dass ich nach jeder 25-Meter-Bahn eine Pause brauchte. Aber ich habe es einfach durchgezogen, bis ich eines Tages ein Schlüsselerlebnis hatte. Ich dachte mir: Warum halte ich immer an? Was soll passieren? Wenn ich untergehe, würde mich der Bademeister schon retten. Ich bin dann 500 Meter am Stück geschwommen. Der Knoten war geplatzt. Beim Triathlon wurde ich auf Anhieb Zweite, es war ein megageiles Erlebnis und ich wusste danach: Das will ich wieder machen. Ich bin in einen Verein eingetreten und habe das erste Mal nach einem richtigen Plan trainiert. Damals habe ich auch meinen Mann und Trainer kennengelernt. Zu Beginn war es ein Hobby, der Sprung in dem Profisport folgte erst später.

Sports Illustrated: Seit 2015 sind Sie Profi. Wie viel trainieren Sie in der Vorbereitung auf einen Wettkampf?

Philipp: Das sind – je nach Woche – über 30 Stunden. Ich trainiere jede Disziplin vier- bis fünfmal, dazu kommt zweimal Krafttraining pro Woche. Aber da gibt es verschiedene Ansätze. Ich versuche möglichst qualitativ zu trainieren, andere gehen nur über den Umfang und trainieren bis zu 40 Stunden pro Woche. Weil ich vergleichsweise spät in den Leistungssport gekommen bin, muss ich eher darauf achten, meine Motorleistung nach oben zu drehen. Diese Effizienz, die man gerade für den Ironman braucht, die habe ich mir durch die vielen Radfahrten zu Schule geholt. Aber weil ich als Kind nie Leichtathletik gemacht habe, muss ich zum Beispiel weiter an meiner Schnelligkeit arbeiten. Das Wichtigste ist aber diese Konsistenz im Training – über Monate, über Jahre. So entsteht Weltklasseleistung.

Sports Illustrated: Welche Rolle spielen Erholung und Ernährung? Sie sind schon länger Vegetarierin. 

Philipp: Ich sage immer: Man kann nur so viel trainieren, wie man sich auch erholen kann. Gerade wenn ein WM-Rennen ansteht, vergleicht man sich immer mit anderen Athleten. Bei Social Media sieht man täglich, was andere machen. Ich bin auch nicht frei davon, dass irgendein kleines Stimmchen in meinem Kopf angeht, das fragt: Habe ich genug gemacht, kann ich noch irgendwo mehr machen? Meistens trainiere ich drei Einheiten am Tag, da ist vor allem die Herausforderung, zwischen diesen Einheiten Erholung zu finden. Ich muss mich dazu zwingen, abzuschalten und nichts zu tun, das entspricht eigentlich nicht meinem Charakter. Was die Ernährung angeht: Ich versuche, nie nüchtern zu trainieren und vor und nach einer Einheit immer direkt zu essen. Ich koche nach Möglichkeit selbst, das hilft mir ebenfalls dabei, runterzukommen.

Triathletin Laura Philipp
Triathletin Laura Philipp
Credit: Sports Illustrated
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Sports Illustrated: Das perfekte Equipment – ob Rad oder Schuhe – spielt im Triathlon eine immer wichtigere Rolle.

Philipp: Den wichtigsten Part nimmt hier das Radfahren ein, weil es die Disziplin mit der längsten Dauer und Distanz ist. Hier kommt es vor allem auf die Aerodynamik an, weshalb ich viel Zeit im Windkanal verbringe, um die perfekte Position zu finden. Dazu gibt es am Rad so viele Teile, die die Performance beeinflussen: Die Reifen zum Beispiel, oder die Schläuche – wobei ich mittlerweile ohne Schlauch – also tubeless – fahre. Dazu kommen Dinge wie Lager, Schaltröllchen und natürlich die Rahmenform, in meinem Fall die des Canyon Speedmax. Das hat sich auch über die Jahre immer weiterentwickelt. Es ist immer faszinierend zu sehen, wie man über Kleinigkeiten fünf Watt einsparen kann. Das klingt zwar nicht viel, macht am Ende auf 180 Kilometer aber mehrere Minuten aus. Diese Kombination aus physischer Leistungsfähigkeit und Technik finde ich spannend. In dieser Hinsicht ist mein Partner Canyon superwichtig für mich, weil ich nach so einer Firma gesucht habe: die genau dieses Streben hat, sich immer weiter zu verbessern.

Sports Illustrated: Triathlon wird immer populärer und professioneller. Wohin entwickelt sich der Sport?

Philipp: Für Profi-Athleten ist es gerade eine tolle Zeit. Wir haben mehr Möglichkeiten als je zuvor zuvor. Auch die Verdienstmöglichkeiten werden immer besser. Gleichzeitig glaube ich, dass der Triathlonsport auch immer weiter noch wächst. Es ist ja noch eine sehr junge Sportart. Ich habe das an den Reaktionen gemerkt, die ich auf mein Hawaii-Rennen bekomme habe. Da haben sich Menschen gemeldet, die sich eigentlich nicht für den Sport interessieren. Es freut mich, dass das immer mehr Menschen fasziniert. Das Schöne daran ist ja, dass es eigentlich drei Volks-Sportarten sind. Mein Wunsch wäre, dass es noch mehr kleinere Triathlon-Veranstaltungen gibt. 500 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Rad, fünf Kilometer Laufen: Distanzen, die man auch ohne wahnsinnig viel Training schaffen kann. Die Entwicklung geht eher dahin, dass die Menschen gleich einen Ironman machen oder einen Marathon laufen wollen. Dabei tun kürzere Distanzen dem Körper viel besser. Denn wenn man ehrlich ist: Ein Ironman ist nicht gesund. Der Körper kann das verkraften, wenn man ihn gut vorbereitet. Zumal ich mir also Profi eine wirklich gute Regeneration gönnen kann. Aber für Menschen, die einen Vollzeitjob haben, Kinder und, und, und: Für die ist das unfassbar fordernd. ​

 


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