Triathlon

Quäl mich! So schaffte es Triathlon-Star Kristian Blummenfelt an die Weltspitze

Kristian Blummenfelt ist einer der Topstars im Triathlon. Dafür gibt es mehrere Gründe. Seine Leidensfähigkeit und die technische Überlegenheit seines Materials sind nur zwei Aspekte, warum der Norweger zu den besten Triathleten der Welt zählt.

Triathlet Kristian Blummenfelt
Credit: Red Bull

Es sind diese Art Termine, an die sich Kristian Blummenfelt in nächster Zeit noch mehr gewöhnen müssen wird. Der 29-jährige Norweger ist auf eine Stippvisite nach Barcelona gereist, kurz nachdem er bei den US Open der Triathlon-Eliteserie PTO in Milwaukee auf Platz drei lief. Man könnte meinen, der Mann sei müde. Doch selbst, wenn er es wäre: Man sieht es ihm nicht an.

Blummenfelt ist schon wieder in seinem Element – oder vielmehr in einem seiner drei Elemente: In diesem Fall krault er anlässlich eines Events seines Sponsors Red Bull durch das Hafenbecken vor Barcelona, wo er zusammen mit Seglern des Alinghi-Teams bereits joggen und Radfahren war. Und das Bild des starken Mannes im Meer: Es steht symbolisch für Blummenfelts gegenwärtige Rolle in der Triathlonwelt. Denn seit Jan Frodeno nach der Ironman-WM in Nizza seine Traumkarriere beendete, ist er, der Mann aus Bergen im Südwesten Norwegens, endgültig die Gallionsfigur an der Spitze seines Sports. Mit allem, was dazugehört.

Kristian Blummenfelt: Training dauert acht Stunden am Tag

Doch Blummenfelt will mehr. Er will sich im Triathlon unsterblich machen und die Erfolge von Frodeno in den Schatten stellen. Sein gegenwärtiges Ziel ist die Titelverteidigung bei den Olympischen Spielen 2024. Dem ordnet Blummenfelt alles unter. So ließ er beispielsweise das Rennen in Nizza aus, um sich voll auf die Spiele in Paris zu fokussieren. Mitentscheidend für seine Absage war aber wohl auch die Radstrecke mit ihren steilen Anstiegen – keine gute Siegvoraussetzung für den vergleichsweise schweren Blummenfelt. Denn: Wenn er antritt, will er auch gewinnen. 

Kristian Blummenfelt aus Norwegen
Kristian Blummenfelt aus Norwegen
Credit: Sports Illustrated
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Stattdessen trainiert er wie besessen. Und mit einiger Sicherheit kann man sagen: Kein anderer Triathlet quält sich mehr als Blummenfelt, der das Talent besitzt, besonders brutal zu sich selbst zu sein. Seine drei Trainingseinheiten am Tag dauern bis zu acht Stunden. Dabei arbeitet er immer daran, die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu verschieben. Blummenfelts Motivation: der Glaube daran, sich Ziele setzen zu können, die für den Rest der (Triathlon-)Welt unerreichbar scheinen. 

Begonnen hatte er als Schwimmer, bis ihn sein Trainer eines Tages zur Seite nahm. "Ich hatte nicht genügend Talent. Mein Schwimmtrainer riet mir, etwas anderes auszuprobieren. Dann habe ich mich für einen lokalen Triathlon angemeldet und bin dabeigeblieben", sagt Blummenfelt, der in seiner Jugend auch ein mehr als passabler Läufer war. Mit zwölf Jahren lief er die zehn Kilometer bereits in 36 Minuten.

Blummenfeld gewinnt in Tokio und Ironman

Sein Lauftalent und sein Ehrgeiz waren jedoch nicht die einzigen Gründe, warum Blummenfelt zu einem der besten Triathleten aller Zeiten wurde. Er ist einer der Profiteure des norwegischen Sportsystems. 2010 kam er auf die Tertnes-Toppidrett-Sportakademie in seiner Heimatstadt. Sein Trainingskollege, der spätere Hawaii-Sieger Gustav Iden, folgte zwei Jahre später. An der Akademie wurde nichts dem Zufall überlassen, alles lief nach Plan. Und zwar genauestens. Dabei setzten die Skandinavier auf Top-Wissenschaftler und eine kleine Gruppe an Triathleten, die die Professionalität mit ständigen Tests, Training unter Laborbedingungen und neuesten wissenschaftlichen Methoden auf ein neues Level hieven sollten. Das nötige Geld steuerte der Staat bei.

Triathlet Kristian Blummenfelt
Triathlet Kristian Blummenfelt
Credit: Red Bull
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Vor über zehn Jahren hatte Norwegen das Ziel ausgegeben, bis spätestens 2020 eine Olympia-Medaille im Triathlon zu holen. Und die Investitionen sollten sich auszahlen. Im Alter von 22 Jahren war Blummenfelt 2016 in Rio de Janeiro der erste Triathlet aus Norwegen, der sein Land bei Olympischen Sommerspielen vertrat. Als zweitjüngster Teilnehmer belegte er Platz 13. Fünf Jahre später, bei Olympia 2021 in Tokio, gewann Blummenfelt Olympia-Gold.

"Wir sind führend, wenn es darum geht, Technologien und Daten zu nutzen. Wir haben viele Tests unter Laborbedingungen und versuchen, diese Ergebnisse ins Freie zu übertragen. Im Freien führen wir dann weitere Tests durch. Das ist einer der Hauptgründe für unsere Erfolge über verschiedene Distanzen", sagt Blummenfelt über die norwegische Triathlon-Dominanz.

Tests, Tests, Tests - Blummenfelt überlässt nichts dem Zufall

Seit 2015 trackt Trainer Olav Aleksander Bu die Trainingsdaten von Blummenfelt und Iden, um aus diesen Zahlen entscheidende Erkenntnisse zu gewinnen und präzise Trainingspläne zu erstellen. Zusammen haben sie die "Norwegische Methode" entwickelt, die aus datenbasiertem Training, Laktattests sowie Blut- und Sauerstoffmessungen besteht. Was nicht gemessen werden kann, fliegt aus dem Trainingsprogramm.

Besonders wichtig sind Laktattests, mit denen die Trainingsintensität ermittelt wird. Dabei erfolgt eine individuelle Überwachung in Echtzeit, um täglich Optimierungen vornehmen zu können. Alle Daten werden in Protokollen notiert, damit Blummenfelt und Iden das perfekte Maß an Training zur richtigen Zeit absolvieren. Nichts wird dem Zufall überlassen. Bei der Intensitätskontrolle geht es vor allem darum, im Training nicht zu überpowern. Angetrieben von seinem Ehrgeiz, trainierte der Norweger früher oft zu hart. Dadurch leerte sich sein Glykogenspeicher zu schnell, und die Laktatschwelle wurde früh überschritten, was zu Leistungsverlust und Müdigkeit führte.

Dazu wird sein Training mit bis zu 20 Sensoren und einer Hightechatemmaske überwacht. Dadurch kann der gesamte Energie- und Sauerstoffverbrauch ermittelt werden. Ziel ist es, die Intensität des Trainings knapp unterhalb der Laktatschwelle zu belassen. Diesem Bereich wird ein hoher Effekt bei der Entwicklung der Ausdauerfähigkeit nachgesagt.

Schnellster Triathlonanzug der Welt

Aber Bu, Iden und Blummenfelt trainieren nicht nur zusammen. Sie haben mit Santara Tech eine Art Sportlabor gegründet, das Produktforschung und -entwicklung betreibt. Eine Fitness-App soll folgen, um andere Profi- und Normalsportler an den Methoden der Norweger teilhaben zu lassen. Blummenfelt, Iden und Bu sind wie eine Familie: Das Trio verbringt 300 Tage im Jahr zusammen, wenn sie auf Reisen um die Welt sind. Wenn nötig, teilen sie sich ein einfaches Zimmer. Dann tüfteln sie zusammen, werten Ergebnisse aus – und Iden steckt sich nachts AirPods in die Ohren, falls Blummenfelt mal wieder schnarcht. Aber Blummenfelt und Iden sind nicht nur Freunde, Trainingspartner und jeweils Single, sondern auch Konkurrenten. So lief Iden beim Ironman 2022 auf Hawaii Blummenfelt davon, schnappte sich den Sieg und stellte mit 7 Stunden, 40 Minuten und 24 Sekunden einen neuen Streckenrekord auf. 

Triathlet Kristian Blummenfelt
Triathlet Kristian Blummenfelt
Credit: Sports Illustrated
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Das konnte Blummenfelt unmöglich auf sich sitzen lassen – und wechselte daraufhin einige seiner Ausstatter. Bei seinem aktuellen Schwimm- und Rennanzug handelt es sich um einen der schnellsten Triathlonanzüge der Welt, der in Zusammenarbeit mit der Universität in Trondheim entwickelt wurde. Um den Luft- und Reibungswiderstand des hautengen Anzugs zu minimieren, besitzt der Schulterbereich eine Golfball-Struktur, der Stoff am Oberschenkel eine Streifenstruktur. Und wer sich Blummenfelts Rad ansieht, stellt fest: Mit den Rädern der Konkurrenz hat sein Modell wenig gemein. Der Rahmen ist eine Monocoque-Konstruktion – also in einem Stück gefertigt – mit maximaler Luftwiderstandseffizienz. Das Rennrad hat kein Oberrohr, das Trinksystem ist in einer herausnehmbaren Blase im Unterrohr verstaut.

Trainiert wird häufig im französischen Font-Romeu sowie in der spanischen Sierra Nevada. Fordernde Höhentrainingslager, um sich perfekt auf die Rennen vorzubereiten. Wenn er nicht an sich arbeitet, verbringt Blummenfelt viel Zeit mit Social Media. Er liest fast alle Triathlon-News im Netz – und was es an Kommentaren über ihn gibt. Über die negativen, so erzählt man, soll er sogar Buch führen. Blummenfelt sagt dazu: "Nein, nein, nein. Das ist alles in meinem Kopf. Ich weiß nicht, woher das kommt, dass ich alle Kommentare lesen würde. Aber ich schaue mir einige an – und ja, vielleicht erinnere ich mich auch an sie. Ich sehe das als Motivation, um die negativen Meinungen zu widerlegen."

Bummenfelts Motto: "It hurts more to lose"

Negative Meinungen über sein Gewicht, die man zuhauf findet, stören ihn nicht. Blummenfelt glaubt, dass 79 Kilogramm bei einer Größe von 1,76 Meter für ihn die perfekte Balance darstellen. "Priorität hat, dass genügend Treibstoff vorhanden ist", sagt er. "Natürlich möchte man sich gesund ernähren, aber es ist auch sehr wichtig, genügend Kalorien zu sich zu nehmen und nicht zu versuchen, auf Zucker zu verzichten, obwohl viele denken, dass es sich dabei um schlechte Kalorien handelt. Wenn man 30 bis 40 Stunden pro Woche trainiert, ist es eben sehr schwierig, die Kalorien, die man braucht, nur mit Obst und Salat zu decken."

Im Gegensatz zum 1,94 Meter großen, schlanken Frodeno ist Blummenfelt ein kräftiger und gedrungener Athlet – der dank seiner Triumphe aber endgültig mit dem Vorurteil aufgeräumt hat, dass nur leichte Triathleten erfolgreich sein können. Und: Mit seinem Olympiasieg 2021 in Tokio und dem Ironman-Triumph nur zehn Monate später bewies Blummenfelt, dass man in kurzer Zeit erst auf der Kurz- und dann auf der Langdistanz gewinnen kann.

Triathlet Kristian Blummenfelt
Triathlet Kristian Blummenfelt
Credit: Sports Illustrated
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Bei Frodeno hingegen lagen zwischen seinem Olympiasieg 2008 und dem ersten Ironman-Triumph sieben Jahre. "Jan Frodeno ist eine Triathlon-Legende", schwärmt Blummenfelt. Mittlerweile ist "Big Blu" selbst auf bestem Weg dorthin. Beim Triathlon-Experiment 2022 am Lausitzring knackte er als erster Mensch die Sieben-Stunden-Marke auf der Ironman-Distanz. Mithilfe von Pacern und Windschattenfahren, was bei offiziellen Wettkämpfen nicht erlaubt ist, absolvierte Blummenfelt die 226,3 Kilometer lange Gesamtdistanz in 6 Stunden, 44 Minuten und 25 Sekunden. Damit war er fast 37 Minuten schneller als seine eigene offizielle Ironman-Bestzeit, die bei 7 Stunden, 21 Minuten und 12 Sekunden liegt.

Blummenfelt scheint nichts und niemand zu stoppen. Beim kleinen Show-Triathlon in Barcelona setzt er sich an die Spitze, als er nach der Schwimmeinlage zusammen mit den Seglern erst Rennrad fährt und an der Strandpromenade joggen geht. Danach schiebt er sein Rennrad in die Ecke, auf dem in goldenen Buchstaben steht: "It hurts more to lose" – zu Deutsch: "Verlieren schmerzt mehr".



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