Tour de France

Fabian Cancellara: "Bergfahrer haben bei der Tour de France einen klaren Vorteil"

Fabian Cancellara gehörte im letzten Jahrzehnt zu den besten Radfahrern der Welt. Der Zeitfahrspezialist aus der Schweiz spricht im Interview mit Sports Illustrated über die Tour de France, den Vorteil der Bergfahrer und die Ziele mit seinem Tudor Pro Cycling Team.

Fabian Cancellara bei der Tour de France 2015 im Gelben Trikot
Credit: Getty Images
  • Fabian Cancellara im Sports-Illustrated-Interview
  • Cancellara: "Tour de France wichtigstes Radrennen der Welt"
  • Tour de France: Bergfahrer haben klaren Vorteil

Fabian Cancellara gehörte mehr als ein Jahrzehnt bis 2016 zu den besten Radfahrern der Welt. Der Zeitfahrspezialist gewann zwei olympische Goldmedaillen, vier Weltmeistertitel, fuhr bei der Tour de France im Gelben Trikot und holte sieben Siege bei Milano–Sanremo, der Flandern-Rundfahrt sowie Paris–Roubaix. Nach seinem Rücktritt widmet er sich Projekten wie dem Tudor Pro Cycling Team und gibt seine Erfahrungen weiter. 

Sports Illustrated: Warum ist die Tour de France das bedeutendste Radrennen der Welt?

Fabian Cancellara: Die Tour de France ist das wichtigste Radrennen der Welt, das die meisten Fans anzieht. Die Frankreich-Rundfahrt hat eine lange Geschichte, was das Rennen so besonders macht. Mit den vielen Geschichten, Triumphen und Tragödien ist die Tour de France etwas ganz Spezielles – auch für die Sponsoren. Für die Fahrer ist es immer etwas Besonderes, das Maillot Jaune zu tragen.

Sports Illustrated: Haben Sie die Tour de France als Zeitfahr-Spezialist geliebt oder gehasst?

Cancellara: Für mich war die Tour de France immer ein bunter Mix. Ich habe mich auf die Zeit bei der Tour de France gefreut, weil wir zusammen mit dem Team viel erlebt haben. Natürlich hat man als Zeitfahrer andere Ziele als ein Bergfahrer. Aber ich hatte von allem etwas, was mich weitergebracht hat. Angst vor den Bergen hatte ich nicht.

Sports Illustrated: Wer ist der Favorit auf den Sieg bei der diesjährigen Tour de France?

Cancellara: Es wird wahrscheinlich auf ein Duell zwischen Tadej Pogačar und dem Team Jumbo-Visma mit Primoz Roglic und Jonas Vingegaard hinauslaufen. Seit der Tour de Suisse muss man auch Geraint Thomas vom Team INEOS Grenadiers auf dem Schirm haben. Hinzu kommt der ein oder andere Außenseiter, wo man vorher nie weiß, wer für eine Überraschung sorgen kann.

Sports Illustrated: Welche Eigenschaften muss ein Fahrer mitbringen, um die Tour de France zu gewinnen?

Cancellara: Man muss körperlich topfit sein. Aber die Mentalität spielt mindestens eine genauso große Rolle. Wenn man bei der Tour de France an den Start geht, stehen die Fahrer unter einem extremen Druck. Die ganze Welt schaut auf dieses Rennen und ihre Protagonisten. Diesen Druck muss man ausblenden. Am Schluss ist die Tour de France ein Radrennen, wo es zur Sache geht wie bei anderen Rennen auch. Dafür benötigt man sicherlich auch Erfahrung und eine gewisse Kaltblütigkeit. Man muss seine Qualitäten in den Bergen haben, man muss aufmerksam sein und man muss seine Leistung über drei Wochen abrufen können.

Fabian Cancellara
Fabian Cancellara
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Haben die Bergfahrer bei der Tour de France einen Vorteil?

Cancellara: Ich denke schon, dass die Bergfahrer einen klaren Vorteil haben. Am Berg kann man viele Minuten gutmachen, während die Sprinter manchmal nur Sekunden bei einer Zielankunft herausholen. Deshalb können gute Kletterer insgesamt mehr Zeit gutmachen. Insgesamt muss man bei der Tour de France ein guter Kletterer sein mit Rundfahrt-Qualitäten.

Sports Illustrated: Sie waren lange einer der besten Zeitfahrer der Welt. Was war Ihr schönster Sieg und an was erinnern Sie sich nicht so gerne?

Cancellara: Für mich war der Olympiasieg im Einzelzeitfahren 2016 in Rio de Janeiro das persönliche Highlight. Dieser Sieg sticht besonders hervor. Ganz im Gegensatz zur Weltmeisterschaft 2011 in Kopenhagen, wo bei mir alles schiefgegangen ist. Ich bin damals fast zwei Mal in die Absperrung gefahren und hatte einen Tag zum Vergessen.

Sports Illustrated: Wie haben Sie es geschafft, immer auf Top-Level zu fahren?

Cancellara: Dieses Kunststück zu schaffen ist nicht einfach. Aber ich hatte immer eine gute Balance zwischen Wettkämpfen, Training und einfach mal weniger oder nichts machen. Wenn es nötig war, habe ich mir die Zeit genommen, um meine Batterien aufzuladen. Ansonsten ist es wichtig, dass man sich auf alle Wettkämpfe akribisch vorbereitet.

Sports Illustrated: Wie sahen diese Erholungsphasen aus? Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?

Cancellara: Das habe ich einfach nichts gemacht. Ich habe mein Fahrrad für ein, zwei Wochen in die Ecke gestellt. Dann habe ich mich erholt, weil ich diese Pausen einfach gebraucht habe. Für mich war von Mitte Oktober bis Anfang Dezember immer Ruhe. Ich brauchte damals meine Zeit und die habe ich mir auch genommen.

Fabian Cancellara
Fabian Cancellara
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Haben Sie noch Kontakt zu anderen Radfahrern wie Jan Ullrich?

Cancellara: Ich treffe Jens Voigt manchmal noch. Wir beide sind gut befreundet. Mit den anderen Fahrern – auch aus meinem ehemaligen Team – habe ich weniger Kontakt. Aber das ist total normal, denn nach der Radsport-Karriere hat jeder seine eigenen Themen. Das Radfahren war unser Job, aber trotzdem haben wir sehr viele Emotionen miteinander geteilt und viele Sachen miteinander erlebt. Deshalb ist es umso schöner, wenn man sich mal wieder trifft. Das fühlt sich immer an, als wenn es gestern war. Ich war zuletzt eine Woche in Dänemark mit Jens Voigt, Bjarne Riis und Fränk Schleck. Das war einfach schön.

Sports Illustrated: Wer ist für Sie der größte Radfahrer aller Zeiten?

Cancellara: Für mich ist Eddy Merckx der größte Radfahrer aller Zeiten. Er hat die Tour de France fünf Mal gewonnen. Zu seiner Zeit hat er den Radsport beherrscht. Ich habe versucht, in meiner Zeit das Beste zu geben. Wenn ich auf meinen ersten Sieg 2006 bei Paris-Roubaix schaue bis zum Olympiagold in Rio, dann hatte ich zehn Riesenjahre. Aber ich hatte nie die Chance, die Tour de France zu gewinnen. Man kann den Giro d’Italia und die Vuelta gewinnen, das ist alles OK. Aber am Ende stehen die Tour-de-France-Siege über allem. Die überstrahlen alles.  

Sports Illustrated: Wie halten Sie sich heute fit? Fahren Sie noch regelmäßig Rad?

Cancellara: Ich fahre immer noch gerne Rad. Das wird immer mein Hobby bleiben. Ich liebe es, allein für mich oder auch mit Freunden unterwegs zu sein. Ich steige drei, vier Mal die Woche aufs Rad. Wenn ich zu wenig fahre, dann spüre ich sofort, dass mir etwas fehlt. Beim Radfahren kann ich meine Akkus aufladen und genießen. Dieser Sport ist für alle Menschen geeignet. Jeder kann diesen Sport machen, das ist das Schöne. Auf dem Rad sind alle gleich. Da spielt es keine Rolle, welche Hautfarbe oder wie viel Geld man hat. Zum Schluss müssen alle den Berg hoch.

Sports Illustrated: Wie sieht Ihr Alltag heute aus? Was sind Ihre Aufgaben?

Cancellara: Ich habe eine eigene Firma, mit der wir Events organisieren wie das Eintagesrennen Anfang Juli von Bern nach Andermatt. Das macht eine Menge Spaß, dass ich meine Erfahrung und meine Energie einbringen kann. Außer am Montag, da ist bei uns Familientag, bin ich die ganze Woche für das Tudor Pro Cycling Team verplant, beschäftigt oder unterwegs. Powerpoint-Präsentationen im Büro mache ich nicht, das ist nicht mein Ding.

Fabian Cancellara
Fabian Cancellara
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Welche Rolle spielen Sponsoren wie Tudor?

Cancellara: Für uns als Team, den Schweizer Radsport und mich persönlich ist das eine tolle Sache. Es ist immer etwas Besonderes, wenn sich eine große Marke zum Radsport bekennt und ihn unterstützt. Wir versuchen zusammen, das Projekt mit dem Tudor Pro Cycling Team weiter voranzubringen. Mit der Swiss Racing Academy haben wir angefangen, jetzt gehen wir den nächsten Schritt. Wenn man so einen Partner hat, ist das wie ein Jackpot.

Sports Illustrated: Was sind Ihre Ziele mit dem Tudor Pro Cycling Team?

Cancellara: Die wichtigste Sache ist, dass wir weiter an der Struktur arbeiten. Wir wollen gute Leute im Team haben, die uns nach vorne bringen. Am liebsten möchten wir sofort Rennen gewinnen, aber das braucht alles Zeit.

Sports Illustrated: Gibt es einen Wunschfahrer, den sie gerne im Team haben möchten?

Cancellara: Im Moment nicht. Aber mit einer guten Arbeit an der Basis, können wir in Zukunft etwas bewegen. Zeit und Geduld sind die wichtigsten Dinge, die wir einrechnen müssen, um mit unserem Team weitere Fortschritte zu machen.

Sports Illustrated: Tragen Sie privat auch gerne edle Uhren am Handgelenk?

Cancellara: Wenn man eine Tudor am Handgelenk trägt, die es nur 30 Mal gibt, ist es etwas Besonderes. Da sagt sicherlich keiner Nein. Dass Tudor so schnell 30 Uhren fürs Team produziert hat, ist bemerkenswert. Diese Uhren kann man offiziell nicht kaufen. Die Verarbeitung ist fantastisch, ebenso wie die technischen Details. So wie die Marke ist, so definiere ich mich und meine Arbeit auch.  

Sports Illustrated: Ihr Herz gehört dem Radsport. Haben Sie noch weitere Hobbies?

Cancellara: Im Moment habe ich keine Zeit für andere Hobbies. Wenn ich im Winter kann, gehe ich gerne Skifahren. Joggen gehe ich nicht, da habe ich eine Woche lang Muskelkater (lacht…). Ich sage immer, Schuster bleib bei deinen Leisten. Das ist bei mir der Radsport.

Sports Illustrated: Was ist Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft?

Cancellara: Mein größter Wunsch ist, gesund zu bleiben. Das ist das größte Geschenk.

Fabian Cancellara mit dem Tudor Pro Cycling Team
Fabian Cancellara mit dem Tudor Pro Cycling Team
Credit: Tudor Pro Cycling Team
x/x

Mehr Sport-News:

Die Ticket-Nachfrage für das NFL-Spiel am 13. November in der München Allianz Arena zwischen den Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahwaks ist gigantisch. Am Dienstag waren zwei Minuten nach Verkaufsstart alle NFL-Premiumtickets weg.

Die Fußball-EM der Frauen findet vom 6. Juli bis 31. Juli 2022 in England statt. Das Eröffnungsspiel bestreiten Gastgeber England und Österreich. Die deutsche Nationalmannschaft trifft in Gruppe B auf Spanien, Dänemark und Finnland.

Das Basketball-Drama "Hustle" geht bei Netflix gerade durch die Decke. Der Film mit Adam Sandler und vielen aktuellen und ehemaligen Basketball-Stars aus der NBA steht auf Platz eins der deutschen Netflix-Charts. Auch Dirk Nowitzki ist im Film zu sehen.