Golf

Kommentar: Die noblen Missionare des Weltsports

Phil Mickelson kassiert für seine Teilnahme an der neuen LIV Golf Series – die sich aus dem saudi-arabischen Staatsfonds speist – einen stolzen, neunstelligen Betrag, verkauft sie aber als eine Art Friedensmission im Namen des Sports. Eine Taktik, die man aus dem Fußball kennt. Ein Kommentar.

Credit: Getty Images (2)
  • Neue "Saudi-Golftour" startet mit erstem Turnier in London
  • Phil Mickelson verkauft Teilnahme als "gute Tat", kassierte aber wohl 200 Mio Dollar Signing Bonus
  • Weiteres Beispiel für Bereicherung am guten Ruf des Sports

Heute und in den kommenden Tagen findet das erste Event der LIV Golf Invitational Series im Centurion Golf Club von London statt. LIV Golf, nur zum besseren Verständnis, ist eine Turnierserie im Profigolf, in der 48 Spieler in 12 Teams bis Oktober in insgesamt acht Turnieren gegeneinander antreten werden. Allein im ersten Turnier werden 25 Millionen Dollar an Preisgeld ausgeschüttet, auch der Letzte bekommt noch 120 000 Dollar. Summen, mit denen die „alten“ Touren – die amerikanische PGA-Tour und die in England ansässige DP World Tour (vormals European Tour) – nicht mithalten können. 
 
Aber nicht nur das Preisgeld ist üppig. Die Headliner von LIV Golf – einstige Größen der PGA-Tour wie Phil Mickelson, Dustin Johnson oder Sergio Garcia – kassierten wohl auch üppige, sogenannte „Signing Bonuses“, als sie sich für ihre Teilnahme entschieden. Einstige Größen sind sie, weil sie mit ihrer Teilnahme an der neuen Serie wohl ihre PGA-Tour-Mitgliedschaft einbüßen (ob die LIV-Golf-Akteure bei den Majors antreten werden dürfen, ist noch unklar), und wie üppig die Unterschriftenboni sind, zeigt sich am Beispiel des dicksten Fisches im neuen Gewässer, dem sechsmaligen Major-Champ und langjährigen Woods-Rivalen Phil Mickelson. Er soll für sein Bekenntnis zur neuen Turnierserie (und damit seiner Abkehr von der PGA-Tour) laut Medienberichten satte 200 Millionen Dollar kassiert haben – schon vor dem ersten Abschlag.  
 
Übrigens: Auch der Deutsche Martin Kaymer wird morgen im Centurion Golf Club aufteen. 

Wo das viele Geld herkommt? Die Antwort überrascht wenig

Aber jetzt zum Wesentlichen: Wo kommen diese Unsummen an Signing Bonuses und Preisgeldern auf einmal her, mit denen sogar die altehrwürdige PGA-Tour (die ja auch nicht gerade für ihre Frugalität bekannt ist) nicht mithalten kann? Bei der Beantwortung dieser Frage kommt einem das gerade in der englischen Sportpresse zuletzt oft gelesene Adjektiv-komposit „saudi-backed“ häufiger unter. Denn die LIV Golf Invitational Series speist sich aus dem Kapital des saudi-arabischen „Public Investment Fund“, jenem Staatsfond, dem auch die Mehrheit am englischen Premier-League-Klub Newcastle United gehört.  
 
Und spätestens beim Stichwort Saudi-Arabien bekommt der moderne Anstrich dieses neuen, exklusiven Golfformates schwarze Flecken. Es spannt sich ein Konnotationsrahmen auf, der bei Menschenrechtsvergehen und der Geringschätzung und Unterdrückung von Frauen und Minderheiten beginnt und bis zur Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi reicht.  

 

Hallelujah – gepriesen sei die Kraft des Sports

Zuletzt von unseren Kollegen von Sports Illustrated US/Morning Read auf sein Bekenntnis zur LIV Golf Series angesprochen, antwortete Phil Mickelson: „I certainly do not condone human rights violations. And addressing what happened to Jamal Khashoggi is awful. But I have seen the good that game of golf has done throughout history. And I really believe that LIV can be good for the game of golf as well.’’ 
 
(Dt.: "Ich dulde sicherlich keine Menschenrechtsverletzungen. Und was mit Jamal Khashoggi geschehen ist, ist schrecklich. Aber ich habe gesehen, was das Golfspiel im Laufe der Geschichte Gutes bewirkt hat. Und ich glaube wirklich, dass LIV auch für den Golfsport gut sein kann.") 
 
Bei der inhaltlichen Übersetzung dieses Satzes kann der Kollege Gianni Infantino helfen, denn er und Mickelson sprechen dieselbe Sprache. Infantino nämlich, prophezeit für die kommende WM um Weihnachten in Katar, in deren Vorbereitung tausende Menschen auf Stadionbaustellen starben, einen „World Cup of Unity“ und „World Cup of Peace“– also eine Weltmeisterschaft der Einigkeit und des Friedens. Jaja, die wunderbare, einende Kraft des Sports eben. 

 

Den besten Sport, die besten Sportler 24/7 – so schön, dass es wehtut

Ja, ich weiß: Das eine ist Katar, das andere Saudi-Arabien; das eine Golf, das andere Fußball. Doch die Scheinheiligkeit, immer wieder und fast messianisch (im Falle von Infantino) von der einenden Macht des Sports zu sprechen und sich dabei doch in der Hauptsache die eigenen Taschen voll zu machen, ist hier allen Akteuren gemein. 
 
Der Golfjournalist Bob Harig schrieb zuletzt in einem Text über die Idee der LIV Golf Invitational Series: “The backbone of the idea was that the stars did not compete against each other often enough on the PGA Tour.” Auf der neuen Serie aber, würden die Stars der Szene praktisch bei jedem Event direkt aufeinandertreffen und sich „Head-to-Head“ duellieren.  
 
Ein Konzept, das ziemlich an die Super League im Fußball erinnert: Wir lieben die Knallerspiele in den Endrunden der Champions League. Warum gründen wir also nicht eine Liga, in der diese Spiele am laufenden Band zu sehen sind? Und spielen nicht vor den Stammfans der Teams, sondern gehen an die lukrativsten Orte auf der Welt? 
 
Diese Idee wurde (zurecht) innerhalb kürzester Zeit abgeschmettert. Man muss den Fußball schon sehr hassen – oder ihn nie richtig verstanden haben (und das Geld zugleich krankhaft lieben) –, um ihn seinen Fans entreißen und anderswo möglichst teuer vermarkten zu wollen. 
 
Stationen der LIV Golf Invitational Series sind unter anderem der Royal Greens Golf & Country Club in Jeddah, Saudi-Arabien (wobei wir wieder bei den saudi-arabischen Royals und den Umtrieben Mohammed bin Salmans wären) und der Trump National Golf Club in Bedminster, New Jersey, der von der Trump Organization verwaltet wird. Herzlichen Glückwunsch zu dieser feinen Gesellschaft! 

Ob es das war, was Mandela meinte?

Was ich zum Ende dieses Kommentars also loswerden möchte: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es das war, was Nelson Mandela meinte, als er 2000 bei seiner Rede anlässlich der Laureus Sports Awards sagte:  
 
„Sport has the power to change the world.
It has the power to inspire,
it has the power to unite people in a way that little else does.
It speaks to youth in a language they understand.
Sport can create hope, where once there was only despair….”
 
 
(Dt.: "Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er hat die Kraft, zu inspirieren, er hat die Kraft, Menschen auf eine Art und Weise zu vereinen, wie es kaum etwas anderes kann. Er spricht zu den Jugendlichen in einer Sprache, die sie verstehen. Sport kann Hoffnung schaffen, wo einst nur Verzweiflung herrschte....) 
 
Eine Fußball-WM, die im Winter in der Fußball-Diaspora von Katar ausgetragen wird, in Stadien, bei deren Erbauung tausende Menschen umkamen, und zu Eintrittspreisen, die sich diese Bauarbeiter wohl nie leisten werden können; eine Serie von Golfturnieren, bei denen 48 (geschätzte) Millionäre in exklusiven Country-Clubs (teils in zweifelhafter Eignerschaft) um über 20 Millionen Dollar Preisgeld spielen: All das ist wenig inspirierend, spricht keine Sprache, die den jungen Leuten verständlich ist und baut vielmehr einen elitären Elfenbeinturm um den Sport, dessen Eintritt sich nur die wenigsten leisten können.  
 
Sich immer wieder auf die einende Kraft und die Schönheit des Sports zu berufen, die Pose des Friedensstifters und Missionars im Auftrag des Sports einnehmend, während man sich doch zuvorderst selbst die Taschen vollmacht, ist verlogen. Der Sport und seine Fans gaben den Sportlern und Funktionären ihre Macht. Nun paktieren sie mit repressiven Kräften, stellen die eigene Position, den eigenen Reichtum, über ihren Sport. Und über das, was der Sport seinen Fans gibt – oder geben kann: hope in times of despair – Hoffnung in schweren Zeiten! 

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