Fußball

TikTok-Sport statt Taktik-Schach: Die Baller League, Icon League und Co. im Check

Sie sind die neuen Bolzplätze Deutschlands und sollen Straßenfußball wieder salonfähig machen. Doch was hat es mit dem Hype um die Indoor-Ligen auf sich? Wir waren bei der Baller League zu Gast – und werfen einen Blick auf die Icon League.

Ein Spieltag in der Baller League
Credit: PR

EIN BESUCH beim "neuen alten Fußball". So zumindest preist sich die Baller League selbst auf der eigenen Website an. Zurück zum Bolzplatz, zurück dorthin, wo für Fußball- Romantiker alles begann, Puristik pur. Im Hangar der Motorworld in Köln sind aber nicht Schultaschen als Torpfosten aufgestellt. Es riecht nicht nach Kuchen und frischem Kaffee, den Mütter früher bei Hallenturnieren aus Plastikkannen ausgeschenkt haben. So sucht man auch vergeblich nach Spielern, die zwischen den Partien aufgeweichte Brötchen mit Wienern und Ketchup verdrücken.

Hier, am vierten Spieltag der Baller League, ist es anders. Der neue alte Fußball in der kompakten Halle in Köln empfängt mit laut dröhnender Hip-Hop-Musik und einem synthetischen Geruch. Das 29 mal 50 Meter große Kunstrasenfeld ist hell ausgeleuchtet und beinahe komplett bedeckt mit wuselnden Spielern, Promis, Kamerateams, sich selbst filmenden Influencern und herumfliegenden Bällen von Spielern, die sich warm schießen.

Auf einmal läuft Mats Hummels über das Feld, unterhält sich mit seinem Berater, zeitgleich betreten durch den Gang neben dem Feld die Nationalspieler Niclas Füllkrug und Julian Brandt die Halle und verschwinden direkt an den Kommentatorenpults und der Mixed-Zone vorbei nach oben in die VIP-Lounge. Dort hat es sich neben zahlreichen Internetpersönlichkeiten bereits Pietro Lombardi mit seiner Entourage bequem gemacht. Eine Sirene ertönt, das Feld lichtet sich, gleich beginnt das erste Spiel. Es ist laut, es ist hektisch. Ist das der neue alte Fußball?

Baller League: Das steckt hinter der Idee

Seit dem 22. Januar steigen in der Halle in Köln die elf Spieltage der neuen Indoor-Liga mit zwölf Teams. Gegründet wurde sie von Weltmeister Mats Hummels, Filmemacher Felix Starck und Medienunternehmer Thomas de Buhr. Eines der Gesichter und Co-Präsident neben Hummels ist Lukas Podolski. Das Versprechen der Liga: den puren, unterhaltsamen und mittlerweile vermeintlich abhandengekommenen Straßenfußball in der kommerzialisierten Welt des Sports zurückbringen.

Gegründet wurde die Baller League unter anderem von Felix Starck (li.) und Mats Hummels
Gegründet wurde die Baller League unter anderem von Felix Starck (li.) und Mats Hummels
Credit: PR
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"Dieses Spiel mit seinen Jungs zwischen Wohnblöcken oder irgendwo auf der Straße, das gibt es ja heutzutage nicht mehr", sagt Podolski. Man wolle mit der Baller League "einfach etwas Neues entwickeln" – oder wie es Starck erklärt: "Ein spanischer Trainer hat den Fußball hier in Deutschland perfektioniert. Wenn du in Ballbesitz bist, kannst du kein Gegentor bekommen. Für uns als Endverbraucher, die Unmengen zahlen für Streaming- Abos, ist es aber äußert anstrengend, das x-te 0:0 zu sehen, weil beide Teams jetzt auf einmal Tikitaka spielen wollen. Wir Zuschauer wollen Tore sehen. Deswegen unterstützen wir mit der Baller League den Kopf-durch-die-Wand-Fußball."

Kopf-durch-die-Wand-Fußball heißt in der Baller League: Sechs gegen sechs, zweimal 15 Minuten, Kunstrasen, schnelle Angriffe, keine Bande – und erinnert an den Budenzauber der 90er- und 2000er-Jahre, als Bundesligisten im Winter in der Halle gegeneinander antraten. Anders als damals gibt es bei der Baller League jedoch zusätzliche Elemente wie die sogenannten Gamechanger in den letzten drei Minuten jeder Halbzeit. Tore dürfen dann etwa nur per Volley erzielt werden, oder das Abseits wird aufgehoben.

Zuschauermagnet: Der Bundesliga-Budenzauber der Vergangenheit
Zuschauermagnet: Der Bundesliga-Budenzauber der Vergangenheit
Credit: Imago
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Baller League: Amateure, Semi-Profis, Stars und Legenden

Für die Unterhaltung auf dem Platz sollen Straßenfußballer sorgen: Amateure, Semiprofessionelle und ehemalige Spieler aus den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten. "Viele haben es vielleicht in den Nachwuchszentren nicht geschafft oder sind auf eine schiefe Bahn gekommen oder haben private Probleme und können sich dann hier beweisen", sagt Podolski. Komplettiert werden die Teams von früheren Bundesliga-Profis wie Moritz Leitner, Maximilian Beister oder Diego Contento. Als Gastspieler verstärkten an einzelnen Spieltagen sogar Aaron Hunt, Gonzalo Castro und Zé Roberto die Mannschaften.

Bundesliga-Erfahrung bringt auch Babak Rafati in die Liga. Der Schiedsrichter pfiff insgesamt 84 Spiele in der ersten Liga. Im November 2011 unternahm Rafati, bevor er ein Heimspiel des 1. FC Köln hätte pfeifen sollen, in einem Hotel einen Suizidversuch. Mittlerweile betreibt der 53-Jährige als Mentaltrainer Präventionsarbeit zu den Themen Depressionen, Burn-out und Leistungsdruck – und pfeift in der Baller League. Er sagt: "Die Entscheidungen hier sind viel knapper und griffiger als in der Bundesliga. Das bringt diese Würze."

Entertainment pur: TikTok-Sport statt Taktik-Schach

Für die Unterhaltung neben dem Kunstrasen sind die Teammanager zuständig. Jedes der zwölf Teams wird von einem prominenten Duo aus der Sport- und Entertainment-Branche geführt. Neben den (Ex-)Fußballprofis Jule Brand, Kevin- Prince Boateng oder Max Kruse besitzen beispielsweise Comedian Felix Lobrecht, Musiker Kontra K oder die Streamer und Internet-Stars Knossi, MontanaBlack oder Sascha Hellinger eigene Teams.

Für Letztere wurde neben der VIP-Lounge und den Zuschauerrängen (Tickets können übrigens nicht gekauft, sondern nur bei den Partnern der Baller League gewonnen werden) ein großer Glaskasten über dem Feld eingerichtet. Dort streamen MontanaBlack und Co. live auf der Plattform Twitch für Millionen Follower, reagieren auf die Spiele, kommentieren und erreichen damit jede Woche Abertausende von jungen Live-Zuschauern der Generation Z – die Zielgruppe der Baller League.

Die Liga soll Entertainment liefern, ständig, und das über mehrere Stunden (ein Spieltag dauert in der Regel von 18.40 bis 23.40 Uhr). Sie soll genau die Sport-Fans anlocken, die sich nicht 90 Minuten auf ein Fußballspiel konzentrieren wollen, ohne das Handy zu checken. Die lieber Highlight-Reels auf Instagram statt "Sportschau" im linearen Fernsehen gucken. TikTok-Sport statt Taktik-Schach. Die Spiele laufen zwar im TV, unter anderem auf Joyn und ProSieben Maxx, der Schwerpunkt der Übertragung liegt jedoch auf Twitch. Und auch wenn die Verantwortlichen um Starck den sportlichen Anspruch betonen und es phasenweise zwischen Außenrist und Übersteiger mal intensiver, lauter auf dem Rasen wird, steht bei der Baller League eines im Vordergrund: die Unterhaltung.

"Der Fußball, wie wir ihn so kennen, hat eine ganz unangebrachte Ernsthaftigkeit in unsere heutige Zeit gebracht."

Christoph Kramer

Gut so, findet Christoph Kramer. Der ehemalige Nationalspieler ist ebenfalls Besitzer eines Teams. An diesem Montag erscheint er im Vintage-Trikot von Hollands Dennis Bergkamp und mit Taktik- Tafel. Während der Spiele coacht er an der Seitenlinie, mal ernster, mal ironisch – und das, obwohl die Teams neben den Managern auch eigene Trainer haben. "Der Fußball, wie wir ihn so kennen, hat eine ganz unangebrachte Ernsthaftigkeit in unsere heutige Zeit gebracht. Ich sehe, wenn ich ganz ehrlich bin, kaum lachende Gesichter, wenn man sich so die Bundesligaspiele anguckt. Das finde ich total schade", sagt Kramer. "Es ist eine Menge Druck da, eine Menge Geld. Aber es ist unterm Strich immer noch ein Spiel." Eine Alternative bietet demnach die Baller League, von der die Bundesliga den "Spaß" und die "angebrachte Ernsthaftigkeit" lernen kann.

Coach: Christoph Kramer an der Taktiktafel
Coach: Christoph Kramer an der Taktiktafel
Credit: PR
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Baller League: Zusammenarbeit statt Konkurrenz zur Bundesliga

Eine Konkurrenz zur Bundesliga möchte man aber nicht sein. Das stellen Podolski, Kramer, Starck, alle klar. "Wir wollen niemandem etwas wegnehmen oder Konkurrenten sein zum normalen Fußball. Der Fußball soll Fußball bleiben, und die Baller League soll etwas anderes sein. Ich glaube, in Deutschland gibt es genug Raum für solche Projekte", sagt Podolski. Baller-League-CEO Starck geht sogar noch einen Schritt weiter. "Am liebsten möchten wir mit der Bundesliga in Zukunft zusammenarbeiten. Die große Vision ist es, dass Bundesligisten in der Baller League eigene Mannschaften ab- stellen. Warum nicht?

Die Zahlen von insgesamt knapp 900.000 Zuschauern pro Spieltag stützen die Ambitionen – und auch das immense Business-Potenzial. Zahlreiche Marken wie Vodafone, Samsung Galaxy oder Nivea Men sind bei der Baller League eingestiegen und durch Marketingmaßnahmen für die knapp 500 Gäste in der Halle und die Tausenden Zuschauer daheim immer gut sichtbar. "Wir bieten Zugang zu jungen Leuten, Talenten, coolen Storys und neuen Helden. Darauf sind, glaube ich, alle ganz scharf", sagt Starck. Abgerundet wird die neue Liga dann mit einem Final-Four-Turnier um den Titel am 8. April im PSD Bank Dome in Düsseldorf.

Die Baller League bietet viel und will viel mehr: zweite Chance für Talente, Business-Möglichkeit, Unterhaltung, Fußball-Romantik, Bolzplatz-Flair, junge Leute gewinnen, Anspruch, Spaß, etwas Neues erschaffen – und keine Konkurrenz sein. Weder zur Bundesliga noch zu anderen ähnlichen Projekten. Denn auch wenn man für etwas Eigenständiges stehen will und sich von Vergleichen distanzieren möchte, sind die Parallelen zur sogenannten Kings League, die Ex-Barcelona-Star Piqué in Spanien initiierte, deutlich. Der Weltmeister von 2010, in dessen Indoor-Liga unter anderem bereits Andrea Pirlo und Sergio Agüero kickten, möchte mit dem Format selbst bald in Deutschland an den Start gehen – und trifft dabei neben der Baller League auch auf die Icon League.

Icon League: Das ist das Projekt von Toni Kroos und Elias Nerlich

Zusammen mit Streamer Elias Nerlich hat Nationalmannschaft-Rückkehrer Toni Kroos ebenfalls eine eigene Fußball-Liga gegründet. Die beiden hatten sich Ende 2022 im Rahmen der Toni Kroos Academy kennen und schätzen gelernt – und blieben in Kontakt. Als erste Partner der Liga, die im Spätsommer 2024 starten soll, wurden unter anderem bereits Kroos’ Real-Kollege David Alaba, Bayern-Legende Franck Ribéry, Robert Andrich, Felix Kroos Rapper Luciano, Ex-Hertha-Verteidiger Jordan Torunarigha und die Streamer Niklas-Wilson Sommer und Sidney Friede vorgestellt.

"Die Icon League ist nicht bloß ein gut klingender Name, für den Elias und ich unsere Gesichter und unsere Namen hergeben."

Toni Kroos

"Wir werden etwas Neues, etwas Innovatives, etwas Elektrisierendes schaffen. Wir werden sehr unterhaltsamen Fußball mit Entertainment bieten – ein Spektakel", sagt Kroos. Und: "Die Icon League ist nicht bloß ein gut klingender Name, für den Elias und ich unsere Gesichter und unsere Namen hergeben. Wenn wir etwas machen, dann mit Herz, Leidenschaft und hundert Prozent. Wir versprechen, ausschließlich Team Heads dabeizuhaben, die mit Leidenschaft und Begeisterung dabei sind, jeder Einzelne will die Icon League gewinnen und mit seinem Team groß werden. Wer für die Icon League antritt, wird Vollgas geben und alles einbringen."

Toni Kroos (li.) und Elias Nerlich haben die Icon League gegründet
Toni Kroos (li.) und Elias Nerlich haben die Icon League gegründet
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Nerlich sagt: "Die Frage, in welchem Format wir spielen, haben wir weitestgehend definiert. So wird es ein Fünf-gegen-Fünf auf einem kompakten Platz mit Bande sein. Das wird das Spiel schnell und technisch machen." Genaue Infos stehen noch aus. "Noch ist es nicht an der Zeit, zu sehr ins Detail zu gehen", sagt Nerlich. "Wichtiger ist es, hart und verlässlich zu arbeiten. Und dann werdet ihr schon sehen, was wir da auf die Beine stellen." Auch die Verantwortlichen der Icon League bemühen sich um Abgrenzung. Keine Vergleiche.

Revolution oder Randnotiz? Hauptsache Unterhaltung

Das Drumherum, so viel ist sicher, wird bei der Icon League eine große Rolle spielen. Und dass die neuen Fußball-Formate den Entertainment-Faktor von Anfang an konsequent mitdenken, kann man zwar kritisch sehen. Andererseits: Ein bisschen mehr Spaß und Lockerheit könnten auch dem etablierten Fußball gar nicht schaden.
Ob der neue alte Fußball am Ende den Sport revolutioniert, wird nicht zuletzt vom Geschehen auf dem grünen Kunstrasen abhängen. Schließlich gilt nach wie vor die Fußball-Weisheit: Entscheidend is’ aufm Platz.



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