"Keine Reue": So will Fredi Bobic wieder Ruhe und Erfolg bei Hertha BSC reinbringen
- Hertha-Sportchef Fredi Bobic im Sports-Illustrated-Interview
- Bobic über seinen Wechsel zu Hertha BSC: "Keine Reue"
- Fredi Bobic: "Bei uns war es zuletzt ein bisschen laut"
Fredi Bobic (50) ist seit 2021 Sport-Geschäftsführer bei Hertha BSC. Zuvor arbeitete er seit 2016 erfolgreich bei Eintracht Frankfurt, wo das Team 2018 den DFB-Pokal gewann und 2019 ins Halbfinale der Europa League einzog. Mit Hertha BSC schrammte Bobic 2021/22 als Tabellen-16. knapp am Bundesliga-Abstieg vorbei. In der Relegation rettete sich die "Alte Dame" gegen Zweitligist HSV. Im DFB-Pokal 2022/23 schied Hertha BSC in Runde eins bei Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig nach einem dramatischen Elfmeterschießen aus.
Sports Illustrated: Wie sehr macht Ihnen Ihr Job im Moment Spaß?
Fredi Bobic: (lacht…) Mein Job macht mir immer Spaß, sonst würde ich ihn nicht machen. Ansonsten müsste ich sofort in Rente gehen. Mein Job macht Spaß, auch wenn er unter erschwerten Bedingungen stattfindet. Und diese sind im Fußball von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Im Moment ist es sehr anspruchsvoll. Es ist auf jeden Fall nicht einfacher geworden.
Sports Illustrated: Mit welchen Mitteln können Sie als Manager einen Klub wie Hertha BSC voranbringen?
Bobic: Ich kann bei der Personalplanung versuchen, vieles in die richtige Richtung zu lenken. Das ist ganz wichtig, was aber während der Pandemie schwierig ist. Es ist anders als in den Jahren zuvor, weil sich der wirtschaftliche Druck viel mehr auf den Sport auswirkt. Jetzt muss man kreativer sein. Natürlich kann man im Klub die richtigen Weichen stellen. Auch in der Geschäftsführung, wie wir miteinander zusammenarbeiten und wie wir Hertha BSC voranbringen wollen. Wir müssen versuchen, Ruhe auszustrahlen und geduldig zu sein in allen Bereichen. Bei uns war es zuletzt ein bisschen laut.
Sports Illustrated: Welche Dinge kann man als Manager nicht beeinflussen?
Bobic: Wenn der Ball an den Pfosten geht, anstatt ins Tor. Ganz einfach ausgedrückt. Oder jetzt, wie im Pokalspiel, dass wir das Elfmeterschießen in Braunschweig nicht gewinnen können. Also alles Dinge, die auf dem Rasen passieren. Aber auch menschliche Dinge, die abseits des Platzes passieren – ob das bei Mitarbeitern oder Spielern ist.
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Sports Illustrated: Wie sehr ärgern Sie sich, wenn es auf dem Platz nicht läuft?
Bobic: Das ärgert einen natürlich. Besonders, wenn man sieht, dass von einzelnen Spielern das volle Potenzial nicht ausgeschöpft wird. Deshalb schauen wir zusammen mit dem Trainerteam, wie wir die Jungs in die richtige Richtung bekommen können. Wichtig ist, dass die Spieler genügend Selbstvertrauen haben. Wenn man dieses Selbstvertrauen hat, sind viele Dinge einfacher. Wenn man negative Erfahrungen gemacht hat, ist es manchmal schwerer, diesen Bock umzustoßen. Das Selbstvertrauen kommt nur mit Siegen und mit guten Spielen.
Sports Illustrated: Würden Sie sich noch einmal für den Schritt von Frankfurt nach Berlin entscheiden?
Bobic: Mich überrascht überhaupt nicht, dass sich Eintracht Frankfurt so gut weiterentwickelt. Man muss immer den Zeitpunkt sehen, wann man diese Entscheidung trifft. Aus diesem Grund gibt es keine Reue. Für mich war es Zeit, nach fünf Jahren etwas anderes zu machen. Wer meine Karriere kennt, weiß, dass ich als Spieler oder als Manager immer Aufgaben angenommen habe, die ambitioniert oder schwierig sind.
Sports Illustrated: Sie sind mittlerweile 50 Jahre alt. Schaut man in diesem Alter gelassener auf die Dinge des Lebens?
Bobic: Ja, natürlich. Die Erfahrungswerte werden größer. Man lässt viele Dinge nicht mehr ganz so nah an sich heran, die einem Energie und Zeit rauben. Energie ist wichtig, wenn man ein bisschen älter ist. Deswegen beschäftige ich mich nicht allzu lange mit "Kindergarten-Themen". Diese Themen streife ich ab und kann dadurch viel mehr ertragen. Außerdem habe ich eine dicke Haut.
Sports Illustrated: Wohin wird sich der Fußball entwickeln. Setzen sich die Traditionalisten durch oder Investorenmodelle?
Bobic: Das wird spannend zu sehen sein, wie sich der Fußball in der Zukunft entwickelt. Tradition ist ein riesiges Pfund, aber auch eine große Verpflichtung. Tradition in die Moderne zu führen, ohne die Tradition zu vergessen, und diese zu erhalten, ist das große Kunststück. Also konkret Tradition und Investorenideen miteinander zu verknüpfen. Da sind wir vor allem in Deutschland sehr stolz darauf, dass wir diesen Weg mit 50+1 gehen. Aber natürlich wird es Konstrukte geben, die manchmal fragwürdig und zu hinterfragen sind. Aber so ist die Entwicklung. Die werde weder ich, die wird keiner aufhalten können. Es wird sich zeigen, wo die meiste Substanz drinsteckt. Am Ende spielt das monetäre immer eine Rolle. Das muss man klar wissen. Diese zwei Jahre Pandemie ohne Zuschauer haben uns gezeigt, wie schwierig es ist, alles am Laufen zu halten – ohne die gewohnten Einnahmen zu haben.
Sports Illustrated: Würde die Auflösung der 50+1-Regel für mehr Spannung in der Bundesliga sorgen?
Bobic: Das glaube ich nicht. Vielleicht würde das kurzfristig für mehr Spannung sorgen. Aber es geht um viel mehr Basisarbeit, als nur zu sagen, irgendetwas muss verschwinden.
Sports Illustrated: An welcher Position steht die Bundesliga im Vergleich mit den anderen europäischen Ligen?
Bobic: Wir müssen uns nicht verstecken. Ich finde, wir machen uns manchmal selbst viel zu klein. Die Liga ist eine spannende Liga, eine schöne Liga zum Anschauen. Da passiert viel. International haben wir auch mal Highlights, so wie mit Eintracht Frankfurt und dem Europa-League-Triumph in der vergangenen Saison. Der FC Bayern gibt eigentlich immer eine gute Visitenkarte in der Champions League ab. Deshalb müssen wir uns nicht an den anderen orientieren, sondern unsere Werte und unsere Kultur leben.
Sports Illustrated: Angenommen, Sie hätten ein unbegrenztes Budget. Gibt es einen Fußballer, den Sie gerne in Ihrem Team haben würden?
Bobic: Da gibt es einige. Die Frage ist aber, ob sie in die Struktur passen. Sollen wir jetzt Lionel Messi holen? Das hört sich jetzt doof an, aber er ist nur ein Spieler. Aber ein Fußballverein lebt vom geschlossenen Miteinander. Der Fußball hat immer gezeigt, dass die Mannschaften, die die Champions League gewinnen oder Meister werden, auf allen Positionen miteinander die Qualität auf den Platz bringen – und nicht nur ein Einzelner.
Sports Illustrated: Welche Rolle spielt Mentalität im Fußball?
Bobic: Es gibt die Mentalität und die Qualität. Es ist gut, wenn man Qualität hat und die Mentalität mitbringt. Mit Mentalität kann man in einzelnen Spielen vieles erreichen. Aber wenn man über lange Zeit erfolgreich sein will, braucht man beides.
Sports Illustrated: Hertha BSC startet am Samstag mit dem Derby bei Union Berlin in die neue Bundesliga-Saison. Wie muss Trainer Sandro Schwarz sein Team einstellen, um zu bestehen?
Bobic: Da sind wir bei den beiden Begrifflichkeiten von eben. Wir brauchen die Qualität, von der wir wissen, dass wir sie haben. Aber diese Qualität müssen wir noch mehr mit der Mentalität vernetzen. Das wird der Schlüssel sein, weil wir auf eine Mannschaft treffen, die unheimlich stark über die Mentalität kommt. Union Berlin ist klar favorisiert. Das muss man einfach anerkennen, wie auch, was sie in den letzten Jahren geleistet haben. Wir sind sicherlich der Außenseiter. Aber das kann auch eine schöne Sache sein.
Sports Illustrated: Der FC Bayern hat zwar Robert Lewandowski verloren, sich aber mit millionenteuren Neuzugängen verstärkt. Kann die Dominanz der Münchner jemals gebrochen werden?
Bobic: Das wünschen sich alle. Aber es liegt allein an den Bayern. Im Moment macht es nicht den Eindruck, dass die Bayern-Dominanz in der Bundesliga irgendwann gebrochen werden kann. Schade, dass Robert Lewandowski die Münchner verlassen hat. Das ist aber andererseits eine Chance für Bayern, sich breiter aufzustellen. Wenn der BVB den Bayern gefährlich werden will, muss Dortmund am Maximum spielen.
Sports Illustrated: Welche Rolle wird die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Katar spielen?
Bobic: Ich hoffe, sie spielen genauso ein großartiges Turnier wie die Frauen gerade bei der EM. Mit diesem Teamgeist, den Emotionen, der Leidenschaft und der Geschlossenheit kann Deutschland bei der WM 2022 weit kommen. Manchmal ist der Titel gar nicht so wichtig, sondern die Art und Weise wie man spielt und die eigenen Fans begeistert.
Sports Illustrated: War die Abschaffung des Namens "Die Mannschaft" richtig, um wieder näher an die Fans heranzukommen?
Bobic: Eigentlich spielt es keine Rolle, ob sich das DFB-Team „Die Mannschaft“ nennt. Das ist eine Marketing-Geschichte gewesen und hat mit dem, was auf dem Fußballplatz passiert, nichts zu tun. Ich bin da absolut neutral, was diese Entscheidung betrifft. Die einen heißen "Seleção", die anderen "Die Mannschaft" oder "Equipe Tricolore". Das hat für mich nie eine Rolle gespielt. Das ist ein netter Spitzname. Aber wir Deutschen verstehen immer, viel aus Kleinigkeiten zu machen.
Sports Illustrated: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Bobic: Da bin ich 60 Jahre alt (lacht…). Vielleicht hat man mich zum Teufel gejagt oder ich habe irgendetwas Verrücktes gemacht. Ich bin selbst gespannt. Ich lasse die Dinge immer gerne auf mich zukommen.
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