Detroit Lions

Beim NFL-Draft 2021 fast übersehen! Amon-Ra St. Brown hebt Lions auf neues Level

Amon-Ra St. Brown und die Detroit Lions stehen im NFC-Finale. Der deutsch-amerikanische Receiver – beim NFL-Draft 2021 fast übersehen, weil er komplett unterschätzt wurde – läutet eine neue Ära für das lange Zeit erfolglose Football-Team ein.

Amon-Ra St. Brown und die Detroit Lions
Credit: Getty Images

Der Receiver schlendert auf das leere Kunstrasen-Feld seines Teams, wo sich an der gegenüberliegenden Wand die hängenden Banner wie übergroße, alte Schriftrollen entfalten. Jedes trägt die gleichen zwei Wörter: NFL CHAMPIONS. Darunter steht: 1935, 1952, 1953 und 1957, gefolgt von einem letzten Banner, das einen Divisionstitel im Jahr 2023 zeigt.

Die traurige Geschichte der Detroit Lions ist auf diesen Bannern kurz erklärt. Der einstige Erfolg im Profi-Football ist altbacken und archaisch; die jahrelange Trauer der Fans ist endlos und hat sich in den Köpfen festgesetzt. Aber die Gegenwart ist (endlich!) besser als zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 67 Jahren.

Der Kopf von Amon-Ra St. Brown liefert den farbenprächtigsten Beweis. Er versprach vor der Saison, seine Haare zu färben, wenn die Lions die Playoffs erreichen. Als sie das taten, rief er einen Friseur im nahegelegenen Birmingham an, wo die Ehefrauen einiger Spielern aus Detroit die Haare machen lassen. Der Färbeprozess dauerte drei Stunden. Sein Haar verwandelte sich von schwarz über bleichblond in hellblau – das man von den Schlümpfen kennt.

Amon-Ra St. Brown: "Herr des Himmels" bei Detroit Lions

Kurz zuvor nahm St. Brown weniger als 48 Stunden vor dem Anpfiff des Divisional-Round-Playoff-Spiel gegen die Tampa Bay Buccaneers die Zeit für ein FaceTime-Gespräch mit einem Lions-Fan, der sich im Hospiz befindet. Er schickte ihm ein signiertes Trikot mit der Post. Aus den zwei Fremden wurden innerhalb kurzer Zeit zwei Freunde - zwei Brüder in blau.

St. Brown hinterlässt einen enormen Eindruck bei seinen Teamkollegen und bei den in Detroit lange Zeit leidenden NFL-Fans, die ihm dabei zusehen können, wie er mit einer Extraportion Lockerheit Pässe fängt und Touchdowns erzielt - und in ihm ein wenig von sich selbst erkennen. Übersehen. Unterschätzt. Aber trotzdem bereit, aufzusteigen und es weiter zu versuchen. Mit einem Willen und einer Fähigkeit, die in dieser Saison belohnt werden.

In vielerlei Hinsicht ist er aber nicht wie seine Fans. Sein Vater, John Brown, war Mr. Universe – ja, dieser Mr. Universe (und Mr. World und Mr. Olympia) – nicht lange nach Arnold Schwarzenegger. Seine Mutter Miriam meldete Amon-Ra auf einem französischen Gymnasium an und spricht mit ihm bis heute nur Deutsch. Sie benannten den jüngsten ihrer drei Söhne nach Amun, dem Hauptgott des antiken Theben und der wichtigsten Gottheit im ägyptischen Pantheon. Inmitten einiger Jahrhunderte, die er im Verborgenen verbrachte, bedeutete Amun zunächst "Der Verborgene". Doch dann verschmolz er mit einem alten und angesehenen Sonnengott, einem Re von Heliopolis. Zusammen wurden sie zu Amun-Re, was zu vielen Spitznamen wie "König der Götter", "Herr des Himmels" oder "Herr der Throne der beiden Länder" führt.

St. Brown kann lange NFL-Durststrecke der Lions beenden

Der Gott nahm zwei menschenähnliche Formen an. In beiden Fällen wurde seine Haut manchmal rot und manchmal schwarz dargestellt. Als Amun-Re Ägypten in die sogenannte Zeit des Neuen Reiches führte, symbolisierte seine zweite Hautfarbe die üppige Fruchtbarkeit, die aus dem Überfluss an fruchtbarem Boden in der Nähe resultierte. Ähnlich wie bei den Detroit Lions, die mit "Sonnengott" Amon-Ra St. Brown in der NFL immer besser werden.

St. Brown springt zum Touchdown über den Safety P.J. Locke der Denver Broncos.
St. Brown springt zum Touchdown über den Safety P.J. Locke der Denver Broncos.
Credit: Sports Illustrated
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Der einzigartige Spielzug, der die besondere Saison der Lions ausmacht, fand gegen Ende des vierten Viertels des Wildcard-Playoff-Spiels statt, bei dem Detroit einen Vorsprung von einem Punkt auf die aufstrebenden Los Angeles Rams hatte. Quarterback Jared Goff, ein ehemaliger Rams-Spieler, der drei Jahre zuvor kurzerhand nach Detroit entlassen wurde, nahm den Snap, sah St. Brown in der Single Coverage auf einer 10-Yard-Curl-Route und feuerte einen Pass zwischen die Verteidiger ab. St. Brown fing den Ball. 

Nach dem Spiel beschrieb St. Brown diesen Spielzug als ganz normal, so wie er tausende Bälle zuvor im Training gefangen hatte. Sein Catch bedeutete ein weiteres Spiel mit mindestens 100 Receiving Yards, sein zehntes allein in der Saison 2023. Aber St. Brown wusste auch, dass daran eigentlich nichts Typisches war. Sein Fang markierte genau den Moment, in dem das 32 Jahre andauernde Elend der Detroit Lions im Profi-Football endete. Nach drei Jahrzehnten, die alle das gleiche Ende hatten, ohne einen einzigen Postseason-Sieg, waren die Lions plötzlich wieder da. 

Amon-Ra St. Brown: "Lass uns das noch einmal machen"

Detroits neuer "Lord of the Thrones" (oder was auch immer) hatte einmal mehr abgeliefert und laut Pro Football Focus die Bestnote seines Teams (90,7) im bis dahin wichtigsten Spiel der Franchise in diesem Jahrhundert erzielt. Die 315 Fänge in seiner Karriere zählen zu den dritthöchsten in der NFL-Geschichte aller Spieler in den ersten drei Saisons. Damit steht er nur knapp hinter Justin Jefferson und Michael Thomas.

St. Brown könnte der ernsthaftesten Spieler der NFL werden. Ein Superstar, der in einer Art "Erziehungslabor" entwickelt wurde. Bereits als Kind war er so ernst, dass seine Eltern sagten, er habe nie mit Spielzeug gespielt. St. Brown wusste immer, was er wollte und wohin er wollte. Seine Eltern stellten sicher, dass er mehr als nur ein Athlet wird. Aber St. Brown kann auch emotional sein. Bei Touchdowns strahlt, tanzt und lächelt er. 

Jeder Trainer, der jemals auf eine weiße Tafel gekritzelt hat, wird endlos über Kultur reden – über das Schaffen, Prägen, Festigen, Erweitern. Aber nur Trainer mit seltenen Spielern wie St. Brown, der Elite unter den Eliten, von Natur aus begabt und intrinsisch motiviert, können jedes Spiel durch ihre Einstellung entscheiden.

Als St. Brown zum ersten Mal mit den Lions trainierte, winkte er den Spieler zu sich, von dem er glaubte, er sei der "schlechteste Kerl" in der Verteidigung, sagt sein Vater. St. Brown begann prompt ein Trainingsduell mit Jeff Okuda, einem der fünf besten NFL-Draft-Picks. Die Qualität des Duells spielte dabei keine Rolle. Aber die Nachricht, die gesendet wurde umso mehr. St. Brown rief: "Lass uns das noch einmal machen!"

Vater von St. Brown: "Das ist mein kleines Baby"

Der jüngste von drei St. Brown-Brüdern ging sein Handwerk immer auf diese Weise an. Als Achtklässler nahm er an einem Skills-Camp für Elite-College-Anwärter in Los Angeles teil. Jim Harbaugh war dabei. Auch Urban Meyer. Amon-Ra bellte die Verteidigung immer wieder an. Dabei versetzte St. Brown ein unfaire Aktion in Wut. Er schrie und stampfte. Er wollte um jeden Preis Erfolg haben, bis Meyer die Hand auf seine Brust legte, um ihn zu beruhigen.

Als seine Eltern beim Frühstück in einem Café in Birmingham, einem Vorort von Michigan, sitzen, zeigten sie sich ein wenig enttäuscht, dass ihr Jüngster bei der Pro-Bowl-Abstimmung nicht berücksichtigt wurde. Aber viel wichtiger ist, dass ihn seine Teamkollegen zum All Pro der ersten Mannschaft gewählt haben. 

"Ich habe die ganze Nacht in meinem Bett gelegen und mir das Bild der All-Pros der ersten Mannschaft angeschaut", sagt John Brown. "Sein Gesicht ist da mit drauf. Das ist mein kleines Baby." Der Junge, den er darauf vorbereitet hat, auf all das. Wie können die Detroit Lions drei Jahrzehnte Schmach im Football auf den Kopf stellen? Indem sie diesen Kerl gefunden haben, den "König der Götter".

Im Haus, in dem Mr. und Mrs. Universe drei Football-Stars dazu erzogen haben, fließend Deutsch zu sprechen und Gewichte zu heben, bevor sie Teenager waren, begannen die Feierlichkeiten aber nie richtig. Sicher, etwa 60 Verwandte und Freunde von St. Brown kamen Ende April 2021, um zu jubeln und dabei zu sein, am ersten Abend des NFL-Drafts oder am zweiten, als seine Familie einen weiteren Sohn in den Profi-Football schickte.

Aber Frust breitete sich aus: Pick für Pick ging weg. Die Stimmung wurde gedämpfter, dann dunkler und irgendwie mies. St. Brown schmorte, der Unglaube verwandelte sich in Wut. Nach zwei Draft-Tagen und drei abgeschlossenen Runden fand John Brown seinen Jüngsten, sah ihm in die Augen und sagte: "Lass uns verschwinden von hier."

Amon-Ra St. Brown ist eine Art Katalysator für Detroit

Wie immer hörte St. Brown seinem Vater zu, aber nicht bevor er noch einen Rundgang durch das Haus machte, um sich bei allen zu bedanken, die zu der Party erschienen waren. Er weinte, als er in sein Auto stieg und weinte, als er wegfuhr. Er kann sich nicht erinnern, ob er auf der Fahrt Musik abgespielt hat. Er kann sich erinnern, angehalten zu haben, um zu tanken. "Einfach schockiert", sagt er. "Ich war sprachlos und sauer.“ Würde er am dritten Tag gedraftet werden? Spielte es überhaupt eine Rolle?

Dennoch tat er gegen Mitternacht das, was die St. Browns immer tun. Er ging mit seinen Brüdern auf ein Footballfeld, belud eine JUGS-Maschine und schnappte sich Pässe, bis seine Hände schmerzten. Er schlief. Dann wachte er auf und fuhr zurück zum Haus seiner Eltern, wo die Gruppe auf etwa zehn Personen geschrumpft war. Er saß auf derselben Couch, an derselben Stelle und zwang sich zuzuschauen, bis die Lions in der vierten Runde bei Pick Nr. 112 seine Qual beendeten. St. Brown erstellte nicht nur eine Liste der 16 genommenen Receiver vor ihm. Er lernte ihre Namen auswendig und verglich alle Lebensläufe.

Der wichtige Teil sind aber nicht die Kränkungen oder gar die Liste. Der wichtige Teil ist nicht, wohin er nicht gegangen ist, sondern wo er gelandet ist; nicht das, was passiert ist, sondern was kommt. Damit Detroit, das so lange ein NFL-Fußabtreter war, im nächsten Monat um den Super Bowl LVIII spielen kann, brauchte es diesen Katalysator.

Mit anderen Worten, die Art von Spielern, die nicht nur eine Mannschaft, sondern ihre Seele formen. Der darauf ausgelegt ist, nicht auf diese spezielle Situation, sondern auf jede Situation zu reagieren. Wer könnte eine mehr als drei Jahrzehnte währende Durststrecke seit dem letzten Playoff-Sieg einer Franchise beenden und erwarten, zu denen zu gehören, die 32 Jahren des Elends ein Ende setzen? Und der Anfang von viel, viel mehr sind.

Amon-Ra St. Brown fängt einen Pass gegen die Minnesota Vikings.
Amon-Ra St. Brown fängt einen Pass gegen die Minnesota Vikings.
Credit: Sports Illustrated
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Seine Eltern, erklärt Amon-Ra, seien zu allen drei Jungen hart gewesen. Er erklärt eher, als dass er sich beschwert, und weist darauf hin, woher seine Ernsthaftigkeit stammt. Im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden ging er kaum aus. Sein Fokus lag immer auf Schularbeiten und Football. Er wollte immer der beste Receiver in seiner Stadt, seinem Bundesstaat oder seiner Konferenz sein. Selbst beim USC, dem Programm, aus dem St. Brown nach Ansicht seines Vaters hätte wechseln sollen, bestand das Ziel darin, der beste Wideout im College-Football zu werden.

In dieser Saison, sagt St. Brown, habe er sich "frei" gefühlt. Frei, Spaß zu haben, sich zu entspannen und Touchdown-Tänze aufzuführen, die seine Athletik unterstreichen. "Sonntage sind die Tage, an denen ich rauskomme", sagt er.

Detroit Lions im NFC-Finale gegen San Francisco 49ers

Die Lions verlassen sich mit Dan Campbell auf einen Trainer, den seine Spieler lieben und die für ihn alles tun. Sie konkurrieren nach dem Training, in ihrer Umkleidekabine, beim Billard, Tischtennis und Domino. Sie loben Goffs Wiederaufstieg, bewundern Aidan Hutchinsons immenses Talent und weisen keinen Mangel an Geschick und Geschwindigkeit auf. Aber das neue Königreich der Lions wird vom Receiver mit den blauen Haaren regiert.

Der "König der Götter" kann so ziemlich alles. Sein College-Positionstrainer, Keary Colbert, staunte über St. Browns Schnelligkeit im Nahbereich, die Art, wie er nach Würfen nach vorne schießt, als würde er wie eine Rakete abzischen. Wieso war derselbe Junge auch einer der stärksten Trojans? Ein erstklassiger, williger Blocker, der keine Angst davor hatte, die Defensive Backs zu zerschlagen? War dieser Typ, der Schnelle, der Starke, der Verzweifelte, auch einer der härtesten Arbeiter der USC? Auf jeden Fall.

Dieser junge Wideout ist etwas Besonderes. Von der vierten Draft-Runde arbeitete er sich zu einem der Leader seines Teams nach oben - das hat St. Brown eindrucksvoll geschafft. Sein Catch, der den ersten Playoff-Sieg seit langer Zeit sicherte, war ein perfektes Beispiel dafür. "Beim Sport dreht sich alles um die Messer", sagt sein Vater Brown, während Mutter Miriam ein leichtes Lächeln aufsetzt und die Augen verdreht. Man muss diese "Messer exakt werfen" oder "ihnen ausweichen".

Den nächsten großen Schritt kann St. Brown mit den Detroit Lions im NFC-Finale gegen die San Francisco 49ers machen. Mit einem Sieg würden die Lions zum ersten Mal seit 1957 wieder im Super Bowl stehen. An einen Sieg mag aber noch niemand denken. Dann würden sie St. Brown in Detroit ein Denkmal bauen.



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