Sports-Illustrated-Interview

Dirk Nowitzki im Exklusiv-Interview: NBA-Star spricht über seine weitere Zukunft

Dirk Nowitzki ist eine lebende Legende. In Dallas haben sie für den Ex-Star der Mavericks extra eine Statue errichtet. Über diese und weitere Ehrungen, den deutschen Basketball und den Ruhestand spricht Nowitzki mit Sports Illustrated.

Dirk Nowitzki
Credit: LAIF/Jens Umbach
Sports Illustrated 04/22 - Dirk Nowitzki
Dirk Nowitzki im Interview
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Sports Illustrated 04/22 - Dirk Nowitzki
Dirk Nowitzki im Interview

Inhalt

  • NBA-Legende Dirk Nowitzki im Sports-Illustrated-Interview
  • Nowitzki über Basketball in Deutschland und seinen Ruhestand
  • Ex-Dallas-Mavericks-Star Nowitzki: "Bei Playoff-Spielen zuckt es ein bisschen"

Sports Illustrated: Nach Ihrem Karriereende 2019 ist 2022 das Jahr der Ehrungen für Sie: Auf das Jersey Retirement Anfang des Jahres bei den Dallas Mavericks, die Ihre Nummer 41 nie mehr vergeben werden, folgte dieses Ritual nun auch fürs deutsche Nationalteam zu Beginn der Basketball-Europameisterschaft. In Köln wurde Ihr Trikot unter das Hallendach gezogen. Genießen Sie das?

Dirk Nowitzki: Das ist schon etwas Besonderes. Diese Events werde ich für den Rest meines Lebens nie vergessen, wie stolz meine Familie beim Jersey Retirement in Dallas war. Es ist eine große Ehre für mich, das jetzt auch mit der Nationalmannschaft zu erleben. Es sind wahnsinnig tolle Events, die die vergangenen drei Jahre auf mich eingeprasselt sind. Ich genieße das alles – und dann kommt am Ende des Jahres auch noch die Statue vor dem American Airlines Center ... Unglaublich!

Sports Illustrated: Die Sie im Dallas-Trikot zeigt und nach den Worten von Teambesitzer Mark Cuban wie gesagt vor der Halle in Dallas stehen wird.

Nowitzki: Ja, so hat er es den Fans versprochen. Dann folgt ja wahrscheinlich auch noch die Aufnahme in die Hall of Fame, und dann würde ich sagen, dass wir den absoluten Höhepunkt erreicht haben, und es darf dann auch gerne wieder etwas ruhiger werden.

Dirk Nowitzki
Legendenstatus: Beim Jersey Retirement in Dallas wird Nowitzkis Nummer 41 nach oben gezogen – und künftig nie wieder vergeben
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: So viele deutsche NBA-Spieler wie im Moment gab es selten. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Nowitzki: Wir sind auf den großen Positionen in der Abwehr sehr gut besetzt, das sieht man auch in der Nationalmannschaft. Mit etwa Maxi Kleber und Daniel Theis, das sind große Spieler, die aber gleichzeitig auch sehr beweglich und skilled sind. Die können auch Dreier werfen. Das Skillset, das unsere Großen mitbringen, das ist gerade total gefragt in der NBA. Mit Franz Wagner haben wir auf dem Flügel ein weiteres super Talent. Dazu Dennis Schröder im Aufbau.

Sports Illustrated: Als Sie Ende der 1990er-Jahre in die NBA kamen, war da außer Ihnen noch Detlef Schrempf. Ist es denn mittlerweile leichter für deutsche und europäische Spieler, sich in der NBA durchzusetzen?

Nowitzki: Das Skillset der europäischen Spieler passt jetzt perfekt in den NBA-Stil. Der war in den 1990ern und Anfang der 2000er noch etwas anders. Aber über die vergangenen 20 Jahre hat sich das Spiel wahnsinnig verändert. Die Vierer und die Fünfer müssen mittlerweile alle werfen und den Ball vorbringen können. Das spielt den Profis aus Europa in die Hände. Außerdem ist der internationale Basketball insgesamt besser geworden, das merkt man bei den Olympischen Spielen, dass da neben den USA weitere gute Mannschaften dabei sind.

Dirk Nowitzki
Die Anfänge: Nowitzki 1996 vor seinem Eltern in Würzburg. Mit der DJK Würzburg spielt er damals in der 2. Basketball-Bundesliga
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Wenn Sie heute 20 Jahre alt wären wie damals beim Draft 1998: Würden Sie es schaffen, sich auch 2022 so in der NBA durchzusetzen?

Nowitzki: Ich würde versuchen, alles noch mal genauso zu machen. Ich hatte damals das Glück, nach Dallas zu kommen. Ich wusste über die Stadt nicht viel, das war ein kleiner Kulturschock für mich. Aber die Leute dort haben mich so herzlich aufgenommen, die Spieler, die Coaches – und mit Steve Nash und Mike Finley habe ich Freunde fürs Leben gefunden. Es waren auch viele Enttäuschungen dabei: das superschwere erste Jahr, die ganzen Playoff-Niederlagen. Das gehört auch zu meiner Karriere, daraus habe ich wahnsinnig viel gelernt. Während der verkürzten Streiksaison im ersten Jahr hatten wir einmal sechs Spiele in acht Tagen, ich wusste teilweise gar nicht mehr, in welcher Stadt oder welchem Hotel ich gerade bin. Da habe ich mich teilweise schon sehr schwergetan, meine Rolle zu finden. Aber in der Rückschau war es ein gutes Jahr, um mich in die NBA einzuleben und sie zu verstehen.

Sports Illustrated: Was sind die größten Unter­schiede zu Ihren Anfängen?

Nowitzki: Dass durch die sozialen Netzwerke alles noch mal stärker unter das Mikroskop gekommen ist. Das hatten wir damals nicht – zum Glück, oder auch nicht. Heute hat jeder seine Brand, seine eigene Plattform und kann sofort in jeder Situation einen Kommentar abgeben oder ein Video uploaden, das in einer Sekunde in der Welt draußen ist. Gleichzeitig wirst du viel stärker beobachtet.

Sports Illustrated: Sie haben schon sehr bald Stiftungen gegründet und engagieren sich sozial.

Nowitzki: Jeder versucht, in seiner Community zu helfen. Das habe ich damals von den älteren Spielern wie Steve Nash und Mike Finley gelernt. Die sagten: Du musst dich um deine Stadt, deine Wurzeln kümmern. Deshalb habe ich meine Stiftung in Dallas direkt 2001 und 2005 dann die in Deutschland gegründet. Sport hat eine sehr, sehr wichtige gesellschaftliche Funktion, und ich finde es großartig, dass viele der großen Stars ihre Möglichkeiten nutzen, um das Leben von Menschen und die Welt – in kleinen Maßen – zu verbessern. 

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Im DBB-Trikot: 153 Spiele macht Nowitzki für die Nationalmannschaft. Highlights: WM-Bronze 2002 und Silber bei der EM 2005
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Zu Ihrem Abschied hieß es in der „taz“ über Sie: „Es ist viel­leicht seine größte Leistung, dass er nicht zum Arschloch, Angeber oder Großsprecher mutiert ist wie so viele seiner Sportkollegen, die von Fans und Medien in den Orbit der Aufmerksamkeit geschossen werden.“

Nowitzki: Das spielt wohl so ein bisschen auf meine Persönlichkeit und meinen Charakter an. Ich glaube, dass ich von Haus aus ein eher schüchterner, zurückhaltender Typ bin. Normalerweise fühle ich mich wohler, wenn ich die Leute um mich herum kenne, mir mein Umfeld vertraut ist. Dann kann ich ein bisschen aus mir herausgehen. Immer Rummel um mich herum, das brauche ich nicht. Klar ist es schön, mal im Rampenlicht zu stehen, genauso gerne tauche ich aber ein, zwei Monate unter, damit habe ich gar kein Problem. Es gibt andere Charaktere, die lieber in der Öffentlichkeit stehen und das auch anders nutzen, da muss jeder seinen eigenen Weg finden.

Sports Illustrated: Welcher war das für Sie?

Nowitzki: Ich habe immer versucht, ich selbst zu sein. Jeden Tag auf Instagram ein neues Bild zu posten oder in einem Video was zu erzählen: Das bin ich nicht. Wenn ich etwas Witziges finde oder eine Sache als wichtig genug empfinde, um sie zu kommentieren, mache ich das sehr, sehr gerne. Aber ich muss nicht ständig irgendwo präsent sein.

Dirk Nowitzki
Der Höhepunkt: Nach dem Gewinn der NBA-Meisterschaft mit den Mavericks 2011 empfängt US-Präsident Barack Obama das Team im Weißen Haus
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: 2011, beim NBA-Titelgewinn mit den Dallas Mavericks, waren Sie der Anführer des Teams. Was macht für Sie einen Leader aus?

Nowitzki: Zu diesem Thema habe ich mir während meiner Karriere schon viele Gedanken gemacht. Als Steve Nash und Mike Finley weg waren, wusste ich, dass jetzt ich derjenige mit dem größten Vertrag war. Alle haben auf mich geschaut – und ich sollte auf einmal der Leader sein. Jeder weiß, dass ich nicht der Typ bin, der sich hinstellt und große Reden schwingt, das ist nicht mein Ding. Also musste ich einen eigenen Weg finden, mit dem ich mich wohlfühle. Du willst als Anführer ja nicht als Fake rüberkommen. Wenn ich mich hingestellt und große Reden geschwungen hätte, hätte die Mannschaft relativ schnell gecheckt, dass das nicht ich bin, dass das nicht authentisch ist. Ich wollte mit gutem Beispiel vorangehen und für die Mannschaft da sein, auch wenn ich krank oder verletzt war. Wenn mir während des Spiels etwas aufgefallen ist, habe ich das schon angesprochen oder ein Timeout kommuniziert, aber große Motivsprüche habe ich nie geklopft.

Sports Illustrated: Und wie behält man die nötige Lockerheit?

Nowitzki: Mir haben einige Coaches gesagt, dass ich eher zu locker war und ich mal ernster sein müsse. Ich hatte eben gerne Spaß im Bus oder in der Umkleide, wollte alles möglichst relaxt angehen. Mein Ziel war, dass sich alle anderen wohlfühlen. Wenn du mal zehn Jahre oder länger dabei bist, dann siehst du im Training nichts Neues mehr. Oder die Videosessions – es ist immer wieder dasselbe. Kann schon sein, dass meine Aufmerksamkeit da mal ein bisschen abgedriftet ist und die Coaches mich ermahnen mussten. Ob ein Spieler neu dabei war oder ein Rookie, ich habe mit allen genauso rumgeflachst wie mit denen, die schon zehn Jahre dabei waren. Um zu zeigen: Für mich seid ihr alle wichtig. Aber wenn es so weit war, konnte ich umschalten und voll da sein.

Sports Illustrated: Daneben gehört auf absolutem Topniveau auch eine gewisse Qual dazu, siehe Rafael Nadal oder Tom Brady. Sie haben auch schon erwähnt, dass Sie vielleicht besser etwas früher Ihre Karriere beendet hätten, das hätte Ihrer Gesundheit gutgetan. Was treibt einen trotzdem so sehr an?

Nowitzki: Das ist dieser Drive. Wenn man einmal Meister werden will – oder es schon geworden ist –, dann will man das schaffen oder noch einmal erleben. Ich wollte mich nie ausruhen, immer etwas Neues dazu­ lernen, das Maximale aus meinem Talent herausholen. Das geht nur über harte Arbeit und Wiederholungen. Ich habe mich mit Holger Geschwindner jeden Sommer fit gemacht und versucht, ein noch besserer Allroundspieler zu werden. Du musst dich immer als Lernenden se­hen und nicht als fertiges Produkt.

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Der Mentor: Mit dem ehemaligen Basketballer Holger Geschwindner trainiert Nowitzki jahrelang jeden Sommer
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Sie sprachen gerade das Training mit Ihrem Mentor Holger Geschwindner an. Dieses Wissen, das Sie dabei über die Jahre angesammelt haben: Ist das ir­gendwo archiviert, kann man das weiter­geben – oder ist das nun verloren?

Nowitzki: Holger hat zu mir vor Jahren einmal ge­sagt, er würde sich wünschen, dass ich das wiederholen würde, was er für mich gemacht hat. Wenn ich das weitergeben könnte. Das wäre schon großartig, wenn ich mal so ein Verhältnis mit einem Spie­ler hätte, dass ich sage: Da bin ich voll dabei, da habe ich Bock drauf. Im Mo­ment bin ich noch in der Reflektierphase, in der ich Abstand vom Sport brauche und unsere jungen Kids genießen will. Es dauert noch eine Weile, bis ich wieder so ein großes Projekt annehme.

Sports Illustrated: Aber ein ganz basketballfreies Leben pla­nen Sie nicht?

Nowitzki: Ich glaube schon, dass ich dem Basket­ballsport erhalten bleibe, das liegt nahe. Nur in welcher Funktion, das ist noch nicht ganz klar. Aber eines muss ich sa­gen: Ich glaube nicht, dass ich das so gut könnte wie Holger. Er war so clever, auch außerhalb des Spielfeldes. Aber was ich über die 20 Jahre gelernt habe – allein über die richtige Wurfbewegung –, das könnte ich später weitergeben, wenn der Zeitpunkt richtig ist.

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Signature Move: Der Fadeaway-Move, bei dem Nowitzki das Knie anzieht wird über die Jahre zu seinem Markenzeichen
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Sports Illustrated: Aktuell sind Sie Berater bei den Mave­ricks. Haben Sie hier schon weitere Pläne?

Nowitzki: Es war viel los letztes Jahr, als wir uns von General Manager Donnie Nelson und Coach Rick Carlisle getrennt haben, da war ich sehr involviert. Seitdem war es ruhiger. Die Mavericks wissen, dass ich die Familie genießen will, dass ich viel auf Reisen bin. Das Gute ist aber, dass ich mich jederzeit involvieren kann. Ich war bei fast jedem Playoff-Spiel, aber danach bin ich wieder nach Europa, habe unter anderem den Draft verpasst. Ich bin noch nicht in der Situation, dass ich mich full-time einbringen möchte. Ich habe immer gesagt: Wenn ich etwas machen will, dann auch richtig. Daher passt die Beraterrolle ganz gut. Ich kann auch aus der Entfernung Dinge erledigen, muss nicht jeden Tag im Mavericks-Office sein und gebe mit meiner Erfahrung gerne Rat, wenn es zum Beispiel um einen Spieler geht.

Sports Illustrated: Beruflich sehen Sie sich eher in den USA als in Deutschland?

Nowitzki: Meine nahe Zukunft liegt in den USA, ich habe dort mein Netzwerk mit den Mavericks und seit über 20 Jahren Freunde. Meine Frau war in der Kunstwelt aktiv und fängt jetzt auch langsam wieder an zu arbeiten. Unsere Kids sind dort geboren, Englisch sprechen sie am besten. Von daher wird unser Mittelpunkt auf jeden Fall erst mal in den USA sein. Aber wir haben Familie auf der ganzen Welt: ob in Deutschland oder in Schweden – meine Frau ist außerdem halbe Kenianerin, wir haben also auch viel Familie in Kenia.

Sports Illustrated: Wenn Sie jemand nach Ihrer Heimat fragt, was antworten Sie?

Nowitzki: Im Moment würde ich sagen: Wir sind Weltreisende. Wir leben überall auf der Welt. Aber meine Heimat ist immer noch Deutschland, meine Eltern und meine Schwester leben weiter in Würzburg. Dallas ist seit mittlerweile über 20 Jahren meine Wahlheimat. Ich bin länger in Dallas, als ich in Würzburg gelebt habe. Ich komme immer wieder gerne nach Hause, bin jetzt öfter in Deutschland als während der Karriere. So in etwa alle vier bis sechs Wochen, ob für Sponsorentermine, die Unicef oder meine Stiftung.

Sports Illustrated: Wie lebt es sich ohne den Leistungsdruck?

Nowitzki: Bei den Playoff-Spielen zuckt es schon noch ein bisschen. Diese Spiele auf höchstem Level, dieser Adrenalinkick, da hat es immer gekribbelt, das wird wahrscheinlich auch nie ganz weggehen. Ansonsten vermisse ich es nicht allzu sehr. Die letzten zwei Jahre meiner Karriere waren schwer, die Probleme mit dem Fuß haben mir ein bisschen den Spaß genommen. In meinem letzten Jahr konnte ich kaum noch trainieren und musste viel Reha machen, um überhaupt spielen zu können. Da habe ich mich aufs Reisen gefreut, aufs Essen, mal einen Wein zu trinken und einfach mal nicht den Druck im Sommer zu haben, immer fit zu bleiben und sich gut zu ernähren. Wenn wir auf Reisen waren, musste ich erst mal eine Halle und einen Workout-Room finden. Aber irgendetwas muss schon noch kommen für die zweite Lebenshälfte. Sonst wäre mir das irgendwann zu langweilig.


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