Sports Illustrated

Thomas Helmer: "Jürgen Klopp würde dem FC Bayern München sehr gut tun"

Thomas Helmer spricht im Sports-Illustrated-Interview über die Champions-League-Halbfinals mit Borussia Dortmund und dem FC Bayern. Außerdem äußert er sich über einen möglichen Nachfolger von Thomas Tuchel, der nach der Saison gehen muss. 

Thomas Helmer
Credit: Imago
 

Sports Illustrated: Wie groß ist die Chance, dass wir in diesem Jahr ein deutsch-deutsches Champions-League-Finale sehen?

Thomas Helmer: Die Wahrscheinlichkeit ist immer noch groß. Die Hinspiele haben gezeigt, dass die beiden Mannschaften zurecht im Halbfinale stehen. Der einzige kleine Nachteil könnte sein, dass Bayern und der BVB jetzt auswärts spielen müssen.

Sports Illustrated: Wie schwer wird es für den BVB nach dem 1:0 in Dortmund jetzt im Rückspiel gegen PSG zu bestehen? Auf welche Faktoren kommt es an?

Helmer: Paris Saint-Germain ist am schwierigsten einzuschätzen. Entweder sie haben einen guten Tag oder einen schlechten Tag. Ich hoffe mal, dass sie gegen den BVB wieder einen schlechteren haben. Im Hinspiel hat man gesehen, dass es auch 4:3 hätte ausgehen können. Dortmund hat das lange sehr gut verteidigt, aber PSG hatte dennoch drei, vier hochkarätige Chancen. Das muss der BVB verhindern. Nach vorne hätte Dortmund seine Chancen noch ein bisschen besser nutzen müssen. Aber bisher haben sie in der Champions League eine gute Leistung gezeigt.

Sports Illustrated: Bayern reist mit einem 2:2 nach Madrid. Wird‘s am Ende für die Münchner mit dem Einzug ins Champions-League-Finale klappen?

Helmer: Beide Teams sind sehr erfahren. Ich sehe beim Spiel zwischen Real Madrid und dem FC Bayern keine großen Vorteile für eine der Mannschaften. Trotzdem wird es für Bayern verdammt schwer, weil Real immer auf dem Punkt da ist.

Sports Illustrated: Warum zeigen der BVB und der FC Bayern in dieser Saison in der Champions League ein komplett anderes Gesicht als in der Bundesliga?

Helmer: Ein Grund ist natürlich, dass wir in der Bundesliga mit Bayer Leverkusen eine überragende Mannschaft haben, die keiner so auf dem Zettel hatte. Der FC Bayern ist von der Punktzahl her gar nicht so schlecht. Aber Leverkusen war halt besser. Beim BVB muss man sagen, dass die anderen Mannschaften, die vor ihnen stehen, einfach auch eine bessere Saison spielen.

Sports Illustrated: Welche Rolle hat beim FC Bayern in dieser Saison die lange Verletztenliste gespielt?

Helmer: Auf jeden Fall hat das eine Rolle gespielt. Bei Bayern ist für mich offensichtlich, dass man über die gesamte Saison eigentlich nie eine Defensive hatte. Man hat zwar einzelne sehr gute Innenverteidiger, die aber viele Fehler gemacht haben. Zum Schluss haben sich Eric Dier und Matthijs de Ligt gefunden, die am besten harmoniert haben. Aber vorher war es immer ein Wechselspiel und keine Konstante. Das ist nicht gut für eine Mannschaft.

Sports Illustrated: Thomas Tuchel muss im Sommer seinen Hut nehmen. War es ein Fehler des FC Bayern, ihn wie zuletzt auch Julian Nagelsmann zu früh zu entlassen?

Helmer: Im Nachhinein sind wir alle schlauer. Aber wenn man danach niemanden hat und nicht die entsprechenden Vorbereitungen getroffen hat, wer als Nachfolger kommt, ist das natürlich ganz, ganz schlecht. Dann gibst du ein Bild ab, wie es der FC Bayern momentan abgibt. Bei Julian war es so, dass er in allen drei Wettbewerben aussichtsreich vertreten war. Da war das Unverständnis fast noch größer. Wenn Thomas Tuchel die Champions gewinnt, wird es wieder so sein.

Sports Illustrated: Sollte der FC Bayern versuchen, Thomas Tuchel zum Bleiben zu überreden? Oder ist das Tischtuch komplett zerschnitten?

Helmer: Das wird nicht klappen. Das Tischtuch ist durchtrennt. Da ist sehr viel von beiden Seiten aufeinander eingeprasselt, vor allem auch auf Thomas Tuchel. Aus seiner Sicht würde ich es gar nicht mehr machen. Ich denke, dass er stolz genug ist und beim FC Bayern nicht weitermacht. Das passt nicht mehr zusammen.

Sports Illustrated: Wer wird Tuchels Nachfolger beim FC Bayern?

Helmer: Man sieht überall Fragezeichen, auch bei mir. Ich denke, dass viele genau beobachtet haben, wie der FC Bayern mit seinen Trainern umgegangen ist. Das ist vielleicht abschreckend. Nach der Absage von Ralf Rangnick hat sich das Ganze noch verschärft.

Sports Illustrated: Wäre eine Rückkehr von Pep Guardiola zum FC Bayern vorstellbar?

Helmer: Ich denke nicht, dass Pep Guardiola seinen Posten bei Manchester City aufgeben wird. Er hat auch einmal gesagt, dass bei Bayern nicht alles so war, wie er es sich vorgestellt hat. Deshalb halte ich eine Rückkehr für ausgeschlossen. Außerdem glaube ich nicht, dass Bayern ernsthaft über ihn nachdenkt. Vielleicht strebt Bayern auch eine Lösung für ein Jahr an, um dann Xabi Alonso oder Jürgen Klopp zu verpflichten. Aber das ist risikobehaftet. Man muss erst einmal einen Trainer finden, der das für ein Jahr machen will.

Sports Illustrated: Ein Name, der immer wieder genannt wird, ist Jürgen Klopp. Würde er zum FC Bayern passen?

Helmer: Jeder Klub würde Jürgen Klopp mit Kusshand nehmen. Ich denke, dass "Kloppo" dem FC Bayern sehr guttun würde. Aber ich denke eher, dass es der Wunsch der meisten ist, dass er irgendwann einmal Bundestrainer wird.

Thomas Helmer
Thomas Helmer
Credit: Sport1
x/x

Sports Illustrated: Warum tut sich der FC Bayern im oberen Management-Bereich seit längerer Zeit so schwer. Sind Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die den Rekordmeister über Jahrzehnte aufgebaut haben, überhaupt zu ersetzen?

Helmer: Prinzipiell ist es gut, dass er FC Bayern einen Umbruch einleiten wollte. Aber das hat mit ehemaligen Spielern nicht geklappt. Die Zeit dreht sich weiter. Karl-Heinz Rummenigge hat sich bereits ein bisschen mehr zurückgezogen. Uli Hoeneß tauchte zuletzt wieder mehr in der Öffentlichkeit auf. Es scheint, dass die Fußstapfen einfach riesig sind. Nichts gegen Herbert Hainer und Jan-Christian Dreesen, aber ich vermisse ein bisschen das Gesicht des FC Bayern und den sportlichen Faktor.

Sports Illustrated: Wäre es eine gute Idee, wenn Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger Verantwortung beim FC Bayern übernehmen?

Helmer: Wenn ich an Bastian Schweinsteiger und andere denke, spielen sie keine Rolle mehr. Das finde ich sehr schade. Auch Thomas Müller wäre einer, den ich mir vorstellen kann, der immer beim Verein war. Er ist ein Spieler, der das Bayern-Gen in sich trägt und sportlichen Erfolge vorweisen kann. Deswegen würden sie beide gut passen.

Sports Illustrated: Beim BVB stand Edin Terzic in dieser Saison auch immer wieder in der Kritik. Wie sicher sitzt er beim BVB als Trainer im Sattel?

Helmer: Edin Terzic ist immer wieder in der Diskussion. Vor allem in der Bundesliga, weil es nicht so gut gelaufen ist. Deshalb würde ich nicht so viel drauf wetten, dass er sicher im Sattel sitzt. Wobei mit Lars Ricken jetzt jemand da ist, der sehr eng mit Hans-Joachim Watzke ist. Und Watzke hat sich immer hinter Terzic gestellt. Das könnte ihm sicherlich helfen.

Sports Illustrated: Marco Reus wird den BVB am Saisonende verlassen. Wie groß ist der Verlust für die Dortmunder?

Helmer: Marco Reus ist eine absolute Identifikationsfigur bei Borussia Dortmund. Aber sportlich konnte er zuletzt nur noch einzelne Highlights setzen und nicht mehr konstant über eine ganze Saison. Deswegen ist die Trennung für mich logisch. Ich finde es gut von beiden Seiten. Mal schauen, was Marco in Zukunft macht. Aber er gehört einfach zu Borussia Dortmund. Ihn könnte ich mir ähnlich beim BVB wie Thomas Müller beim FC Bayern vorstellen.

Sports Illustrated: Bei Real Madrid spielt mit Toni Kroos einer der besten deutschen Nationalspieler. Wie beurteilen Sie seine momentanen Leistungen?

Helmer: Über Toni Kroos ist schon so viel gesagt und geschrieben worden. Da gibt es nichts zu meckern. Allein, was seine Rückkehr und seine Anwesenheit in die Nationalmannschaft bewirkt haben. Was er fußballerisch kann, wissen alle. Aber es geht nicht nur um seine sportliche Leistung, sondern auch um seine Persönlichkeit.

Sports Illustrated: In diesem Jahr findet die EURO 2024 in Deutschland statt. Welche Rolle wird das DFB-Team mit Bundestrainer Julian Nagelsmann spielen?

Helmer: Ich versuche das immer andersherum zu beantworten. Wer ist denn sonst Favorit? Einen absoluten Topffavoriten gibt es für mich nicht, außer die üblichen Verdächtigen. Die Tendenz bei uns war in den vergangenen beiden Spielen sehr gut, die auch für eine bessere Stimmung im Umfeld gesorgt hat – auch bei den Fans. Ich bin mir sicher, wenn Deutschland einen guten Start in die EM hinlegt, kann das ein erfolgreiches Turnier im eigenen Land werden. Ich denke, dass wir die Gruppe gewinnen werden und hoffe, dass Deutschland ins Halbfinale kommt.

TV-Tipp:

"Fantalk" diskutiert am Dienstag und Mittwoch über den Traum vom deutschen Champions-League-Endspiel. Die Ausgangslage ist für Borussia Dortmund und den FC Bayern extrem eng, beide deutsche Teams haben nach dem Hinspiel-Ergebnissen weiterhin gute Chancen, das Champions-League-Finale in London zu erreichen. Der "Fantalk" auf Sport1 ist #mittendrin und diskutiert über die Rückspiele des BVB in Paris und des FCB in Madrid. Moderator Thomas Helmer begrüßt im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund eine namhafte Runde zur launigen Diskussion über die parallel laufenden Partien.

Zur Stammbesetzung gehören die Co-Moderatoren Katharina Kleinfeldt und Hartwig Thöne, die Zuschauer mit einbinden und über das Spielgeschehen informieren. Im Fokus steht am Dienstag live ab 20:15 Uhr das Halbfinal-Rückspiel von Borussia Dortmund bei Paris Saint-Germain. Dortmund muss in Frankreich den 1:0 Erfolg aus dem Hinspiel verteidigen. Zu Gast sind der frühere Bundesliga-Trainer Peter Neururer, Ex-Bundesliga-Profi Stefan Schnoor, Toni Tomic (Sky) und Oliver Forster (SPORT1). Am Mittwoch dreht sich die Diskussion dann live ab 20:15 Uhr um das Halbfinal-Rückspiel von Bayern München bei Real Madrid. Nach dem 2:2 im Hinspiel ist alles offen, allerdings genießt Real nun Heimvorteil. Im "Fantalk" werden diesmal die beiden Ex-Bayern-Profis Stefan Effenberg und Mario Basler, Christian Straßburger (MagentaSport, Sky und RTL) und Comedian Matze Knop erwartet



Mit dem Sports Illustrated-Chefredakteurs Newsletter erhalten Sie aktuelle Sport-News, Hintergründe und Interviews aus der NFL, der NBA, der Fußball-Bundesliga, der Formel 1 und vieles mehr.

NEWSLETTER ABONNIEREN 


Mehr Sport-News

Zehn Jahre nach dem schweren Skiunfall von Michael Schumacher am 29. Dezember 2013 fragen sich alle Formel-1-Fans weiterhin, wie es ihrem Idol geht. Schumacher-Anwalt Felix Damm erklärt, warum es keine Nachrichten zum Gesundheitszustand von Schumi gibt.

Manuel Neuer wird nach Angaben der "Bild" bald Vater. Zusammen mit seiner Ehefrau erwartet der Bayern-Star ein Kind. Beide sind seit knapp vier Jahren zusammen und hatten sich im Sommer 2023 verlobt. Das ist seine Freundin Anika Bissel.

Mick Schumacher ist schwer verliebt. Der Sohn vom Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher ist seit 2023 mit der Dänin Laila Hasanovic zusammen. Beide posten bei Instagram Fotos von sich. Weihnachten haben sie zusammen verbracht.