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Katharina Isele: "Muskulös und feminin muss man nicht trennen"

Katharina Isele betreibt Functional Fitness und ist Deutschlands fitteste Frau. Im Sports-Illustrated-Interview spricht sie über CrossFit, Kraftsport - sowie alte Stereotype. "Muskulös und feminin muss man nicht trennen", stellt Isele klar. 

Katharina Isele
Credit: Sports Illustrated

Sports Illustrated: Sie sind offiziell die fitteste Frau 
Deutschlands. Wie kam es dazu?

Katharina Isele: Den Titel bekam ich 2022 von CrossFit zugesprochen. Was CrossFit ist, kann man gut am Beispiel Triathlon und 
Ironman erklären: Triathlon ist die Sportart, Ironman die größte Marke im Triathlon. Wir betreiben die Sportart "Functional Fitness"– und CrossFit ist die Marke mit der größten Reichweite. Die veranstaltet jedes Jahr CrossFit Games – sozusagen die Weltmeisterschaften im Crossfit. In der ersten Qualifikationsrunde – den CrossFit Open – gingen vergangenes Jahr 240.000 Sportler und Sportlerinnen an den Start. Ich kam von den deutschen Athletinnen am weitesten, bis ins Halbfinale. So wurde ich die fitteste Frau Deutschlands. Außerdem wurde ich 2022 auch deutsche Meisterin im Gewichtheben – quasi das Double.


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Sports Illustrated: Functional Fitness beinhaltet zwei Aspekte: den funktionellen Aspekt und den Bodybuilding-Aspekt mit der Ästhetik. Wie gewichten Sie diese beiden Komponenten?

Isele: Für mich hat aktuell die Leistung allerhöchste Priorität. Mit der Bewegung kommt das Gefühl, gesund, fit und vital zu sein. Der ästhetische Aspekt war für mich früher wichtiger und das Eintrittstor zur funktionalen Fitness, spielt aber mittlerweile keine große Rolle mehr. Aber natürlich: Viel Ausdauertraining und Gewichtheben verändern den Körper. Und ich fühle mich sehr wohl in meinem Körper, auch wenn der nicht unbedingt dem gesellschaftlichen Idealbild entspricht.     

Sports Illustrated: Wie nehmen Sie die Idealisierung sehr dünner Körper in den sozialen Medien wahr? Haben Claims wie „Body Positivity“ oder „Strong is beautiful“ etwas zum Positiven verändert?

Isele: Ja, finde ich schon. Es hat sich etwas verändert. Es darf noch deutlich mehr sein, und natürlich schwirren immer noch die alten Narrative herum, aber es ist definitiv eine positive Veränderung spürbar. 

Sports Illustrated: Sie waren bis 2015 überhaupt nicht sportaffin. Wie sind Sie dann zur Functional Fitness gekommen? 

Isele: In meiner Kindheit habe ich gar keinen Sport gemacht, auch in der Jugend nicht. Mit 21 Jahren hatte ich ein Körpergewicht von über 90 Kilo und habe mich sehr unwohl in meinem Körper gefühlt. 2015 hat mir dann ein Arbeitskollege gesagt, sein Gym hätte jetzt einen Bereich für funktionale Fitness, ob ich das nicht ausprobieren wolle, ich wollte doch immer abnehmen. Ich bin mit ihm zu meinem ersten Functional-Fitness-Workout gegangen. Das war ganz schlimm. Aber danach dachte ich mir: Wenn ich das zwei- bis dreimal die Woche schaffe, nehme ich sicher ab. Das ist so krass, dabei nicht abzunehmen, das ginge ja gar nicht. Ich habe mir eine Ernährungsberatung dazugeholt und in einem Jahr 30 Kilo abgenommen. Relativ schnell hat mich dann aber der Leistungsgedanke in der Crossfit-Szene vereinnahmt: Vom Dünnsein kann ich mir schließlich nichts kaufen, ich fand es aber total geil, eine Langhantel über den Kopf zu heben – wie cool ist eigentlich Gewichtheben!? Da gibt es eine Herausforderung, das will ich lernen. 

Katharina Isele: Sieht stark aus
Katharina Isele: Sieht stark aus
Credit: PR
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Sports Illustrated: Das gesellschaftliche Stereotyp lautet so: "Männer sind stark, Frauen sind zart." Welche Veränderungen nehmen Sie diesbezüglich wahr?

Isele: In der Crossfit-Szene gibt es solche Vorurteile gar nicht. Außerhalb dieser Bubble allerdings noch oft. Ich finde übrigens gar nicht, dass man muskulös und feminin trennen muss. Nur weil ich eine muskulöse Frau bin, bedeutet das nicht, dass ich nicht feminin sein darf. Du kannst hübsch sein und intelligent; kannst muskulös sein und trotzdem feminin. Nur weil ich einen 35er-Oberarm habe, bedeutet das nicht, dass ich keine Kleider anziehe. Das eine muss das andere nicht ausschließen.

Sports Illustrated: Was Ihre sportlichen Ziele angeht: 
Wollen Sie stärker sein als andere – 
oder stärker als gestern? 

Isele: Ich befinde mich immer im Wettkampf mit mir selbst, was cool ist, weil man die Fortschritte im Training sieht – auch wenn es dauert. Ich habe natürlich bestimmte Ziele im Kopf. Aber ich habe auch gelernt, den Vergleich zu den anderen bis zu einem bestimmten Punkt zuzulassen, dabei aber meine Scheuklappen aufzusetzen und bei mir selbst zu bleiben. Was ich lernen musste, war: Ich kann mich genauso gut ernähren und dasselbe Training machen wie jemand anderes, aber ich bin ja immer noch ich und werde dann trotzdem nicht so aussehen und so performen wie diese Person. Ich habe meinen Background und muss zusehen, dass ich das Beste aus mir heraushole.

Sports Illustrated: Was kann man über sich selbst lernen, wenn man an seine Grenzen geht?

Isele: Was ich meinen Klienten im Coaching immer sage, ist: "Ich verspreche euch, dass ihr an diesem Training nicht sterben werdet, auch wenn es sich manchmal so anfühlt." Man muss es einfach durchziehen. Manchmal tut es danach noch ein bisschen weh, aber man weiß: Heute hat man richtig Gas gegeben, und das fühlt sich gut an. Heute bin ich wieder ein Prozent besser geworden. Das motiviert, und man kann diese Workouts aufs Leben übertragen: Wenn im Job eine Aufgabe schwierig ist, weiß man, wie man mit Biss an Herausforderung rangeht und durchzieht. 

Sports Illustrated: In den USA gibt es schon einen Crossfit-Hype. Nehmen Sie den auch in Deutschland wahr?

Isele: Crossfit kommt ja aus den USA, aus dem Militär, wo es die Sportart schon deutlich länger gibt. Bei uns in Deutschland ist es 2009 angekommen. Es ist hier also eine sehr junge Sportart, die viel Entwicklungspotenzial hat und immer mehr Anklang findet. Jeder kann kommen und mitmachen, weil das Training sehr vielseitig und anpassbar ist. Wir haben bei uns in "Ben’s Gym" in Augsburg auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die trainieren. Functional Fitness ist auf jeden Fall inklusiv. 

 

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