Fußball-WM Frauen

Lena Oberdorf: "Männer-Gehälter sind eigentlich überhaupt nicht mehr tragbar"

Lena Oberdorf ist bei der Fußball-WM 2023 eine der großen Hoffnungsträgerin der deutschen Nationalmannschaft. Im Sports-Illustrated-Interview verrät sie, wie ihre Ziele aussehen und weshalb sie nicht so viel verdienen will wie die Männer.

Lena Oberdorf (Deutschland)
Credit: Imago

Sports Illustrated: Es geht in die heiße Phase. Die letzten Vorbereitungen für die WM 2023 in Australien und Neuseeland laufen. Wie ist die Stimmung im Team? Kann Deutschland den WM-Titel holen?

Lena Oberdorf: Die Vorbereitung war gut. Trotz der Niederlage gegen Sambia denke ich, dass unser Team stark genug ist. Ich glaube, dass wir alle mit dem Ziel nach Australien und Neuseeland reisen, um dort den WM-Titel für Deutschland zu holen.

Sports Illustrated: Die USA haben die letzten beiden Weltmeisterschaften gewonnen und sind mit insgesamt vier WM-Titeln Spitzenreiter. Sind die US-Amerikanerin wieder Topfavorit?

Oberdorf: Mit den US-Amerikanerinnen muss man immer rechnen. Aber ich glaube, dass wir auch in Europa starke Mannschaften haben. Das hat man bei der letzten Fußball-EM gesehen, wo das Niveau extrem hoch war. Von daher bin ich gespannt und glaube, dass am Ende wirklich auch Details die Spiele entscheiden und hoffe, dass sie zugunsten von Deutschland ausfallen. 

Sports Illustrated: Deutschland hat den WM-Titel 2003 und 2007 gewonnen. Was macht den deutschen Frauen-Fußball aus? Was ist im Vergleich zu anderen Teams anders?

Oberdorf: Ich denke, dass unser Fußball etwas ganz Besonderes ist. Wir lassen das Herz auf dem Platz, besitzen viel Leidenschaft und Wille, auch um mal das Tor zu verteidigen, nicht nur um Tore zu schießen. Dann läuft das gesamte Team dem Ball hinterher. Dann schmeißen wir uns irgendwie noch in den Ball und sind füreinander da. Das zeichnet den deutschen Fußball aus. Wie auch unsere Disziplin, um die volle Leistung auf den Platz zu bringen.

Sports Illustrated: Mit 17 Jahren waren Sie 2019 die jüngste Nationalspielerin aller Zeiten. Was sind Ihre besonderen Stärken, auf die Sie stolz sind?

Oberdorf: Meine besondere Stärke ist das Zweikampfverhalten. Ich kann die Räume gut schließen und sehe viele Räume, die geschlossen werden müssen. Ich denke auch, dass meine Führungsqualitäten im Team gefragt sind. Ich übernehme gerne Verantwortung und sage auch mal was, was nicht im Playbook steht. Meine weiteren Qualitäten liegen in der Kommunikation und auch darin, die jungen Spielerinnen anzuführen. Ich versuche das Bindeglied zwischen den verschiedenen Generationen zu sein.

Die neue Ausgabe von Sports Illustrated mit den Nationalspielerinnen Alexandra Popp, Jule Brand & Lena Oberdorf
Credit: Katrin Binner
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Sports Illustrated: Bei der EM 2022 und dem Gewinn der Silbermedaille sind Sie zur besten Jungspielerin des Turniers ausgezeichnet worden. Wollen Sie einmal die beste Mittelspielerin aller Zeiten werden?

Oberdorf: Ja, auf jeden Fall. Jeder fängt Fußball an, um viele Titel zu gewinnen. Man möchte sich aber auch selbst weiterentwickeln und die Beste werden. Aber ich freue mich natürlich mehr über einen EM- oder WM-Titel als eine Einzelhauszeichnungen. Diese nimmt man natürlich gerne mit, weil man die Wertschätzung genießt. Gerade wenn man eher eine defensive Mittelfeldspielerin ist. 

Sports Illustrated: Zuletzt gab es immer wieder Diskussionen über Prämien und Gehälter im Frauen-Fußball. Ist es Ihr Wunsch, dass die Frauen irgendwann einmal genauso viel verdienen wie die Männer?

Oberdorf: Nein, das muss ich ehrlich sagen. Die Gehälter der Männer liegen vollkommen außerhalb unserer Reichweite. Das sind Dimensionen, um die es da geht, die als Mensch eigentlich gar nicht mehr tragbar sind. Wenn man da 100 Millionen Euro, 200 Millionen Euro liest, ist das unglaublich viel, wenn man sich diesen Batzen Geld vorstellt. Darum will ich da gar nicht hin, sondern ich möchte einfach nach meiner Leistung bezahlt werden. Wenn das Geld nicht da ist, kann es auch nicht ausgegeben werden. Von daher ist unser Ziel, noch mehr Reichweite zu haben, um viele Menschen ins Stadion zu bekommen und zu begeistern.

Sports Illustrated: Bei der Männer-Nationalmannschaft läuft es sportlich nicht rund. Haben Sie Mitleid mit DFB-Team?

Oberdorf: Wir reden ja immer von einem Team, einem DFB. Von daher leidet man auf jeden Fall mit. Die U21-EM haben wir gemeinsam im Trainingscamp geschaut. Aber klar ist auch, dass wir uns da gegenseitig aus der Krise befreien können. Mit einer guten Frauen-WM können wir Fußballdeutschland wieder aufwecken, dass die Leute sagen, der deutsche Fußball ist immer noch gut. Und vielleicht können wir die Herren dadurch auch ein bisschen aus dem Loch herausziehen. 

Sports Illustrated: Kapitänin Alexandra Popp wird bei der WM die Regenbogenbinde tragen. Wie stehen Sie und die deutsche Nationalmannschaft zu diesem Thema?

Oberdorf: Wir tragen diese Binde schon seit sehr langer Zeit. Das ist ja nichts, was wir plötzlich mal gemacht haben. Das hat sich über viele Jahre entwickelt. Wir als Mannschaft stehen da total hinter ihr, weil wir auch viele Spielerinnen haben, die eine Partnerin haben. Svenja Huth hat ihre Frau geheiratet und bekommen jetzt ein Kind zusammen. Von daher sind das Werte, für die wir einstehen wollen. Vor allem für Vielfalt, dass jeder Mensch wirklich so sein kann, wie er will. Und Fußball ist für alle da, das wollen wir natürlich dann auch mit auf den Platz bringen. 

Sports Illustrated: Seit Ihrer Kindheit haben Sie den Spitznamen „Obi“. Wer hat Ihnen diesen Namen zuerst gegeben?

Oberdorf: Bei meinem ersten Probetraining in Essen hatten wir damals zu viele Lenas. Dann wurde gesagt, nein das passt nicht. Ab jetzt nennen wir dich Obi. Danach hat sich dieser Name etabliert und jetzt steht selbst bei der Spielbesprechung nur noch Obi da. Von daher ist es ganz gut so, wie es gelaufen ist.

Sports Illustrated: Zu Ihrem Spitznamen passt Ihre neue Aufgabe als Markenbotschafterin der Baumarktkette Obi. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Oberdorf: Wir haben durch verschiedene Connections zusammengefunden und sprechen schon seit rund einem Jahr miteinander. Zum Thema Baumarkt passt witzigerweise bestimmt auch, dass ich auch manchmal in der Mauer stehe und durch Wände laufe. Aber darum geht es bei unserer Partnerschaft nicht.

Lena Oberdorf (Deutschland) wird Obi-Botschafterin
Lena Oberdorf (Deutschland) wird Obi-Botschafterin
Credit: Obi
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Sports Illustrated: Für welche Werte steht Obi, die Sie als Profi-Fußballerin gut finden?

Oberdorf: Obi ist für mich eine spannende Marke. Man will gemeinschaftlich etwas erreichen und bewegen. Das ist im Frauenfußball und generell im Fußball auch so. Außerdem ist Fußball für alle da. Genauso wie dieser Markt für alle da ist. Jeder kann rein, seine Sachen holen und etwas selber machen. Dieses nahbare und familiäre Umfeld, was der Frauenfußball auch hat, das verkörpert Obi. Ich habe früher mit meinem Papa im Garten viel gebaut. Deshalb passt die Zusammenarbeit super. 

Sports Illustrated: Mit dem Ball gehen Sie fantastisch um. Sind Sie auch handwerklich begabt oder haben Sie sich schon einmal mit dem Hammer auf ihren Finger statt auf einen Nagel geschlagen?

Oberdorf: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, meine Daumen sind noch nie von einem Hammer getroffen worden. Aber ich glaube schon, dass ich auch ganz viele Sachen kann. 

Sports Illustrated: Was ist Ihr persönlich größter Wunsch für die Zukunft?

Oberdorf: Ich glaube, dass man in der Welt viel bewegen kann, wenn man einfach gemeinschaftlich arbeitet. Ich glaube, dass so viel mehr möglich ist, wenn Leute weniger egoistisch handeln. Dafür sind wir jetzt auch Partner, dass wir das ein bisschen in die Welt tragen, dieses gemeinschaftliche Zusammenanpacken. 

Sports Illustrated: Ist es auch Aufgabe des Sports politischer zu werden?

Oberdorf: Sport war schon immer politisch. Wie auch mit der Regenbogenbinde, mit der man ein politisches Statement setzen kann. Deswegen glaube ich, dass es schon unsere Aufgabe ist als Sportler die Reichweite zu nutzen, um vernünftige Werte in die Welt zu tragen. Die größten Sportler aller Zeiten wie Mohammed Ali waren Leute, die im Sport erfolgreich waren und sich politisch engagierten. So etwas bleibt für immer. Es ist eine Typfrage, ob man ein Leader sein möchte. So wie Almuth Schult. Sie spricht aus, was sie denkt. 

 

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