Bayern-Star Leon Goretzka: "Für mich war das schon eine extreme Enttäuschung"
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Sports Illustrated: Auf dem Rasen zeigen Sie Stärke, neben dem Platz sind Sie für Ihr soziales Engagement bekannt. Woher kommt es, dass Sie so präsent sind und immer wieder auch gerne Flagge zeigen?
Leon Goretzka: Das ist im Laufe meines Lebens gereift. Aber der Gerechtigkeitssinn war schon immer in mir drin. Das hat sich im Laufe meiner Karriere nur dahingehend verändert, dass ich mittlerweile eine viel größere Reichweite habe und mehr Menschen meine Meinung hören.
Sports Illustrated: Wie schwer ist es, gegen Widerstände zu kämpfen? Lässt sich so etwas trainieren oder entspricht das Ihrem ursprünglichen Charakter?
Goretzka: Man muss lernen, mit Widerständen umzugehen. Dann kann man sich auch klar positionieren – oder man lässt es eben. Das muss jeder für sich entscheiden. Aber ich kann Widerstände verkraften, obwohl es heutzutage schon extrem ist, was teilweise auf einen einprasselt.
Sports Illustrated: Wie gehen Sie mit Druck und Enttäuschungen um?
Goretzka: Druck ist für mich etwas sehr Positives. Das mag ich extrem. Wahrscheinlich hilft es mir auch in meinem Beruf. Wenn es darauf ankam, war ich in der Lage, Top-Leistungen zu bringen. Ich mag es, wenn es vor dem Spiel ein bisschen kitzelt und man ein bisschen nervös ist. Deshalb habe ich auch keine Angst vor Druck. Enttäuschungen gehören ebenfalls dazu. Das lernt man gerade im Fußball sehr früh. Spiele zu verlieren, das fängt schon im Training an. Aber dafür spielt man in einem Team, das ist das Schöne am Mannschaftssport: dass man sich gegenseitig auffangen kann. Wie beim FC Bayern in dieser Saison, die nicht ganz so erfolgreich war, wie wir es uns erwartet hatten und wie wir es gewohnt waren. Das sind Erfahrungswerte, die man mitnimmt, daran kann man reifen.
Sports Illustrated: Hat Sie die vorläufige Nichtnominierung bei der Nationalmannschaft sehr geschmerzt?
Goretzka: Für mich war das schon eine extreme Enttäuschung, weil ich damit nicht gerechnet habe. Danach habe ich mir einen Tag gegeben, um mit der Situation zurechtzukommen. Am übernächsten Tag habe ich geschaut, wie ich diese Situation korrigieren kann. Das geht am besten durch Top-Leistungen und damit, dass man diese neue Rolle auch annimmt.
Sports Illustrated: Wie groß ist die Hoffnung, dass Sie bei der EURO 2024 dabei sind?
Goretzka: Riesig.
Sports Illustrated: Wie sieht Ihre Gefühlswelt aus? Lassen Sie immer alle Gefühle zu – auch die negativen?
Goretzka: Jeder muss selbst herausfinden, wie er mit Gefühlen umgeht. Meine Empfehlung wäre, darüber zu sprechen, aber auch das gelingt mir nicht immer. Ich mache gerne Dinge mit mir selbst aus und lasse den Prozess in mir reifen. Daraus kann ich Kraft ziehen.
Sports Illustrated: Wie schaffen Sie die Balance zwischen Selbstkritik und Selbstvertrauen?
Goretzka: Selbstkritik und Selbstvertrauen bedingen sich gegenseitig. Wenn man sich einredet, dass man der Beste ist, hat das mit Selbstvertrauen nichts zu tun. Am stärksten ist man, wenn man auch seine Schwächen kennt.
Sports Illustrated: Muss man als Führungsspieler den teilweise sehr hohen Ansprüchen immer gerecht werden?
Goretzka: Ja, das ist die Aufgabe als Fußballer. Wir leben in einem schnelllebigen Tagesgeschäft. Man ist immer nur so gut, wie man beim letzten Spiel war. Ich habe in meiner Karriere im Vereinsfußball alle großen Titel gewonnen, die man mit einem großen Klub wie dem FC Bayern gewinnen kann. Trotzdem habe ich in dieser Saison erlebt, was es bedeutet, als Führungsspieler in der Kritik zu stehen. Das macht einem wieder deutlich, dass man dazu verpflichtet ist, Woche für Woche Leistung zu bringen.
Sports Illustrated: Wie bauen Sie sich wieder auf, wenn es mal nicht so läuft? Trainieren Sie dann noch mehr?
Goretzka: Ich mache mein Training nicht von Situationen abhängig, die ich Woche für Woche erlebe. Ich habe langfristige Trainingspläne. Aber klar, die Motivation, Dinge wieder zu korrigieren, wenn sie schlecht laufen, ist immer da.
Welche Rolle spielen auch negative Fan-Meinungen? Sollte man so etwas ausblenden?
Goretzka: Man muss diese Dinge erst einmal akzeptieren. Jeder hat seine Meinung. Natürlich wäre es schön, wenn alles ein bisschen gesitteter zugehen würde. Aber das ist leider nicht so. Das betrifft nicht nur den Fußball, das kann jedem Menschen auf Social Media genauso passieren. Das ist extrem enttäuschend. Man sollte darüber nachdenken, inwiefern man das regulieren kann. Ich habe das Glück, dass mich die Dinge nicht besonders beschäftigen. Aber es gibt bestimmt viele User, die damit leider nicht so gut klarkommen.
Sports Illustrated: Das Fußball-Geschäft kann sehr hart sein. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Fußballs und vor allem der Spieler?
Goretzka: Ich weiß nicht, ob ich darauf eine ehrliche Antwort geben sollte.
Sports Illustrated: Wir bitten darum.
Goretzka: Wenn ich ganz ehrlich bin, sollte man – sowohl bei Social Media als auch in Berichten – damit aufhören, auf Kosten der Spieler immer nur Klicks generieren zu wollen.
Sports Illustrated: Kann der Fußball dabei helfen, den Menschen und der Gesellschaft ein positiveres Gefühl zu geben?
Goretzka: Bei der Fußball-WM 2006 hat man gesehen, was für ein Ruck durch unser Land gehen kann. Die Begeisterung und die Anteilnahme von Deutschland am Fußball sind mit Sicherheit wieder da. Auf dieses Riesenpotenzial können wir als Spieler Einfluss nehmen, wenn die deutsche Nationalmannschaft gute Leistungen zeigt.
Sports Illustrated: Sie sind Botschafter von adidas Bodycare. Was bedeutet "Well-Being" für Sie?
Goretzka: "Well-Being" bedeutet für mich, dass ich ein Bewusstsein für meinen Körper habe. Für die Balance zwischen Belastung und Entlastung, aber auch für die Regeneration. Das ist am Ende auch die Balance zwischen Arbeit und Freizeit.
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