Wimbledon

Tennis-Star Stefanos Tsitsipas: "Ich wurde vom Gejagten zum Jäger"

Stefanos Tsitsipas zählt seit Jahren zu den Topspielern der Tennis-Tour. Im Interview spricht er über den Unterschied zwischen Rasen- und Sandplatztennis, Selbstzweifel – und große Ziele.

Stefanos Tsitsipas aus Griechenland ist einer der besten Tennisspieler der Welt
Credit: Adidas
 

Sports Illustrated: Wir führen dieses Gespräch kurz vor Wimbledon, das Ende der Sandplatz-Saison liegt weniger als vier Wochen zurück. Wie schwer fällt Ihnen die Umstellung zwischen den Belägen?   

Stefanos Tsitsipas: Das Spiel verändert sich komplett. Man wechselt in kurzer Zeit von einem extremen Spielstil zum anderen. Auf Sand werden viele Schläge über Schulterhöhe gespielt, auf Rasen sind die Bälle oft unter Kniehöhe. Der Treffpunkt des Balles, das Timing, die Beinarbeit – alles verändert sich. Ich mag beide Beläge, weil es Naturbeläge sind und keine künstlichen Hardcourts. Meinem Spiel liegt der Sandplatz mehr, die Umstellung ist jedes Jahr hart. Rasentennis ist technisch anspruchsvoller.    

Sports Illustrated: Können Sie das erklären?    

Tsitsipas: Es erfordert mehr Präzision und Beweglichkeit. Sandplatztennis verzeiht auch mal einen unsauberen Treffpunkt, wo der Ball auf Rasen aus dem Stadion fliegen würde. Man muss immer bereit sein, schneller reagieren und ermüdet schneller. Die Beine sind auf Rasen das wichtigste Kapital. Beinarbeit ist im Tennis immer wichtig – aber auf Rasen entscheidet sie über Sieg oder Niederlage.    

Sports Illustrated: Sie tun sich seit einiger Zeit schwer, Konstanz in Ihre Ergebnisse zu bekommen. Haben Sie dafür schon eine Erklärung gefunden?   

Tsitsipas: Die letzten zwei Jahre waren schwierig für mich. Ich hatte immer wieder Probleme mit meinem Rücken. Es ist körperlich und mental herausfordernd, wenn man nie weiß, wann die Schmerzen zurückkommen. Ich musste mehr auf meine Gesundheit achten. Die wurde plötzlich zum zentralen Thema meiner Karriere, das war ungewohnt. Aber mit meiner Leistung insgesamt bin ich noch nicht zufrieden.   

Sports Illustrated: Wie hat sich Ihre Rolle auf der Tour verändert?   

Tsitsipas: Ich wurde lange Zeit von den anderen Spielern gejagt – jetzt jage ich wieder. Ich bin es gewohnt, ganz oben mitzuspielen. Dass ich aktuell nicht in den Top Ten bin, schmerzt. Um wieder dorthin zu kommen, musste ich bei Null anfangen.    

Sports Illustrated: Klingt nach einer mentalen Herausforderung.   

Tsitsipas: Es ist auf eine Art erleichternd. Es gibt weniger externen Druck, weil die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit anders ist. Ich werde nicht mehr automatisch zu den Topfavoriten gezählt. Als Jäger spielt es sich etwas freier und leichter, man hat weniger zu verlieren. Der Druck, den ich mir selbst mache, ist aber gleichgeblieben.    

Sports Illustrated: Ihre Ziele haben sich also nicht verändert?   

Tsitsipas: Nein, ich will immer noch die ganz großen Titel. Das Einzige, was mich aktuell davon trennt, ist meine Position im Ranking. Ich weiß, dass ich das Spiel dafür habe – aber ich bin auf der Suche nach der richtigen Formel, wie ich es wieder auf den Platz bringe.   
Ich probiere neue Dinge aus – andere Trainingsreize, andere Routinen. Manchmal muss man aus seinen Gewohnheiten ausbrechen.   

Stefanos Tsitsipas schlägt eine Vorhand
Der Grieche hat bereits zwölf Turniere auf der ATP-Tour gewonnen
Credit: Imago
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Sports Illustrated: Wie kommen Sie spielerisch wieder auf Ihr bestes Level?   

Tsitsipas: Ich arbeite viel am Einstieg in den Punkt, egal ob Aufschlag oder Return. Der erste Schlag entscheidet, ob du den Punkt dominierst, was gerade auf Rasen wichtig ist. Da will ich effektiver, präziser werden. Auf unserem Niveau entscheiden Details, da kann schon ein Prozent Verbesserung Wunder bewirken.    

Sports Illustrated: Sie gelten als jemand, der viel reflektiert. Vorteil oder Ballast?   

Tsitsipas: Beides. Jeder von uns hat gelegentlich dunkle Gedanken – das ist menschlich. Aber man muss lernen, damit umzugehen, ehrlich zu sich selbst sein, aber lösungsorientiert bleiben. Ich versuche, meinen Geist zu strukturieren, wenn ich auf dem Platz stehe. Wenn ich spiele, will ich fokussiert sein. Ich weiß, wie leicht man abschweifen kann – und wie sehr das das Spiel beeinflusst.    

Sports Illustrated: Wie schätzen Sie das aktuelle Level auf der Tour ein?   

Tsitsipas: Das Niveau ist massiv gestiegen. Es gibt viel mehr Spieler, die ein großes Turnier gewinnen können. Als ich auf die Tour kam, war das anders – das Spiel war weniger physisch, die Spieler weniger konstant. Die Entwicklung der letzten Jahre ist krass: Tennis ist schneller, härter, technischer geworden. Es gibt keine „leichten“ Matches mehr.    

Sports Illustrated: Vor allem Carlos Alcaraz und Jannik Sinner dominieren die Tour aktuell. Was zeichnet die neue Tennis-Generation aus?   

Tsitsipas: Sie sind unfassbar komplett. Alcaraz ist ein Hybrid aus Nadal und Federer. Sinner bewegt sich mühelos über den Court und hat keine Schwächen. Die Spitze ist generell breiter geworden. Früher war von einer „Big Four“ die Rede, heute kämpfen acht bis zehn Spieler auf Augenhöhe um die großen Titel.    

Sports Illustrated: Ist die Tour zu intensiv? Sie spielen immerhin elf Monate im Jahr.   

Tsitsipas: Unser Sport kennt keine Pause. Es gibt keine wirkliche Off-Season. Man spielt auf mehreren Kontinenten, springt von Zeitzone zu Zeitzone. Der Körper kann das verkraften – aber der Geist leidet. Manchmal schläft man schlecht, muss nach 48 Stunden mit Jetlag wieder auf dem Court stehen. Das zermürbt. Die größte Herausforderung ist es, mental stabil zu bleiben.   



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