Wings for Life World Run

Dominic Thiem: „Ein Grand-Slam-Sieg ist nichts Sinnstiftendes.“

2020 gewann Ex-Tennis-Star Dominic Thiem die US Open, im letzten Jahr beendete er seine Karriere. Mit Sports Illustrated spricht er über das Loch nach einem Grand-Slam-Titel, mentale Probleme im Profisport und den Wings for Life Wolrd Run. 

Ex-Tennisprofi Dominc Thiem auf dem Tennisplatz
Credit: Wings for Life World Run
 

Sports Illustrated: Sie haben Ihre Karriere im vergangenen Jahr beendet – wie sieht aktuell Ihr Alltag aus?

Dominic Thiem: Langweilig wird mir nicht. Ich habe viele Calls und Termine, versuche so viele Menschen zu treffen, wie es geht und viele neue Perspektiven zu bekommen. Mit meinem Unternehmen „Thiem Energy“, der Partnerschaft mit dem Wings for Life World Run und meiner Tennis-Akademie bin ich gut beschäftigt. 

Sports Illustrated: Was fasziniert Sie so an der Arbeit mit den Tennisstars von Morgen?

Thime: Ich sehe mich als Sparringspartner, spiele ab und zu mit unseren Talenten und gebe ihnen Tipps. Die tägliche Arbeit mit ihnen kann unser Team, vor allem mein Vater, viel besser als ich. Es macht mir großen Spaß, meine Erfahrungen weiterzugeben und zu sehen, was das Tennis bei jungen Menschen auslöst. Das erinnert mich an meine Anfänge. 

Sports Illustrated: Verfolgen Sie das aktuelle Geschehen auf der Tennis-Tour?

Thiem: Regelmäßig! Ich genieße es, die Spiele als Fan gucken zu können. Das ist während meiner Spielerkarriere verloren gegangen. Wenn du dich rund um die Uhr mit Tennis beschäftigst, legst du dich nicht aufs Sofa und schaust dir ein Spiel an. Als ich im Januar die Australian Open das erste Mal wieder als Fan verfolgt habe, war ich plötzlich gefühlsmäßig wieder ein kleiner Bub, der vor der Schule Tennis schaut. 

Sports Illustrated: Mit welchen Spielern fiebern Sie besonders mit?

Thiem: Ich schaue eher allgemein auf die Tour und genieße das hohe Level der Spieler. Alcaraz, Sinner und auch Taylor Fritz schaue ich gerne zu. Aber ich weiß doch, was Sie hören wollen (lacht) Bei den Grand Slams drücke ich natürlich Sascha Zverev besonders die Daumen. 

Sports Illustrated: Kann er einen Grand Slam gewinnen? 

Thiem: Natürlich. Das nötige Spiel dafür hat er schon lange. Es ist aber wahnsinnig schwer, das bei den Grand Slams auf den Punkt und über zwei Wochen lang abzurufen. Ich bin aber davon überzeugt, dass er noch Grand-Slam-Champion wird. 

Sports Illustrated: Sie selbst sagten einst, Ihr Grand-Slam-Sieg 2020 sei für Sie nur eine Illusion von Glück gewesen. Wie meinen Sie das?

Thiem: Ich habe meine ganze Karriere darauf ausgerichtet, Grand-Slam-Champion zu werden, habe mich aber nie gefragt, was eigentlich danach kommt. Durch den Sieg bekommst du ein kurzes krasses Hoch, aber bei mir war es so, dass ich danach in ein Loch gefallen bin. Du musst deiner Karriere und ein Stück weit deinem Leben einen neuen Sinn geben. Da habe ich festgestellt, dass ein Grand-Slam-Sieg allein dich nicht glücklich macht. 

Ex-Tennisprofi Dominc Thiem mit der US-Open-Trophäe
Nur eine "Illusion von Glück": Thiem mit dem Siegerpokal der US Open 2020
Credit: Imago
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Sports Illustrated: Hat der Titel heute noch eine Bedeutung für Sie? 

Thiem: Natürlich ist es etwas Besonderes, so einen Titel gewonnen zu haben. Ich schaue mir die Trophäe auch immer mal wieder gerne an. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich mich als Grand-Slam-Sieger fühle. Ich fühle mich als Mensch Dominic Thiem. Und mal ehrlich: den meisten Leuten ist es doch jetzt schon wieder egal, dass ich mal so ein Turnier gewonnen habe. Deshalb: Ein Grand-Slam-Sieg ist nichts Sinnstiftendes. 

Sports Illustrated: Wie blicken Sie insgesamt auf Ihre Karriere? 

Thiem: Mit Stolz. Als ich bei den ATP-Finals in Turin letztes Jahr verabschiedet wurde, habe ich zum ersten Mal richtig realisiert, wie viele schöne Momente ich erleben durfte. Ich habe große Turniere gewonnen, viel Spaß auf dem Court gehabt und tolle Menschen kennengelernt. Und ich war von mir selbst erstaunt, als ich das Video gesehen habe, dass ich mit diesem hohen Spieltempo wirklich mithalten konnte (lacht.). Deshalb blicke ich jetzt deutlich positiver zurück als während meiner Karriere. 

Sports Illustrated: Können Sie das erklären? 

Thiem: Als Profi bist du ständig damit beschäftigt, zu überlegen, was du verbessern kannst. Ein Beispiel: Du schlägst Nadal oder Djokovic, aber das Einzige, das dich interessiert, ist, wieso deine Rückhand heute nicht ganz so funktioniert hat. Du bist nie zufrieden und kannst Siege gar nicht richtig genießen, weil es ständig von vorne losgeht. Deshalb kam mir meine Karriere auch nie besonders vor. Jetzt mit etwas Abstand weiß ich aber, dass ich schon ganz zufrieden sein kann (lächelt.) 

Sports Illustrated: Sie mussten Ihre Karriere wegen anhaltender Handgelenksprobleme beenden. Wie schwer war es zu akzeptieren, dass der Körper nicht mehr mitmacht?

Thiem: Das war schon hart. Keine leichte Zeit für mich. Ich habe ja erst nochmal probiert, auf die Tour zurückzukehren, habe aber schnell gemerkt, dass es keinen Sinn macht. Wenn du ständig Schmerzen hast, blockiert auch der Kopf irgendwann. Aber sich einzugestehen, dass es nicht weitergeht, ist nicht leicht. Vor allem wenn du dein ganzes Leben dem Tennis untergeordnet hast. Aber im Nachhinein war es die richtige Entscheidung und ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören. 

Sports Illustrated: Sie haben während Ihrer Karriere immer offen über Ihren mentalen Zustand gesprochen. Wieso war Ihnen das so wichtig?

Thiem: Weil ich finde, dass mentale Probleme etwas ganz Natürliches sind. Wenn du als Sportler einen Bänderriss hast, gehst du sofort zum Arzt und verkündest es der Öffentlichkeit. Wieso nicht auch, wenn du gerade eine mental schwierige Phase hast? Die Gesellschaft ist in dieser Hinsicht auf einem guten Weg, könnte aber noch offener werden. Jeder Sportler hat ab und zu mentale Schwierigkeiten. Das ist völlig okay. Mentale Probleme sind genauso natürlich wie körperliche. 

Sports Illustrated: Was Sie noch auszeichnet, ist Ihr gesellschaftliches Engagement. Wieso ist Ihnen das so wichtig?

Thiem: Ich habe von meinen Eltern gelernt, dass es wichtig ist, sich für andere Menschen und auch Umweltthemen einzusetzen. Das ist ein Teil von mir. Meine ganze Karriere lang stand ich im Mittelpunkt, alle haben sich nach mir gerichtet. Tennis ist ein sehr egoistischer Sport. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, etwas zurückzugeben. 

Sports Illustrated: Was macht den Wings for Life Wolrd Run für Sie besonders?

Thiem: Das ist einfach ein fantastisches Event. Ein großes Laufevent, um für die zu laufen, die es nicht mehr können. Gemeinsam Spaß an der Bewegung haben und dabei Gutes tun – besser geht es nicht. Ich bin in diesem Jahr zum vierten Mal mit dabei und freue mich schon sehr darauf. Der Wings for Life World Run ist zu einem echten Herzensprojekt geworden. 

Ex-Tennisprofi Dominc Thiem setzt sich für das Thema Querschnittslähmung ein
Ein Herzensprojekt: Thiem als Botschafter des Wings for Life World Runs
Credit: Wings for Life World Run
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Sports Illustrated: Wieso finden Sie das Thema des Events so wichtig? 

Thiem: Weil ich finde, dass das Thema Querschnittslähmung im Alltag etwas untergeht. Man hat es nicht ständig vor Augen, dabei betrifft es unglaublich viele Menschen. Umso wichtiger ist es, dass darauf aufmerksam gemacht und vielleicht irgendwann ein Heilmittel gefunden wird. 

Sports Illustrated: Sie gehen mit einem eigenen Team an den Start.

Thiem: Richtig, dem „Bitpanda Thiem Team“. Ich hoffe, dass sich viele Leute meinem Team anschließen und wir gemeinsam Spaß haben. Ich bin wieder beim Flagship Run in Wien am Start und hoffe darauf, dass sich viele beteiligen. Egal ob bei den Runs oder über die App – hauptsache dabei und im „Bitpanda Thiem Team“ (lacht.) 

Sports Illustrated: Haben Sie sich ein bestimmtes Ziel gesetzt?

Thiem: Ich bin bisher noch nie mehr als zehn Kilometer gelaufen, das könnte ich in diesem Jahr mal angehen. Das Hauptziel ist allerdings, wie bei allen anderen auch, Spaß zu haben und so viel Aufmerksamkeit wie möglich für das Thema Querschnittslähmung zu schaffen. 
 

Über den Wings for Life World Run

Jedes Jahr findet der Wings for Life World Run gleichzeitig auf der ganzen Welt statt. Alle Teilnehmer:innen starten zur gleichen Zeit, entweder über die Wings for Life World Run App oder bei einem der Flagship Runs und App Run Events. Das Besondere: Es gibt keine Ziellinie.

Stattdessen wird 30 Minuten nach dem Start ein Catcher Car ins Rennen geschickt, das die Läufer verfolgt. Wer überholt wird, hat den Lauf erfolgreich beendet. Die Resultate werden nach der zurückgelegten Distanz ermittelt, nicht nach der Zeit. Bisher gingen 1.293.716 Teilnehmer aus 195 Ländern an den Start und es wurden insgesamt 51,93 Millionen Euro für die Heilung von Querschnittslähmung gesammelt. Auch Sports Illustrated ist mit einem eigenen Team mit dabei. Hier geht´s zur Anmeldung.



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