Jule Niemeier: "Musste lernen Niederlagen nicht persönlich zu nehmen"
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- Niemeier: "Musste lernen Niederlagen nicht persönlich zu nehmen"
Sports Illustrated: Jede Tennisspielerin durchläuft verschiedene Phasen in ihrer Karriere. Welche Phase erleben Sie aktuell?
Jule Niemeier: Ich bin in einer Phase, in der ich mich sehr gut ans Profileben gewöhnt und mich auf der Tour etabliert habe. Ich komme gerade aus einer Zeit, in der ich meine ersten guten Ergebnisse auf der Tour nicht wirklich bestätigen konnte. Das Jahr war von vielen Niederlagen geprägt, aber auch von unglaublich vielen Learnings. Rückblickend bin ich dankbar, dass aber alles so verlaufen ist, weil ich als Mensch sehr viel daraus mitgenommen habe. Ich glaube, dass ich weit genug bin, den nächsten Schritt zu gehen. Ich habe so viel gelernt und bin überzeugt, jetzt meine beste Leistung konstant abrufen zu können – auch gegen Topspielerinnen.
Sports Illustrated: Sie sprechen die Topspielerinnen an – was fehlt aktuell noch, um konstant mithalten zu können?
Niemeier: Der Unterschied ist minimal. In den Top 100 und bei den Grand Slams ist es unglaublich eng, fast jede Spielerin kann jede schlagen. Es geht viel um den Kopf. Spielerisch glaube ich nicht, dass ich irgendwo hinterherhinke – aber es ist eine andere Sache, das auch im Match auf den Platz zu bringen, gerade wenn man gegen die besten Spielerinnen antritt. Natürlich gibt es immer Dinge, an denen man arbeiten kann. Aber, um es auf den Punkt zu bringen: Ich glaube, es fehlt nicht viel.
Sports Illustrated: An welchen Elementen ihres Spiels arbeiten Sie aktuell?
Niemeier: Der Aufschlag ist ein großes Thema. Es ist wichtig für mich, mehr freie Punkte zu gewinnen und vor allem die Konstanz zu steigern. Ich möchte meine Aufschlagspiele so einfach wie möglich gestalten und das Vertrauen in meinen Aufschlag weiter festigen. In der Vergangenheit war das nicht immer der Fall. Wir haben kontinuierlich daran gearbeitet, und ich fühle mich damit sicherer. Ansonsten geht es darum, meine Spielzüge zu verbessern. Wir üben viel „Aufschlag plus Eins“-Spiel, also sofort offensiv zu werden und den Punkt zu kontrollieren.
Sports Illustrated: Wie gehen Sie mit Niederlagen um?
Niemeier: Ich bin sehr selbstkritisch. Das ist nicht immer einfach. Wir sprechen im Team viel miteinander – sei es mit meinem Physiotherapeuten oder meinem Trainer. Wir analysieren die Matches, gehen bestimmte Situationen durch und suchen gemeinsam nach Lösungen. Auch im Training reden wir viel und dieser Austausch hilft weiterzukommen. Auch wenn es sich platt anhört: Der Schlüssel ist, aus Niederlagen zu lernen.
Sports Illustrated: Wie mental anstrengend ist der Tennissport?
Niemeier: Das ist schon eine Herausforderung. Damit umzugehen, ist ein Lernprozess. Anfangs habe ich jede Niederlage sehr persönlich genommen. Es war schwer für mich, damit umzugehen. Heute weiß ich, dass es dazugehört, Spiele zu verlieren. Man verliert im Tennis wöchentlich, immer wieder kommen neue Rückschläge. Mittlerweile akzeptiere ich das. Der Fokus muss darauf liegen, das Beste aus jedem Match herauszuholen.

Sports Illustrated: Haben sie auch gelernt, Niederlagen gegen vermeintlich schwächere Spielerinnen zu akzeptieren?
Niemeier: Auch das musste ich lernen. Als Jugendspielerin habe ich viel gewonnen, weshalb man automatisch ein gewisses Selbstverständnis entwickelt. Dann kommt man auf die Profi-Tour und wird damit konfrontiert, häufiger zu verlieren. Damit muss man erst einmal umgehen. Heute sehe ich das nicht mehr so. Ich weiß, dass auch Spielerinnen außerhalb der 100 jede andere schlagen können. Das sieht man ständig bei den Turnieren. Das Frauentennis ist unglaublich eng, du musst jede Gegnerin ernst nehmen.
Sports Illustrated: In den letzten Jahren gewannen immer wieder vermeintliche Außenseiterinnen große Turniere. Ein Ansporn für Sie?
Niemeier: Auf jeden Fall. Besonders bei den größeren Turnieren sieht man immer wieder, dass eine gute Woche ausreicht, um Titel zu gewinnen. Manchmal reicht ein kleiner Moment und plötzlich läuft es. Mein Traum ist, große Turniere zu gewinnen. Ich glaube fest daran, dass ich es schaffen kann. Aber wie gesagt: Das ist ein langer Weg.
Sports Illustrated: Schauen Sie sich von anderen Spielerinnen Dinge ab?
Niemeier: Nicht wirklich, da ich meinen eigenen Weg finden und niemanden kopieren möchte. Früher hat mich Ana Ivanovic beeindruckt, weil mir ihre Spielweise gut gefallen hat. Als Kind habe ich Rafael Nadal bewundert. In Sachen Mentalität und Kampfgeist konnte man sich viel von ihm abschauen. Er hat jeden Gegner ernst genommen und war immer 100 Prozent fokussiert, auch wenn er auf dem Papier der Favorit war. Deshalb habe ich mir von Rafa eher die mentale Komponente als bestimmte Schläge oder technische Dinge abgeschaut.
Sports Illustrated: Definieren Sie konkrete Ziele?
Niemeier: Ich habe mir dieses Jahr kein konkretes Ranking-Ziel gesetzt. Aber klar, das große Ziel ist es, um Titel mitzuspielen. Das ist der nächste Schritt für mich. Technisch und spielerisch bin ich auf einem sehr guten Level. Jetzt geht es darum, die nächsten Titel zu holen. Das wird sich auch im Ranking widerspiegeln.
Sports Illustrated: Wie sehen Sie das Thema Freundschaft auf der Tour? Steht das nicht im Kontrast zum ständigen Konkurrenzkampf, in dem Sie sich befinden?
Niemeier: Das ist definitiv nicht einfach. Da alle Spielerinnen die gleichen Ziele verfolgen und um die gleichen Titel kämpfen, entsteht automatisch Konkurrenzkampf. Dazu ist das Profi-Geschäft auch nicht immer ehrlich. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen man sich mit anderen Spielerinnen austauschen kann. Besonders bei Mannschafts-Events wie dem Fed Cup. Da bist du plötzlich Teil eines Teams, fast wie in einer anderen Sportart. Wenn die Chemie stimmt und das Team cool ist, macht das großen Spaß. Wenn man sich gegenseitig unterstützt und lernt, auch der anderen die Siege zu gönnen, dann können auf der Tennis-Tour schöne Freundschaften entstehen.
Sports Illustrated: Sie sprechen den Fed Cup an: Wie besonders ist es für Sie, für Deutschland zu spielen?
Niemeier: Das ist ein ganz besonderer Moment, vor allem wenn die Nationalhymne erklingt und du im Deutschlandtrikot auf dem Platz stehst. Das sind Momente, in denen du realisierst, was du erreicht hast. Oft nimmt man alles als selbstverständlich hin, weil die Zeit so schnell vergeht. Aber diese Momente bringen dich immer wieder dazu, stolz zu sein und dir bewusst zu machen, wo man bereits hingekommen ist.
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