Sports-Illustrated-Interview

Mischa Zverev: "Jetzt kann Sascha seinen ersten Grand-Slam-Titel holen"

Mischa Zverev spricht mit Sports Illustrated über seinen Bruder Alexander Zverev, der bei den French Open nach 2021 erneut im Halbfinale steht und auf Sandplatzkönig Rafael Nadal trifft. Wenn er diese Hürde meistert, kann Zverev sein erstes Grand-Slam-Turnier gewinnen.

Mischa Zverev
Credit: Sports Illustrated

Sports Illustrated: Was ist aufregender? Selbst Tennis spielen oder als Experte die Spiele seines Bruders Sascha kommentieren?

Mischa Zverev: Das kommt drauf an. Ich stehe selbst gerne auf dem Tennisplatz. Aber so ein Viertelfinale bei den French Open wie beim Spiel meines Bruders gegen Carlos Alcaraz war schon etwas Besonderes. Dieses Match hat einen unglaublich hohen Stellenwert für mich. Jetzt freue ich mich auf das Match am Freitag gegen Rafael Nadal.

Sports Illustrated: Sie sind als Eurosport-Experte im Viertelfinale erstaunlich ruhig geblieben. Wie schwer ist es, seine Emotionen am Mikrofon zu unterdrücken?

Zverev: Das ist gar nicht so schwer. Ich schaue mir an, wie seine Körpersprache ist und wie das Match verläuft. Aber klar, wenn Sascha nervös wird, dann werde ich auch nervös. Wenn ich merke, er verliert die Kontrolle über das Spiel, dann geht es mir nicht so gut. Aber da muss man sich am Mikrofon im Griff haben. Nach dem Spiel kann man seinen Emotionen dann freien Lauf lassen.

Sports Illustrated: Sie waren selbst ein erfolgreicher Tennisspieler. Wie unterstützen Sie Ihren Bruder, wenn Sie nicht für Eurosport kommentieren?

Zverev: Er hat mit Coach Mischa, Papa und Sergi Bruguera genügend Leute um sich. Da brauche ich als vierter Coach nicht noch mitreinreden. Ich habe aber Papa und Coach Mischa ein paar Informationen gegeben und sie gefragt, ob sie noch irgendetwas wissen müssen. Ansonsten verlasse ich mich komplett auf die Expertise der Coaches vor Ort, die mit Sascha zusammenarbeiten. Jetzt haben sie’s bis zum Viertelfinale geschafft – und werden es auch weiterhin schaffen.

Sports Illustrated: Haben Sie ein sehr enges Verhältnis zu Ihrem Bruder?

Zverev: Wir haben einen sehr guten Draht zueinander. Bei den French Open hat er sein Handy aber seit ein paar Tagen ausgemacht. Wir haben ab und zu mal über Papa Kontakt. Das ist auch gut so, denn ich möchte ihn bei so einem wichtigen Turnier auch in Ruhe lassen. Wenn er Fragen hat oder Hilfe braucht, kann er sich jederzeit bei mir melden.

Mischa und Alexander Zverev
Mischa und Alexander Zverev
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Sie sind der ältere Bruder. Wann haben Sie gemerkt, dass aus Alexander Zverev mal ein großer Tennisspieler werden kann?

Zverev: Das habe ich von Anfang an gemerkt, als er angefangen hat zu laufen und sich sofort einen Tennisschläger geschnappt hat. Da habe ich sofort gesehen, dass er eine Menge Ballgefühl und unfassbar viel Talent besitzt. Mit drei, vier Jahren kam der Ehrgeiz hinzu. Das ist eine gute Kombination, die ich früh erkannt habe.

Sports Illustrated: Wie war es für Sie als großen Bruder, dass Alexander Zverev irgendwann zu den besten Spielern der Welt gehörte?
 
Zverev: Ganz toll - wirklich. Ich werde das immer wieder gefragt, ob ich neidisch bin. Aber das war das Beste überhaupt, dass er so durchgestartet ist. Da gibt es überhaupt keinen Neid oder so etwas. Mittlerweile sind wir ein Familienunternehmen. Wenn er richtig gut spielt, sind wir alle stolz und froh. Früher war ich das Zugpferd. Aber als Sascha angefangen hat, wirklich gut zu spielen, konnte ich mich ein bisschen mehr entspannen. Das war ganz angenehm.

Sports Illustrated: Welche wichtigen Tipps haben Sie Ihrem Bruder für seine Karriere mitgegeben?

Zverev: Das ist schwer zu sagen, wenn ich an die vergangenen 25 Jahre denke (lacht…). Das müsste man wahrscheinlich meinen Bruder fragen, was ihm am meisten geholfen hat. In der Zeit, wo er zehn bis 16 Jahre alt war, haben wir viel zusammen trainiert und sind viel zusammen herumgereist. Wir waren bei allen Grand Slams dabei. Ich denke, das war sehr schön für ihn, dass er das alles miterleben konnte. Seine ersten Australian Open hat er gefühlt schon mit sechs oder sieben Jahren erlebt. Das war dann wie sein Zuhause, in das er als Erwachsener zurückgekommen ist.

Sports Illustrated: Wie nah ist Alexander Zverev an seinem perfekten Tennis dran?

Zverev: Ich denke, dass er im Moment nichts an seinem Spiel verbessern muss. Der Fokus muss auf seiner Konstanz und dem Spielplan liegen, dass er seine Ideen im Spiel umsetzen kann. Das muss er konstant über drei, vier Stunden schaffen. Manchmal hat er 30 Minuten, wo er richtig gut spielt und dann hat er wieder zehn Minuten, wo er ein bisschen defensiver wird oder vergisst, dass er noch in die andere Ecke spielen muss. Über die Schläge mache ich mir keine Gedanken. Sascha hat von den vier Spielern, die bei den French Open noch im Turnier sind, die schnellste Vor- und die schnellste Rückhand sowie den schnellsten Aufschlag. Er muss halt immer konzentriert bleiben, dass ist wichtig.

Sports Illustrated: Befindet sich Alexander Zverev noch in einem Lernprozess?

Zverev: Wenn man Sascha mit Novak Djokovic vergleicht, dann ja. Wenn man ihn mit anderen Spielern vergleicht, ist auch klar, dass man immer etwas dazulernen muss. Im Sport gibt es keinen Stillstand, deshalb muss man immer weiter lernen und an sich arbeiten. Auch wenn alles perfekt scheint, muss man sich fragen, wo kann ich noch mehr herausholen oder wo wird die Konkurrenz stärker?

Sports Illustrated: Wird Ihrem Bruder der Sieg gegen Carlos Alcaraz Auftrieb geben, um gegen Rafael Nadal im Halbfinale zu bestehen?

Zverev: So ein Match kann dir Auftrieb geben. Man kann aber auch ins Grübeln kommen, dass man jetzt noch Nadal schlagen muss, um ins Finale zu kommen. Jeder Spieler reagiert da anders. Ich hoffe, dass ihm der Sieg gegen Alcaraz Mut macht. Im Halbfinale gegen Nadal braucht Sascha eine gesunde Portion Selbstbewusstsein. Er muss an sich glauben, dann kann sein Finaltraum vielleicht Wirklichkeit werden.

Sports Illustrated: Im Viertelfinale gegen Alcaraz hat Alexander Zverev nicht gemeckert oder geschimpft. Ist das eine neue Qualität Ihres Bruders?

Zverev: Das werden wir beim Spiel gegen Nadal sehen (lacht…). Vielleicht war das nur eine Eintagsfliege. Das kann auch sein (lacht…). Aber das war ein Zeichen für mich, dass er im Kopf sehr wach und fokussiert ist. Gegen Alcaraz hat man gesehen, dass er einen Plan hat. Das ist wichtig. Wenn er anfängt, in die Box zu schauen oder fragt, was soll ich machen oder schimpft, dann ist das ein Zeichen, dass er unsicher ist. Weniger meckern, ist auf jeden Fall besser, weil man seinen Matchplan fokussierter verfolgen kann.

Alexander Zverev bei den French Open in Paris
Alexander Zverev bei den French Open in Paris
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Mit seinem Schlägerschlag gegen den Schiedsrichterstuhl in Mexiko hat Alexander Zverev für Negativschlagzeilen gesorgt. Wie sehr ärgert Sie das als Bruder?

Zverev: Das kann man von außen nicht erklären. Da müsste man Sascha fragen, was in seinem Kopf in diesem Moment genau passiert ist. Wir sehen nur das Resultat. Ich habe mich gefragt, warum er das gemacht hat. Aber ich bin keiner, der sagt, darüber ärgere ich mich. Was passiert ist, ist passiert. Bei mir gingen aber sofort die Lämpchen an, was machen wir jetzt? Es war kein Moment, wo ich Panik hatte oder wütend war, sondern ich habe sofort gesagt, das ist nicht gut und mich gefragt, was sind die Folgen? Ich habe nach einer Lösung gesucht. 

Sports Illustrated: Haben Sie und Ihr Vater in diesen Momenten Zugang zu Alexander Zverev?

Zverev: Sascha hat sofort selbst verstanden, dass das ein Riesenfehler war. Da muss ich nicht hingehen und ihm das erklären. In diesem Moment war er enttäuscht über sich selbst. Er hat sich mit uns hingesetzt und gefragt, was sollen wir jetzt machen? Er hat sich danach sofort beim Schiedsrichter, beim Veranstalter und den Zuschauern entschuldigt. Danach muss das Leben aber weitergehen.

Sports Illustrated: Kann man ausschließen, dass so etwas noch einmal passieren wird?

Zverev: Was kann man im Leben ausschließen? In die Zukunft schauen kann ich nicht. Etwas zu einhundert Prozent ausschließen kann man nie. Aber ich bin mir zu 99,99 Prozent sicher, dass es nicht wieder passieren wird.

Sports Illustrated: Im Halbfinale der French Open geht’s gegen Sandplatzkönig Nadal. Wie kann Alexander Zverev den Spanier besiegen?

Zverev: Er wird sich einen Matchplan zurechtlegen. Bei Nadal muss man immer darauf achten, wie die Länge seiner Schläge ist. Man muss dafür sorgen, dass seine Schläge kurz werden. Wenn das passiert, muss Sascha die Bälle im Steigen nehmen. Man muss seine Chancen gegen Nadal nutzen und den Ball früh nehmen. Sascha hat eine starke Rückhand und kann die Stärke des Vorhand-Crosses von Nadal entschärfen. Die Rückhand von Nadal wird ebenfalls eine Rolle spielen. Aber die Aufschläge von Sascha werden stark sein. Entscheidend wird sein, wer fitter und konzentrierter ist. Wenn einem Spieler die Puste ausgeht, dann wird es schwer.

Sports Illustrated: Wann wird Alexander Zverev sein erstes Grand-Slam-Turnier gewinnen?

Zverev: Am 5. Juni 2022 in Paris (lacht…). Sascha hat lange auf seinen ersten Grand-Slam-Turniersieg gewartet. Er war lange Zeit in der spielerischen Verfassung, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Seit 2017 ist er unter den Top 8 und konnte fast alle Topspieler auf allen Belägen schlagen. In den vergangenen Jahren ist es bei den Grand-Slam-Turnieren oft schiefgegangen, weil Sascha immer wieder mal schlecht gespielt hat oder die anderen waren zu gut. Das Gute ist, dass mein Bruder schon viele emotionale Hürden überstanden hat und immer bei der Sache geblieben ist. Er schafft es immer wieder, in die Halbfinals zu kommen. Ich glaube, jetzt ist der Moment, wo er es schaffen kann.


Mehr Sport-News: 

Boris Becker wird bis zum Ende seiner Haftstrafe nicht mehr als Eurosport-Experte bei den Grand-Slam-Turnieren arbeiten. Der TV-Sportsender gibt seinen Nachfolger bekannt, der den Job des dreimaligen Wimbledon-Champions übernehmen wird. 

Der FC Bayern hat den Kampf um Robert Lewandowski wohl verloren. Das berichtet die "Bild"-Zeitung. Der 33-jährige Pole will seinen 2023 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Das birgt mehrere Gefahren in sich, wenn Bayern den Stürmer im Sommer nicht gehen lässt.

Die Formel-1-Saison läuft vom 20. März bis 11. Oktober 2022 beim GP von Abu Dhabi. Insgesamt stehen für Weltmeister Max Verstappen, Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Mick Schumacher 23 Rennen im Kalender - Russland wurde abgesagt. Hier gibt's alle Termine und Resultate.