Freestyle-Skifahrer Andri Ragettli: "Ich wollte nie 08/15 sein"
- Freestyle-Skifahrer Andri Ragettli im Interview
- Ragettli zählt zu den besten seines Sports und ist ein Social-Media-Star
- Andri Ragettli: "Ich wollte nie 08/15 sein"
Sports Illustrated: Wir führen dieses Gespräch in der Off-Season. Wie machen Sie an einem typischen Ferien-Tag. Können Sie komplett abschalten?
Andri Ragettli: Ich muss mich immer wieder dazu zwingen, nicht zu trainieren. Nur so gelingt es mir, für ein paar Wochen komplett abzuschalten. Ein klassischer Ferientag sieht dann so aus: früh aufstehen, surfen gehen, und am Nachmittag ein Buch lesen und entspannen.
Sports Illustrated: Wie kommt man als kleiner Junge darauf, mit dem Freestyle-Ski zu beginnen?
Ragettli: Ich bin in Flims, Laax aufgewachsen – ein kleines Dorf in den Schweizer Bergen, mit einem ausgezeichneten Skigebiet direkt vor der Haustür. Mit zwei Jahren stand ich zum ersten Mal auf Skiern. In meiner Familie fahren alle Ski. Ich habe mit Skirennen angefangen, was mir viel Freude gemacht hat, und im Sommer habe ich viel Fußball gespielt. Irgendwann bin ich dann mit Freeski in Kontakt gekommen – also Skiern, die vorne und hinten gebogen sind, mit denen man auch rückwärts fahren kann. Dieses Gefühl von Freiheit hat mich sofort gepackt. Ab da war klar: Ich will Freeski fahren. Später an der Sportschule musste ich mich zwischen Fußball und dem Skisport entscheiden – da war für mich klar, dass ich Freeski-Profi werden will.
Sports Illustrated: Hätten Sie also auch Fußballprofi werden können?
Ragettli: Ich habe sehr gerne Fußball gespielt und war sicher nicht schlecht – zumindest bei uns oben in den Bergen. Aber das Niveau dort ist natürlich ein anderes als hier in Deutschland. Ich glaube, es geht vielmehr darum, wie man Dinge angeht: mit Leidenschaft, mit dem richtigen Mindset. Das hätte in vielen Sportarten sicher gut funktioniert. Für die Champions League hätte es wohl aber nicht gereicht (lacht.)
Sports Illustrated: Was hat Sie dazu bewegt, den Weg als Profisportler hauptberuflich zu verfolgen?
Ragettli: Ich habe als kleiner Junge nie groß darüber nachgedacht. Ich bin einfach meinem Herzen gefolgt und der Freude am Sport. Sport war schon immer das, worin ich gut war und was ich geliebt habe. Für mich war klar, dass ich Profisportler werde – egal ob im Fußball, Skifahren oder Radfahren. Und so hat sich das Ganze dann entwickelt.
Sports Illustrated: Was schätzen Sie besonders am Leben als Profisportler?
Ragettli: Die tägliche Bewegung. Man arbeitet jeden Tag daran, die beste Version seiner selbst zu werden – sei es im Krafttraining, auf dem Schnee oder mental. Man ist in der Natur, das tut gut und macht Spaß. Klar, es ist manchmal auch extrem hart, aber genau das macht es auch aus. Ich mochte den Druck schon immer, wollte nie einfach 08/15 sein. Ich wollte etwas Besonderes machen – das ermöglicht mir der Sport.
Sports Illustrated: Inwiefern unterscheidet sich der Sportler Andri Ragettli vom Menschen?
Ragettli: Gar nicht so sehr. Ich bin immer ich selbst – egal ob mit oder ohne Ski. Ich war schon immer jemand, der sein eigenes Ding gemacht hat – unabhängig davon, was andere denken. Das gilt für den Sport genauso wie für mein sonstiges Leben. Ich glaube auch, dass viele, die mich auf Social Media sehen, denken, ich sei super extrovertiert – dabei bin ich eher introvertiert und gehe nicht einfach so auf jeden zu.
Sports Illustrated: Wie sieht ein typischer Trainingstag bei Ihnen aus?
Ragettli: Im Winter stehe ich meistens um sieben Uhr auf, bin gegen halb neun am Berg. Zwischen neun und zwölf arbeite ich an Tricks – besonders an solchen, die noch nicht ganz sitzen. Danach eine Stunde Mittagspause, dann noch mal ein bis zwei Stunden Training. Zu Hause folgt dann die Regeneration: Rumpfübungen, Dehnen, vielleicht ein Eisbad. Im Sommer steht vor allem Kraft-, Ausdauer- und Rumpftraining auf dem Plan – alles mit dem Ziel, den Körper fit für die lange Wintersaison zu machen.
Sports Illustrated: Wie verändern sich Ihre Trainingsabläufe in der direkten Wettkampfvorbereitung?
Ragettli: Das hängt stark davon ab, wie viele Wettkämpfe ich in kurzer Zeit habe. Wenn es viele sind, konzentriere ich mich eher auf Regeneration, um genug Energie zu haben. Manchmal bereite ich mich aber auch gezielt auf bestimmte Elemente vor, denn die Kurse sind bei jedem Event unterschiedlich. Da kann man einzelne Hindernisse spezifisch trainieren.

Sports Illustrated: Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere gelernt, Pausen aktiv einzuplanen?
Ragettli: Ja, auf jeden Fall. Ich bin früher auch in den Ferien ins Gym gegangen – zwei-, dreimal die Woche. Im Nachhinein habe ich während der Wintersaison gemerkt, dass das ein Fehler war, weil mir die Kräfte ausgehen. Man lernt aus solchen Erfahrungen, vor allem aus eigenen Fehlern.
Sports Illustrated: Auf welche Erfolge in Ihrer Karriere sind Sie besonders stolz?
Ragettli: Der Gewinn der X Games war ein Riesenerfolg – das ist im Freestyle-Sport ein sehr prestigeträchtiger Wettbewerb. Auch der Weltmeistertitel war ein Highlight. Es gab viele tolle Momente, aber diese beiden sind wohl die herausragendsten.
Sports Illustrated: Was steht aktuell ganz oben auf Ihrer sportlichen Zielagenda?
Ragettli: Definitiv Olympia. Das ist mein großes Ziel fürs nächste Jahr. Ich wurde letztes Mal Vierter – dieses Mal will ich eine Medaille holen. Es ist die Einzige, die mir noch fehlt.
Sports Illustrated: Nehmen Sie diesen vierten Platz persönlich?
Ragettli: Natürlich tut so etwas weh. Kein Sportler wird gerne Vierter, gerade beim größten Sportevent der Welt. Aber ich habe daraus Motivation gezogen. Mental habe ich in den letzten Jahren viel dazugelernt. Rückschläge gehören dazu – und man wächst daran.

Sports Illustrated: Wie mental fordernd ist Freeskiing aus Ihrer Sicht?
Ragettli: Sehr. Man hat zwei Läufe, der bessere zählt – das bedeutet enormen Druck. Dazu kommt die Komplexität der Tricks. Man braucht mentale Stärke, um sich zu vertrauen, neue Tricks zu wagen, unter Druck zu performen. Jeder Sport ist mental fordernd – unserer ganz besonders.
Sports Illustrated: Wie gehen Sie mit Ängsten oder Zweifeln vor schwierigen Tricks um?
Ragettli: Da hilft Training – und das Vertrauen in die eigene Vorbereitung. Wichtig ist auch, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Wenn man im Kopf nicht bereit ist, sollte man den Schwierigkeitsgrad der Tricks reduzieren. Eine falsche Entscheidung kann gravierende Stürze zur Folge haben. Aber wenn man sich selbst vertraut, ist vieles möglich.
Sports Illustrated: Wie schwer ist es, dieses Vertrauen nach Verletzungen, mit denen Sie auch schon zu kämpfen hatten, wiederzufinden?
Ragettli: Das Vertrauen kommt nicht sofort zurück. Nach meiner Verletzung stand ich acht Monate nicht auf Skiern – das ist eine lange Zeit. Das Gefühl ist am Anfang etwas fremd, wie mit einem Freund, den man lange nicht gesehen hat. Da hilft nur, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Und irgendwann kommt das Gefühl zurück.
Sports Illustrated: Sie sind auf Social Media aktiv, landen mit Ihren Videos regelmäßig virale Hits. Wie kam es dazu?
Ragettli: Schon als Kind haben wir uns beim Skifahren gefilmt, YouTube-Videos gedreht. Mit 16 habe ich ein Trainingsvideo gepostet – das ging über Nacht viral. Seitdem bin ich noch stärker ins Thema Social Media eingetaucht. Es macht mir Spaß, weil ich kreativ sein kann. Das passt gut zu meinem Sport.

Sports Illustrated: Haben Sie Vorbilder?
Ragettli: Im Freeski war es TJ Schiller aus Kanada. Heute sind es Persönlichkeiten wie Cristiano Ronaldo, Roger Federer oder David Goggins, die mich inspirieren und von denen ich mir Dinge abschauen kann. Deshalb ist es auch ein großes Ziel von mir, ein Vorbild für andere zu sein.
Sports Illustrated: Was steht sonst noch auf Ihrer Bucket List?
Ich möchte beim Surfen einmal eine Tube zu schaffen, also wenn sich die Welle über einem schließt. Oder 100 Meilen in 24 Stunden laufen. Für mich sind das Dinge, die mich in meiner Karriere nicht weiterbringen, aber mich persönlich glücklich machen würden.
Sports Illustrated: Sie haben eine Partnerschaft mit Garmin. Was zeichnte diese Kooperation für Sie aus?
Ragettli: Garmin steht für Performance – genauso wie ich. Ich plane und tracke alles sehr genau: Schlaf, Training, Kalorien. Die Uhren sind extrem präzise. Das passt perfekt zu meinem Lebensstil.
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