Big-Wave-Star Steudtner: "Ich traue mir zu, 40 Meter hohe Wellen zu surfen"
- Big-Wave-Surfer Sebastian Steudtner im Sports-Illustrated-Interview
- Sebastian Steudtner: "Die reale Gefahr ist für mich ein Antrieb"
- Surf-Star Steudtner träumt von einer 40 Meter hoher Welle
Sports Illustrated: Wie läuft die Saisonvorbereitung? Wo leben Sie gerade und wie trainieren Sie?
Sebastian Steudtner: Ich lebe in Monaco, bin aber gerade in Nazaré, um mich auf die Saison vorzubereiten. Mir geht es bestens. Ich warte auf die ganz großen Wellen. Hier in Nazaré habe ich mir ein Haus gekauft. Da ist es nicht weit bis zum Wasser. Ich habe mir in Portugal ein bisschen meine perfekte Welt geschaffen. In meinem Haus habe ich alles, was ich brauche. Einen Fitnessraum, einen Physiobereich und einen Bereich für mein ganzes Equipment. Ich habe alles optimiert, um die maximale Zeit mit meinem Sport zu verbringen.
Sports Illustrated: Wie sieht ein normaler Trainingstag bei Ihnen aus?
Steudtner: Ich stehe um 6.00 Uhr morgens auf. Dann mache ich mir etwas zum Frühstück und bin meistens um 7.00 Uhr auf dem Wasser. Im Winter verschiebe ich alles etwas nach hinten, wenn es nach dem Sonnenaufgang hell genug ist. Dann stehe ich mit meinem Brett am Strand oder ich mache zu Hause Fitnesstraining. Wie lange ich auf dem Wasser bin, hängt immer von den Wellen ab. Jetzt mache ich gerade ziemlich viel, weil ich frisch in die Saison gegangen bin und neues Equipment teste. Im Schnitt bin ich vier, fünf Stunden auf dem Wasser. Plus zwei Stunden Fitness macht sechs Stunden Training am Tag.
Sports Illustrated: Wann sind Sie zum letzten Mal eine große Welle gesurft?
Steudtner: Die letzte große Welle, die ich gesurft bin, war am 24. Februar 2024. Danach waren die Wellen nicht mehr so hoch.
Sports Illustrated: Kommen jetzt die großen "Monsterwellen" zurück ?
Steudtner: Im Herbst und Winter kommen die Stürme und die Wellen türmen sich auf. Es braucht die größten Stürme, um die größten Wellen zu produzieren. Wenn in Florida die Häuser wegfliegen, sind die Riesenwellen etwa zehn Tage später hier. Der Sturm setzt das Wasser in Bewegung und damit eine gewaltige Wasserenergie. Wir nennen das Dünung, die durch den Sturm entsteht. Der Grund, warum die Wellen in Nazaré so groß werden, ist ein Wassergraben. In diesem Wassergraben sammeln sich die Wellen und kommen nicht mehr heraus. Dann kommt die normale Dünung. Direkt vor dem Leuchtturm endet dieser Unterwassergraben Die gefangene Dünung springt heraus und vermischt sich mit der normalen Dünung. Dann entstehen solche "Monsterwellen".
Sports Illustrated: Werden Sie informiert, wenn eine große Welle auf die Küste zurollt?
Steudtner: Es gibt es verschiedene öffentliche und nicht öffentliche Wetterportale. Wir haben die Daten von allen signifikanten historischen Tagen aus den vergangenen Jahrzehnten gesammelt, wo die Stürme heftig waren. Das können wir miteinander vergleichen. Ich habe ein Team mit ein paar Jungs, die in diesem Bereich richtig fit sind. Wir werten alles aus und unterstützen uns gegenseitig.
Sports Illustrated: Welchen Zeitpuffer haben Sie, bevor Sie eine "Monsterwelle" surfen?
Steudtner: Ungefähr drei Tage bevor die Welle hier eintrifft, bereite ich mich vor. Dann stelle ich die Ampel auf gelb und einen Tag davor auf grün. Es ist also genügend Zeit, dass ich meine Klamotten packe und alles vorbereite.
Sports Illustrated: Was fasziniert Sie am Big-Wave-Surfen und was sind die Unterschiede zum normalen Surfen?
Steudtner: Das Erlebnis in der Natur, diese Naturgewalt zu erleben, das wird nicht weniger aufregend. Man muss sich vorstellen, wenn ein Sturm über dem halben Atlantik war, was sich da für eine Energie gebündelt hat, die noch einmal 1000 Kilometer über den Ozean gekommen ist. Wenn sich diese Energie entlädt, bin ich ein Teil davon. Das kann man schwer beschreiben. Aber das ist es, was mich am meisten fasziniert. Aber man kann nicht einfach mal eine Riesenwelle surfen. Man muss sich lange Zeit vorbereiten und manchmal auch jahrelang auf die perfekte Welle warten.
Sports Illustrated: Kann jeder Surfer rausgehen und die Monsterwelle reiten?
Steudtner: Das ist frei für alle. Im Februar waren wir am ersten Tag komplett allein. Das lag aber auch daran, dass wir Sturmwellen hatten, also keine sauberen Wellen. Als die anderen gesehen hatten, dass ich surfen kann, sind sie auch aufs Wasser gekommen. Für viele geht es dabei um den Weltrekord wegen des Ruhms und des Geldes. Bei mir eher nicht. Ich surfe, weil ich Spaß habe. Mir geht es nicht um Rekorde.
Sports Illustrated: Gibt es andere Dinge im Leben, die Sie faszinieren?
Steudtner: Ich liebe es Menschen zu inspirieren, Menschen aufzubauen, vor allem Kids. Außerdem liebe ich es, wenn jemand nein sagt oder sagt, dass es nicht geht, ihn dazu zu bringen, es zu versuchen und zu schaffen. Ich möchte den Menschen das geben und zeigen, was die Natur mir geschenkt hat: Selbstbewusstsein und der Glaube an mich selbst. Mit "Wir machen Welle" unterstützen wir sozial benachteiligte Kinder, um die Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu stärken. Das ist ein Herzensprojekt von mir. Das macht mir unheimlich viel Spaß.
Sports Illustrated: Zusammen mit Schaeffler haben Sie die "Mission Wave Alpha" gestartet. Was steckt hinter diesem Projekt?
Steudtner: Die "Mission Wave Alpha" ist ein Dreijahres-Projekt, das ich zusammen mit ein paar Freunden gestartet habe, nachdem ich 2021 die größte Welle in Nazaré gesurft bin. Da habe ich gemerkt, dass ich noch größere Wellen surfen kann. Aber mein Equipment war am absoluten Limit war. Deshalb haben wir ein Tech-Projekt gestartet, bei dem wir mit verschiedenen Partnern wie Siemens, Porsche, Schaeffler, Xbionic und O2 versucht haben, Technologien aus anderen Sportarten zu übertragen. Dabei ging es auch um die optimierte Beschichtung des Surfbretts. Dann hat 2024 alles zusammengepasst. Wir haben den neuen Rekord, den Geschwindigkeitsrekord und den Rekord für G-Kräfte beim Surfen. Mit dieser Leistung haben wir begriffen, dass wir Sturmwellen reiten können.
Sports Illustrated: Wie viel Gewicht hat eine Monsterwelle, wenn Sie hinter Ihnen heranrauscht?
Steudtner: Das ist eine Berechnung, die ich wirklich mal machen sollte. Man muss die komplette Welle zusammenrechnen. Hierzu muss man wissen, dass ein Kubikmeter Wasser etwa eine Tonne Gewicht hat. Dann kann man sich ungefähr ausrechnen, was eine Welle mit 30 Mal 30 Metern wiegt. Das sind viele tausende Tonnen Wasser.
Sports Illustrated: Was ist am wichtigsten, um ein guter Big-Wave-Surfer zu werden?
Steudtner: Beim Surfen geht es in erster Linie um die Technik und das Selbstbewusstsein. Können und Selbstvertrauen sind das Allerwichtigste. Die Fähigkeit zu haben, einfach Vollgas zu geben und nicht zu zögern. Man muss sich vorstellen können, dass man jede Welle surfen kann, egal wie groß sie ist. Hinzu kommt das Equipment, was ein ausschlaggebender Faktor ist. Wir haben zuletzt im Windkanal einen Spoiler entwickelt und probieren Finnen mit verschiedenen Beschichtungen aus. Hinzu kommen andere Fußschlaufen und andere Formen der Bretter.
Sports Illustrated: Mit 28,57 Meter haben Sie die höchste Welle aller Zeiten bezwungen. Welche Wellenhöhe kann ein Mensch maximal surfen?
Steudtner: Ich habe hier einmal im Leben ungefähr 40 Meter hohe Wellen gesehen, bei perfekten Windbedingungen. Das waren die gleichen Dünungsdaten, die wir im vergangenen Februar hatten. Von der Energie, sind wir vom Prinzip her 40 Meter Wellen gesurft. Wenn der Tag kommt, traue ich mir mit meinem Equipment zu, 40 Meter hohe Wellen oder mehr zu surfen.
Sports Illustrated: Mittlerweile sind Sie 39 Jahre alt und besitzen viel Erfahrung. Wie lange kann Ihr Körper diesen Extremsport mitmachen?
Steudtner: Ich hatte bisher das großes Glück, dass ich mir viel Wissen aneignen konnte, was meinen Leistungssport und meine Gesundheit betrifft. Mit 22 Jahren habe ich Prof. Dr. Radosav Djukic kennengelernt, der ein guter Freund und Wegbegleiter von mir ist. Er betreibt Zellforschung. Seit ich ihn kenne, achte ich auf meinen Körper und habe mich immer gesund ernährt. Eine Untersuchung hat zuletzt ergeben, dass ich ein Zellalter von 27 Jahren habe. Da hatte ich meine zweitbeste Leistungsdiagnostik. Ich denke, dass mein Körper sicher noch länger mitmacht. Aber natürlich kann mit einer Verletzung alles vorbei sein. Es kann auch sein, dass ich meine Motivation verliere, weil ich etwas anderes finde, was mir mehr Spaß macht.
Sports Illustrated: Haben Sie als Extremsportler Angst um Ihr Leben?
Steudtner: Wie viele andere Leute habe ich ganz normale Ängste. Mit dem Thema Angst befasse ich mich seit Jahren intensiv, weil es mich und meinen Sport betrifft. Tatsächlich ist die reale Gefahr für mich aber eher ein Antrieb. Das heißt, ich kann mich konzentrieren, ich kann mich fokussieren. Mittlerweile gibt es verschiedene Sicherheitssysteme und wir haben ein jährliches Sicherheitstraining. Zuletzt waren fünf der besten Bundeswehrmediziner da. Mit ihnen haben wir Wiederbelebungsmaßnahmen geübt und alles, was man sich vorstellen kann. Meine Angst ist nicht auf dem Wasser. Es ist eher die Angst, dass ich nicht vorbereitet bin oder nicht reagieren kann. Nicht für mich selbst, sondern für mein Team. Diese Angst treibt mich an, mehr zu machen, besser zu sein und länger zu arbeiten. Im gleichen Zug befreit mich diese Angst in Momenten, wo es wirklich gefährlich ist, vor der Angst auf dem Wasser.
Sports Illustrated: Was soll den Menschen einmal von Ihnen in Erinnerung bleiben?
Steudtner: Ich möchte Menschen davon überzeugen, dass alles möglich ist und dass wir selbst definieren, was möglich ist. Jeder sollte seinen Träumen folgen und sollte auch ein Risiko eingehen, Verantwortung übernehmen und Gas geben.
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