Tour de France

Radfahrerin Kasia Niewiadoma-Phinney: "Man muss aggressiv sein und angreifen"

Kasia Niewiadoma-Phinney ist eine der besten Radfahrerinnen der Welt. Im vergangenen Jahr triumphierte die Polin bei der Tour de France. Sports Illustrated spricht mit ihr über diesen Erfolg, ihre Karriere und Ziele für die kommende Frankreich-Rundfahrt.

Kasia Niewiadoma-Phinney
Credit: Pohlmann-Photo
 

Sports Illustrated: Sie sind eine der besten Radrennfahrerinnen der Welt. Wie sind Sie zum Radsport gekommen?

Kasia Niewiadoma-Phinney: Ich habe diesen Sport im Alter von 14 Jahren in Polen begonnen. Damals hatte das mit der Liebe meines Vaters zum Radsport zu tun. Er wollte zuerst meinen Bruder für den Radsport begeistern – und dann mich. 2013 bin ich in den Profibereich gewechselt und für das niederländische Team Rabobank gestartet.

Sports Illustrated: Radsport bedeutet Verzicht, Anstrengung und Schmerzen. Wie gut kommen Sie damit zurecht?

Niewiadoma-Phinney: Wenn man älter wird, verändern sich viele Dinge und man sieht vieles anders. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und kann vieles besser einschätzen – und auch mit kleineren Rückschlägen und Verletzungen besser umgehen. Die Anstrengungen und Schmerzen gehören einfach zum Radsport dazu. Das bin ich mittlerweile gewohnt.

Sports Illustrated: Sie haben 2024 die Tour de France der Frauen gewonnen. Hätten Sie als Jugendliche jemals daran gedacht, dass Sie einmal so einen großen Erfolg schaffen würden?

Niewiadoma-Phinney: Zu Beginn meiner Karriere war ich weit davon entfernt, so ein bedeutendes Radrennen irgendwann einmal zu gewinnen. Als ich noch jung war, hätte ich das niemals gedacht. Aber durch meine guten Leistungen habe ich das Gelbe Trikot bei der Tour de France erobert – und bis ins Ziel getragen.

Sports Illustrated: Was bedeutet Ihnen dieser Sieg bei der Tour de France 2024, mit dem Sie sich in die Geschichtsbücher des Radsports eingetragen haben?

Niewiadoma-Phinney: Dieser Sieg bleibt für immer. Wenn ich daran zurückdenke, macht mich das sehr stolz. Wir haben mit so vielen Leuten und dem gesamten Team gefeiert – und ich habe mich bei allen bedankt. Das war einfach großartig. Das kann mir niemand mehr nehmen. Dieser Sieg war die bisherige Krönung meiner Karriere. Er gibt mir viel Ruhe und Zufriedenheit. Ich kann sagen, dass ich als Radfahrerin alles erreicht habe.

Kasia Niewiadoma-Phinney
Kasia Niewiadoma-Phinney
Credit: Pohlmann-Photo
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Sports Illustrated: Die Tour de France ist das bekannteste Radrennen der Welt. Was macht die besondere Schwere dieses Rennens aus?

Niewiadoma-Phinney: Die Geschichte dieses Rennens ist einzigartig. Bisher wurde die Historie aber vor allem von Männern geprägt. Mittlerweile rücken jedoch auch die Frauenrennen immer mehr in den Fokus. Wir haben ebenfalls viele Fans an der Strecke, die uns unterstützen. Ich denke, dass die Frauenrennen bei der Tour de France immer wichtiger werden.

Sports Illustrated: Sie sind eine gute Klassiker- sowie Bergfahrerin. Welche Rolle spielt die mentale Einstellung in den entscheidenden Rennsituationen? Kann diese über Sieg und Niederlage entscheiden?

Niewiadoma-Phinney: Ich liebe die Klassiker und Eintagesrennen. Dabei spielt die mentale Stärke eine große Rolle. Man muss während der Rennen wirklich aggressiv sein und angreifen. Es geht um Führung und Kampfpositionen. Man muss konzentriert und hellwach sein – bereit in dem Moment, wenn etwas Unerwartetes passiert. Das kann bei einem Klassiker sein, aber auch bei einer Rundfahrt in den Bergen.

Sports Illustrated: Sie fahren mit einem Canyon-Rennrad. Welche Rolle spielt das mittlerweile immer besser werdende Material im Radsport, um erfolgreich zu sein?

Niewiadoma-Phinney: Das Material ist im Radsport superwichtig – besonders bei einem so langen Rennen wie der Tour de France. Diese Rundfahrt ist lang und hart. Da spielen das Material und seine Haltbarkeit eine große Rolle. Es kommt vor allem auf das Gewicht des Fahrrads und die technischen Komponenten an. Ich bin sehr froh, dass ich mit Canyon zusammenarbeite und mit dem Aeroad CFR um den Sieg fahre.

Sports Illustrated: Ihr Mann Taylor Phinney ist US-Amerikaner und war ebenfalls ein guter Radfahrer. Wie wichtig ist er für Sie und Ihre sportliche Karriere?

Niewiadoma-Phinney: Mein Mann spielt eine große Rolle in meinem Leben – gerade auch in der Vorbereitung auf die Rennen. Er ist nicht nur mein Ehemann, sondern auch mein größter Fan und Unterstützer. Er schaut mich an und weiß genau, wie es mir geht. Wenn ich ihn frage, gibt er mir viele wichtige Tipps. Als ehemaliger Radfahrer kann er die Situationen immer sehr gut einschätzen. Er hilft mir dabei, die richtige Balance im Leben zu finden sowie die Lust und den Hunger für die nächsten Rennen zu behalten.

Sports Illustrated: Taylor Phinney hat sich seit ein paar Jahren der Malerei gewidmet. Malen Sie in Ihrer Freizeit auch Bilder und leben sich künstlerisch aus?

Niewiadoma-Phinney: Ich male eher keine Bilder (lacht…). Ich lasse ihn sich in seiner Kunst ausleben. Er ist der kreativere Part in unserer Familie, der beobachtet und zeichnet. Er hat viel Talent dafür – das habe ich eher nicht.

Kasia Niewiadoma-Phinney
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Sports Illustrated: Was machen Sie sonst in Ihrer Freizeit, wenn Sie nicht Radfahren?

Niewiadoma-Phinney: Ich habe fast keine Freizeit, weil ich fast immer auf dem Rad sitze. Wenn ich mal etwas Zeit habe, bin ich gerne in der Natur. Ich schaue mir auch gerne Orte auf der ganzen Welt an, an denen ich noch nicht war. Wenn ich mal zu Hause bin, koche oder backe ich auch gerne.

Sports Illustrated: Was ist neben den sportlichen Erfolgen Ihr größter Traum?

Niewiadoma-Phinney: Ich träume davon, zusammen mit meinem Mann in einem Wohnmobil durch die USA zu fahren. Ich möchte mir gerne so viele Bundesstaaten wie möglich ansehen und die Natur erleben – am besten von der Ostküste in Richtung Westküste. Die Natur in den USA ist wirklich großartig. Natürlich nehmen wir unsere Fahrräder mit.

Sports Illustrated: Wie sehen Ihre Ziele für die Tour de France 2025 aus?

Niewiadoma-Phinney: Da gibt es nur ein Ziel: Ich möchte meinen Titel bei der Tour de France in diesem Jahr verteidigen.



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