Eishockey

Rick Goldmann zum WM-Start: "Brutale Standortbestimmung gegen Kanada"

Rick Goldmann blickt im Sports-Illustrated-Interview auf die Eishockey-WM 2022 in Finnland. Der Sport1-Experte nennt seine Favoriten und analysiert die Chancen der deutschen Nationalmannschaft, die Wiedergutmachung nach Olympia betreiben will.

Rick Goldmann, Jana Wosnitza und Basti Schwele von Sport1
Credit: Sport1
  • Rick Goldmann im Sports-Illustrated-Interview zur Eishockey-WM
  • Eishockey-WM: "Brutale Standortbestimmung für Deutschland gegen Kanada"
  • Goldmann: "Wir haben drei Nummer-1-Torhüter im DEB-Team"

Sports Illustrated: Wird es bei der Eishockey-WM in Finnland eine Wiedergutmachung für das mäßige Abschneiden bei Olympia geben? 

Rick Goldmann: Das ist die große Frage. Aus meiner Sicht ist die WM eine echte Standortbestimmung. Wo steht die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft wirklich? Im vergangenen Jahr hat das DEB-Team bei der WM einen Weg gefunden, unter schwierigen Bedingungen sehr weit bis ins Halbfinale zu kommen. Im Gegensatz zu Olympia, wo die deutsche Mannschaft nie in das Turnier reingekommen ist. Vielleicht kann man sagen, dass eine ist zu gut und das andere zu schlecht gelaufen. Deshalb bin ich gespannt, wie weit wir kommen.

Sports Illustrated: Bei der Eishockey-WM wird wie bei Olympia auf kleinem Eis gespielt. Ist das ein Vor- oder Nachteil für Deutschland?

Goldmann: Ich denke, dass mittlerweile alle Nationen gelernt haben, wie man auf der kleineren Eisfläche zurechtkommt. Auf dem kleinen Feld ist das Eishockeyspiel etwas anders. Man braucht auch den einen oder anderen Spielertyp. Aber dieses Mal haben wir den Vorteil, dass wir mit Philipp Grubauer, Moritz Seider und Tim Stützle drei ganz wichtige Leute dabei haben, die das kleine Eis aus der NHL kennen. Ich denke, dass dieses Thema bei der WM kein Problem sein sollte. 

Sports Illustrated: Auf dem kleinen Eis wird jeder Fehler sofort bestraft. Wie muss man spielen, um erfolgreich zu sein?

Goldmann: Bei der kleinen Eisfläche hat man in der neutralen Zone viel weniger Platz, weil die blauen Linien zur Mitte gehen. Es ist nicht nur eine kleinere Eisfläche, sondern die Aufteilung ist auch anders. Die Mannschaften haben viel mehr Platz in der offensiven Zone. Fehler mit Geschwindigkeit in der neutralen Zone werden eher bestraft. Dann kommt man nicht mehr an den Gegner ran. Diese Fehler führen meist zu Torchancen für das gegnerische Team. 

Sports Illustrated: Wie wird sich Deutschland im ersten Spiel auf Weltmeister Kanada einstellen?

Goldmann: Das wird spannend. 2021 bei der WM haben sie Kanada noch geschlagen. Dann war das Spiel bei Olympia gegen Kanada, was nach zehn Minuten eigentlich vorbei war. Wir haben durch einen harten Check einen Verteidiger verloren. Danach ist Deutschland nie mehr ins Turnier hineingekommen. Ich denke, das haben einige Spieler noch im Hinterkopf. Hinzu kommt, dass Kanada zum WM-Auftakt noch nicht eingespielt ist. Das ist ein zusammengewürfelter Haufen, der erst im Verlauf der WM stark wird. Bei der deutschen Mannschaft sieht das aber nicht viel anders aus. Der Kader hat auch noch nicht lange zusammengespielt. Deswegen wird es eine brutale Standortbestimmung gegen ein sehr, sehr starkes kanadisches Team mit Spielern, die in der NHL wirklich tragende Rollen spielen.

Eishockey-Spieler Maximilian Kastner (Deutschland)
Eishockey-Spieler Maximilian Kastner (Deutschland)
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Viele Spieler haben nach der Saison 60, 70 oder mehr Spiele in den Beinen. Wird die Kraft der deutschen Spieler fürs WM-Turnier ausreichen?

Goldmann: Jeder Spieler, der bei der WM dabei ist, sollte sich vor dem Turnier selbst diese Frage stellen. Grundsätzlich war es eine lange Saison für viele Spieler. Aber ich denke, dass die deutschen Spieler, die ihre Teilnahme für der WM zugesagt haben, wirklich fit sind und mental bereit für das Turnier. 

Sports Illustrated: Für die deutschen Fans ist es immer schade, wenn Spieler wie Manuel Wiederer, Patrick Hager oder Frederik Tiffels nicht dabei sind. Können Sie diese Absagen nachvollziehen?

Goldmann: Das kann ich schon verstehen. Es kommt immer darauf an, wie die Kommunikation zwischen Trainer und Spielern läuft. Wenn man vorher schon weiß, dass man nach der Saison nicht mehr fit ist, muss man das auch so kommunizieren. Kurzfristige Absagen sind immer schwierig. Das muss ich ehrlich sagen. Aber wenn ein Spieler angeschlagen ist, mental nicht bei 100 Prozent oder wenn er um einen neuen Vertrag spielt – man darf nicht vergessen, Eishockey-Spieler verdienen nicht so viel wie Fußballer- dann muss man das alles in Relation setzen. Zumal die WM jedes Jahr ist. 

Sports Illustrated: Wie schwer wiegt der Ausfall von Dominik Kahun?

Goldmann: Auf der Mittelstürmer-Position ist Deutschland nicht so stark besetzt. Allein aus diesem Grund ist sein Ausfall schwer zu verkraften. Er ist ein Powerplay-Spieler, ein sehr kreativer Spieler, der auch ein gutes Tempo hat. In der Schweiz hat er zuletzt seine Spielstärke gezeigt. Das ist schon ein herber Verlust. Er hat es bis zum Schluss immer wieder versucht, bei der WM dabei zu sein. Leider ging’s am Ende nicht. 

Sports Illustrated: Welche Stärken hat das deutsche Team? 

Goldmann: Das Prunkstück, was wir haben, ist die Torhüterposition. Mit Philipp Grubauer, Mathias Niederberger und Dustin Strahlmeier hat Deutschland eigentlich drei Nummer-1-Torhüter. Das kann bei einem großen Turnier unheimlich wichtig sein. Das haben uns die Slowaken mit ihrem Bronzemedaille-Gewinn bei Olympia gezeigt. Patrik Rybár hat überragend gehalten und sein Team zum dritten Platz geführt. Ich denke, dass sich Bundestrainer Toni Söderholm in seinem 25-Mann-Kader noch zwei Plätze offen lässt, um den einen oder anderen deutschen Spieler aus Nordamerika nachzunominieren. Ich denke da nicht nur an Leon Draisaitl, sondern auch an Leon Gawanke, John-Jason Peterka und Lukas Reichel. Wenn diese Spieler in ihren Ligen ausscheiden, bestünde die theoretische Chance, dass sie noch kommen könnten. Aktuell denke ich, dass der deutsche Kader gut ist, wenn jeder Spieler seine Rolle kennt und annehmen kann. Durch den Ausfall von Tom Kühnhackl, Tobias Rieder, Nicolas Krämmer und Patrick Hager fehlen dem DEB-Team die klassischen Arbeitertiere, die körperlich robust sind. Diese Aufgabe müssen jetzt andere übernehmen und den "Fighting Spirit" entwickeln. 

Eishockey-Torwart Mathias Niederberger (Deutschland)
Eishockey-Torwart Mathias Niederberger (Deutschland)
Credit: Imago
x/x

Sports Illustrated: Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm setzt sich bei der WM dieses Mal keine Ziele. Ist diese defensive Grundausrichtung nachvollziehbar? 
 
Goldmann: Ich denke, dass die Spieler und der Trainer schon den Traum haben, ins WM-Viertelfinale oder weiter zu kommen. Das ist absolut legitim. Das aber als Ansage zu machen, wäre nicht so clever. Deutschland muss erst einmal hart arbeiten, um dann auch die Erfolge zu haben. Wenn die ersten drei Spiele gegen Kanada, die Slowakei und Frankreich gespielt sind, kann man mit der Zielsetzung auch anders umgehen. Kanada ist für mich der Gruppenstärkste. Wenn man ins Viertelfinale kommen will, müssen wir die Slowakei schlagen und gegen Frankreich muss man so oder so gewinnen. Wenn Deutschland in den ersten drei Spielen sechs Punkte holt, dann kann man sagen, OK wir trauen uns was zu. So etwas muss in einem Turnier entstehen. Das muss ins Rollen kommen. Dann entsteht auch der Glaube daran, etwas zu erreichen. 

Sports Illustrated: Insgesamt stehen sieben WM-Vorrundenspiele für Deutschland auf dem Programm. Welche Chance hat Deutschland im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz?

Goldmann: Die Schweiz ist hinter Kanada für mich die stärkste Mannschaft in der deutschen Gruppe. Die Schweizer haben viele NHL-Spieler und einen sehr hochwertigen Kader. Mit dieser Mannschaft müssten sie eigentlich mindestens eine Medaille erreichen. Wenn wir ehrlich sind, dann sind Deutschland, die Slowakei und Dänemark auf Augenhöhe. Diese Mannschaften müssen wir schlagen. Kasachstan ist unangenehm. Italien und Frankreich sind Pflichtsiege.

Sports Illustrated: Wie wichtig ist es, dass die Zuschauer wieder in die Halle zurückkehren?

Goldmann: Wenn ich Menschen vom Eishockey begeistern will, dann nehme ich sie mit zu einem Spiel in die Halle. Dann erzähle ich ihnen ein paar Regeln und sage Ihnen, schaut der Scheibe zu und genießt die Stimmung. Spätestens nach dem zweiten Drittel sagen sie mir, wie geil ist denn dieser Sport. Wenn man Eishockey als Zuschauer live in der Halle erlebt, dann ist es eine der besten Sportarten. Dass diese WM jetzt in Finnland vor Eishockey begeistertem Publikum stattfindet, die auch noch Olympiasieger sind, ist die Vorfreude unendlich groß. Da fliegt hoffentlich das Hallendach weg (lacht…). 

Deutschland gegen Kanada bei der Eishockey-WM 2021
Deutschland gegen Kanada bei der Eishockey-WM 2021
Credit: Imago
x/x

So berichtet SPORT1 über die Eishockey-WM 2022: SPORT1 ist bei der Eishockey-WM in Finnland wie gewohnt mittendrin und überträgt vom 13. Mai bis 29. Mai alle 64 WM-Spiele live auf den SPORT1-Plattformen. Im Free-TV werden 34 Livespiele gezeigt, darunter alle deutschen Partien und die K.o.-Runde. Die WM-Übertragungen begleitet das bekannte On-Air-Duo mit Experte Rick Goldmann und Kommentator Basti Schwele, das bereits seit 2012 gemeinsam bei der Eishockey-WM für SPORT1 im Einsatz ist. Dazu begleitet Moderatorin Jana Wosnitza die Übertragungen aus dem Studio. Rund um die Livespiele gibt es eine umfangreiche Rahmenberichterstattung: Die täglichen Countdown- und Analyse-Sendungen beinhalten aktuelle Highlights, Experten-Talks, Beiträge und Interviews, zudem sind prominente Eishockey-Gesichter im Studio zu Gast. Insgesamt präsentiert SPORT1 die Eishockey-WM 2022 in über 115 Livestunden im Free-TV, damit stehen pro Spieltag im Schnitt über 7,5 Livestunden Eishockey auf dem Programm. Die weiteren WM-Partien sind auf dem Pay-TV-Sender SPORT1+ sowie im kostenlosen Livestream auf SPORT1.de und in den SPORT1 Apps zu sehen. Darüber hinaus wird die Eishockey-WM auch umfangreich auf den Social-Media-Kanälen von SPORT1 abgebildet: Auf YouTube sind alle 34 Free-TV-Spiele abrufbar, zudem werden alle deutschen Gruppenspiele auf Facebook und erstmals auch auf TikTok gezeigt.


Mehr Sport-News:

Boris Becker muss zweieinhalb Jahre wegen Insolvenzverschleppung ins Gefängnis. Das hat Richterin Deborah Taylor in London entschieden. Bei guter Führung kann der ehemalige Tennis-Star die Hälfte seiner Strafe auf Bewährung absitzen.

Boris Becker muss die größte Niederlage seines Lebens einstecken. Der ehemalige Tennis-Star wird von einem Londoner Gericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, aber sein Ruhm wird nie verblassen. Im Oktober 2023 könnte er vielleicht wieder frei sein.

In der neuen Ausgabe von Sports Illustrated widmet sich Formel-1-Experte Elmar Brümmer der Königsklasse des Motorsports. Dabei blickt er auf die glorreiche Historie der Rennserie zurück. Hier erinnert er an die zehn legendärsten Fahrer der Formel-1-Geschichte.