Boxen

Fight oder Show? Mike Tyson verzichtet für Kampf gegen Jake Paul auf Drogen und Sex

Mike Tyson will es noch einmal wissen. Am 15. November 2024 steigt er in Arlington (Texas) vor 80.000 Zuschauern gegen Influencer Jake Paul in den Boxring. Was treibt "Iron Mike" an, mit 58 Jahren noch einmal zu boxen? Sports Illustrated nennt die Gründe.

Mike Tyson boxt am 15. November 2024 gegen Jake Paul
Credit: Getty Images
 

Ein Blick von unfassbarer Traurigkeit. Augen, die in zu viele Abgründe – insbesondere die eigenen – geblickt haben. Dann schlägt er die Lider zu, öffnet sie, und plötzlich ist das Leid einer kaum kontrollierbaren Wut gewichen. In diesen Augen wohnt das Böse. Es sind die Augen von Michael Gerard – "Iron Mike" – Tyson.

"Mike ist der König der psychologischen Kriegsführung. Er hat allein mit seinem Blick viele Gegner besiegt, bevor der erste Gong ertönt ist", sagt sein Coach Rafael Cordeiro über den früheren Boxweltmeister und Ring-Gladiatoren (58 Kämpfe, 50 Siege, 44 K.o.): "Jake trainiert für einen Kampf – Tyson, um zu killen."

Mike Tyson gegen Jake Paul: Netflix zeigt Box-Highlight des Jahres

Jake, das ist der frühere Youtube-Star Jake Paul, der sich seit einiger Zeit als Boxer versucht (zehn Kämpfe, neun Siege). Am 15. November steigt der 27-Jährige im AT&T Stadium in Arlington, Spielstätte des NFL-Teams Dallas Cowboys, vor 80.000 Fans gegen Tyson in den Ring.

Erstmals überträgt der Streaming-Dienst Netflix einen Boxkampf. Die Influencer öffnen dem Boxsport bisher verschlossene Türen. Netflix, das jahrelang Sportübertragungen als nicht lukrativ abtat, hat nun sein Interesse angedeutet, in Zukunft Livesportevents zeigen zu wollen.

Serien wie die Formel-1-Doku "Drive to Survive" oder die Michael-Jordan-Saga "The Last Dance" haben eingeschlagen. Wrestling wird ab 2025 bei Netflix eine Heimat finden. Ein Promi-Golfturnier und ein Showmatch der Tennis-Asse Rafael Nadal und Carlos Alcaraz hat man bereits ausgestrahlt, jetzt die große Bühne – Tyson gegen Paul.

Mike Tyson - Jake Paul: "Iron Mike" boxt gegen Social-Media-Star

Paul ist ein Phänomen der digitalen Welt. Bei Instagram hat er 27,1 Millionen Follower, bei Youtube 20,8 Millionen. Mit seinen Boxkämpfen, oft gegen alternde MMA-Fighter, hat er gut 150 Millionen verdient, der Tyson-Kampf soll seiner Aussage nach sicher 300 Millionen Dollar generieren, Tyson spricht gar von einer Milliarde.

Influencer Jake Paul
Influencer Jake Paul
Credit: Getty Images
x/x

Jakes Bruder Logan, jetzt Superstar im Wrestling, ist es, der die Bühne Boxen für sich zuerst zu seiner Plattform macht. Er bestreitet 2018 einen Fight gegen KSI, einen weiteren Influencer. Der Kampf wird 1,3 Millionen Mal als Pay-per-View verkauft, gilt als das erfolgreichste Amateurmatch überhaupt.

Das Storytelling ist gescriptet: ein reines Ballyhoo, das marktschreierische Vermarkten eines Kampfes auf Influencer-Art. Nach Logan zieht Jake die Boxhandschuhe an. Er kämpft vor gut einem Jahr gegen Tommy Fury, Halbbruder von Weltmeister Tyson Fury, verliert knapp nach Punkten.

Mike Tyson: "Meine Kinder lieben Jake Paul"

Damals als Zuschauer im Publikum: Mike Tyson. "Meine Kinder lieben Paul", meint er. "Jake ist kein Youtuber mehr, er ist jetzt ein Boxer", sagt Tyson-Coach Cordeiro, "er hat sich sehr gut entwickelt." Und das Boxen für sich als Geschäft entdeckt.

Paul hat die Firma Most Valuable Promotions gegründet, die als Veranstalter beim Tyson-Fight agiert. Er nimmt Amanda Serrano (Puerto Rico) unter Vertrag, die Anfang des Jahres ihren WM-Titel gegen Nina Meinke, Patentochter von Sven Ottke, verteidigen soll.

Erst als alle schon im Ring stehen, verkündet Paul, dass der Fight wegen einer Augenverletzung Serranos ausfällt. Ohne Show, ohne Kontroverse geht es bei Paul nicht.
"Ich finde es gut, dass die Influencer Boxen für sich entdeckt haben. Sie helfen so dem Boxsport, der im Moment von dieser Aufmerksamkeit nur profitieren kann", sagt Axel
Schulz, dem zweimal das Angebot vorlag, gegen Tyson zu kämpfen. "Der Fight ist genial. Tyson ist immer noch der geilste Name, den unser Sport zu bieten hat."

Klar ist: Der sportliche Wert bei dem Fight eines 27-Jährigen gegen einen 58-Jährigen, die sich mit 14-Unzen-Boxhandschuhen (statt zehn Unzen) über acht Zwei-Minuten-Runden (statt drei) bekämpfen, ist überschaubar, der Unterhaltungswert aber unbestreitbar.

Regina Halmich: "Mike Tyson einer der spektakulärsten Boxer aller Zeiten"

Die frühere deutsche Box-Queen Regina Halmich, die am 14. September einen Showkampf gegen Stefan Raab gewann, sagt über ihr Idol Tyson: "Er hat immer eine
große Faszination ausgeübt, ist einer der spektakulärsten Kämpfer aller Zeiten. Auch wenn ich nicht weiß, wie ernst der Kampf zu nehmen ist oder ob beide nur eine Show abziehen, ich schaue ihn auf jeden Fall an."

Box-Legende Mike Tyson
Box-Legende Mike Tyson
Credit: Getty Images
x/x

Ein Show-Kampf, der aber von der Boxkomission in Texas als Profifight sanktioniert wird, als eines der Sportspektakel des Jahres. "Mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden. Jetzt habe ich die Chance, mich gegen den härtesten Mann des Planeten und den gefährlichsten Boxer aller Zeiten zu beweisen", sagt Paul über das Duell mit Tyson, der 1986 im Alter von 20 Jahren und 144 Tagen zum jüngsten Schwergewichtschampion aller Zeiten aufgestiegen war – da lag die Geburt von Jake Paul noch über zehn Jahre in der Zukunft.

"Tyson war der aufregendste Boxer, der vielleicht je gelebt hat", sagt George Foreman (75), der sich 1974 gegen Muhammad Ali den legendären "Rumble in the Jungle"
geliefert hat. Um Ali, sein großes Idol, zu ehren, präsentiert Tyson in der Vorbereitung Trainingsvideos, die er mit Reimen schmückt.

Mike Tyson: "Im Moment habe ich Todesangst"

So wie es der 2016 verstorbene Ali, der für viele damit der Vorreiter der Rap-Musik ist, getan hat. Sport und Entertainment eben. Doch Tyson wäre nicht Tyson, wenn er dies nicht mit martialischen Worten garnieren würde. "Ich bin der Gott des Krieges", verkündet er etwa.

Als Krieger hat sich Tyson immer verstanden. Als Warrior, der kein Tabu kennt, der auch mal seinem Gegner Evander Holyfield ein Stück Ohr im Ring abbeißt. Doch Tyson ist ein Krieger, der von Angst getrieben ist. "Im Moment habe ich Todesangst, wenn ich an den Kampf denke", sagt Tyson im Frühjahr bei "Fox News".

Bei "Hotboxin’ with Mike Tyson" betreibt er Selbstanalyse: "Ich hatte vor jedem Kampf Heidenangst. So schlimm, dass mir die Haare ausgefallen sind. Leute, die Angst haben, wollen vernichten, was ihnen Angst macht. Ich hatte ein überbordendes Ego, war von Größenwahn getrieben, aber ohne jedes Selbstwertgefühl. Ich konnte nie glauben, dass mich jemand lieben konnte. Mich, der ich mich nicht selber lieben konnte."

Traurigster Moment: Tyson-Tochter Exodus stirbt mit vier Jahren

Liebe, Selbstliebe: Oft genug Fremdworte für Tyson, der ab 1992 drei Jahre und acht Monate wegen Vergewaltigung einsitzt. Sein Vermögen verprasst er. Nach der Pleite gegen Kevin McBride beendet er 2005 die Karriere. "Ich werde den Boxsport nicht weiter beschmutzen, indem ich gegen Gegner dieses Kalibers verliere", sagt er.

Mike Tyson und Jake Paul in Arlington/Texas
Mike Tyson und Jake Paul in Arlington/Texas
Credit: Getty Images
x/x

Doch der Abgrund, der ihn zu verschlingen droht, steht ihm noch bevor. Tysons Tochter Exodus (4) verheddert sich am 26. Mai 2009 im Haus der Mutter in einem Laufband derart, dass sie sich selbst stranguliert. "Ich habe an Selbstmord gedacht, es gab Überdosen. Ich hätte anstelle meines kleinen Engels tot sein sollen", sagt er.

Das Porträt seiner Tochter hat sich Tyson vor dem Paul-Fight auf seiner Brust verewigen lassen: "Sie ist immer in meinem Herzen, jetzt trage ich sie auch auf meinem Herzen." Tyson ist damals innerlich ein toter Mann. Erst der Kinofilm "Hangover" bringt ihn 2009 wieder auf die Bildfläche – und die Siegerstraße.

Mike Tyson verzichtet vor Kampf auf Drogen und Sex

"Manche Kinder kennen mich nur aus ,Hangover‘, nicht mehr als Boxer", sagt Tyson. Er investiert in eine Cannabis-Farm, bringt Cannabis-Weichgummi in der Form vom Holyfields abgebissenem Ohr heraus. "Cannabis macht mich ausgeglichen. Ich rauche im Monat im Wert von 40.000 Dollar", behauptet Tyson, der mit seinem Cannabis-Investment Millionen verdient.

Und Tyson geht auf den "Trip with the Toad", wie er es nennt. Die Reise mit der Colorado-Kröte, die in ihren Poren ein Halluzinogen produziert, das Tyson konsumiert. "Es war eine Nahtoderfahrung. Mein Ego ist gestorben. Von meinem Ego befreit zu sein ist das Schönste, was ich je erlebt habe", meint Tyson, der für den Fight gegen Paul aber auf alle Drogen – und Sex – verzichten will.

Tyson ist wieder da, aber eben mehr als Entertainer denn als reiner Sportler. Er, der sich immer als Ring-Gladiator verstanden hat, bietet jetzt vor allem eins: Brot und Spiele.



Mit dem Sports Illustrated-Chefredakteurs Newsletter erhalten Sie aktuelle Sport-News, Hintergründe und Interviews aus der NFL, der NBA, der Fußball-Bundesliga, der Formel 1 und vieles mehr.

NEWSLETTER ABONNIEREN 


Mehr Sport-News

Die NFL-Saison 2024/25 läuft bei verschiedenen Anbietern live im TV und Livestream. Welches NFL-Abo kostet wie viel? Wie viele NFL-Spiele laufen im Free-TV? Sportsillustrated.de hat alle Informationen für Euch, wo Ihr alle Spiele sehen könnt.

Der Spanier Lamine Yamal gilt als größtes Fußball-Versprechen der Zukunft. Der 16-Jährige bricht einen Rekord nach dem anderen. Beim FC Barcelona kann sich Trainer Hansi Flick freuen, so einen Spieler zu haben. Alles zu Karriere, Titel, Gehalt, Vermögen und Privates.

Zehn Jahre nach dem schweren Skiunfall von Michael Schumacher am 29. Dezember 2013 fragen sich alle Formel-1-Fans weiterhin, wie es ihrem Idol geht. Schumacher-Anwalt Felix Damm erklärt, warum es keine Nachrichten zum Gesundheitszustand von Schumi gibt.