FUSSBALL-WM 2022

Manuel Baums WM-Prognose: Schere zwischen Top-Teams und Außenseitern wird größer

Welche Herausforderungen bringt diese WM für die Teams? Ex Bundesliga-Trainer und Taktik-Experte Manuel Baum subsumiert: die Hitze, die geringe Vorbereitungszeit und ungewohnt erholte Weltstars könnten diese WM – auch sportlich – zu einer außergewöhnlichen machen.

Manuel Baum
Credit: Imago
Sports Illustrated 05/22
Manuel Neuer und Leon Goretzka im Exklusiv-Interview
Die neue Ausgabe von Sports Illustrated mit Manuel Neuer und Leon Goretzka im Exklusiv-Interview
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Inhalt

  • SI-Kolumnist Manuel Baum über Herausforderungen der WM
  • Fußball-WM 2022 in Katar: Klima und verkürzte Vorbereitung entscheidend
  • Manuel Baum: "Individualisten könnten entscheidender denn je sein"

DER GRÖSSTE UNTERSCHIED zwischen dieser Winter-WM und einer Weltmeisterschaft im Sommer ist die Belastung der Spieler. Harry Kane von Tottenham Hotspur zum Beispiel, einer der Topstars der Premier League, kommt am Ende einer Saison mit allen Wettbewerben auf etwa 65 Spiele im Jahr. Vor dieser WM werden es dagegen nur 25 Partien sein.

Das bedeutet: Die besten Spieler starten deutlich erholter in die WM, als das sonst der Fall ist. Eine Folge könnte sein, dass Mannschaften, die viele Topspieler besitzen, durch die bessere Erholung mehr Performance auf den Platz bringen. Sprich: Die Schere zwischen klassischen Außenseitern und etablierten Topnationen könnte größer werden bei dieser WM, es dürfte weniger Überraschungen geben.

Katar 2022 könnte WM starker Individualisten und guter Motivatoren werden

Ich halte es für möglich, dass Individualisten entscheidender denn je sein könnten. Spieler, die aus ihrer Intuition agieren, eine hohe Spielintelligenz besitzen und sich ohne intensives Training schnell an neue Situationen anpassen können, wie etwa Messi – oder Kimmich und Gündogan auf DFB-Seite. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die verkürzte Vorbereitung. Eine Woche vor Beginn der WM fanden noch Punktspiele statt.

Normalerweise haben Trainer drei, vier Wochen Zeit, um die Mannschaft auf die WM mental und inhaltlich vorzubereiten. Ziel ist es, am Ende der Vorbereitungszeit eine gemeinsame Spielidee erarbeitet zu haben, bei der alle Spieler auf dem Feld gedanklich synchronisiert sind. Das ist in dieser Situation nicht möglich. Heißt: Trainer, die vorwiegend konzeptionell arbeiten, könnten Schwierigkeiten bekommen, genauso wie Außenseitermannschaften, die über den Teamgedanken beziehungsweise über automatisierte Abläufe kommen. Trainer, die gute Motivatoren sind, dürften dagegen im Vorteil sein.

Hansi Flick, Trainer der deutschen Mannschaft, hat sein Team sehr kompetenzorientiert zusammengestellt und kann schnell aus den einzelnen Spielern eine Mannschaft formen, die dann unabhängig von viel Inhalt gut performen kann. Das hat er in ähnlicher Form schon 2020 beim Finalturnier in Lissabon bewiesen, als er mit dem FC Bayern unter ungewohnten Umständen die Champions League gewann. Es war außerdem ein cleverer Schachzug, den Standardtrainer Mads Buttgereit von Dänemark abzuwerben. Standardsituationen werden in Katar weitaus wichtiger werden, da diese im Vorfeld deutlich einfacher mit den Spielern abgestimmt werden können als komplexe mannschaftstaktische Abläufe.

Akklimatisierung der Spieler dürfte große Rolle spielen

Auch das Klima könnte einen Einfluss haben: Es sind mindestens 20 Grad Temperaturunterschied im Vergleich zu Deutschland, die Akklimatisierung der Spieler wird eine gewisse Zeit dauern, das ist bei den Turnieren im Sommer nicht der Fall. Für die medizinische Abteilung und die Spieler wird das eine große Herausforderung. Man muss sich Gedanken machen, wie die Anpassung möglichst schnell erfolgt. Welche Rolle die Atmosphäre und die Fans spielen werden, finde ich schwer zu prognostizieren. Die Spieler haben durch die Corona-Krise aber miterlebt, wie es ist, vor leeren Stadien oder weniger Fans zu spielen – deshalb ist das eher zu vernachlässigen.

 


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